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Mit dem Modellwechsel des CL haben die Aerodynamik-Ingenieure von Mercedes-Benz das Unmögliche möglich gemacht. Trotz größerer Radhäuser sowie höherer Anforderungen seitens der Motorkühlung
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Mit dem Modellwechsel des CL haben die Aerodynamik-Ingenieure von Mercedes-Benz das Unmögliche möglich gemacht. Trotz größerer Radhäuser sowie höherer Anforderungen seitens der Motorkühlung und Innenraum-Klimatisierung erreicht das neue Coupé einen besseren Luftwiderstandsbeiwert als das Vorgängermodell: cW = 0,27.
Die gute Aerodynamik schlägt sich in der Akustik nieder, denn verwirbelungsarme Luftströme verursachen weniger Geräusche. Schon in der Konzeptphase gestalteten die Mercedes-Ingenieure zum Beispiel die A-Säulen möglichst strömungsgünstig, verstärkten die Außenhautflächen der Rohbaukarosserie und konzipierten neue Türdichtungen. Daneben isolieren sechs Millimeter starke Seitenscheiben zusätzlich den Innenraum vor eindringenden Geräuschen.
Geräusche und Vibrationen sind ein wichtiges Forschungsfeld der Automobil-Entwickler, das Experten zufolge bis zu 50 Prozent aller Entwicklungsaufwendungen direkt oder indirekt abschöpft. Dazu passt die Aussage der Ingenieure, dass für den CL noch weitere Bauteile unter aeroakustischen Gesichtspunkten entwickelt wurden. Zum Beispiel die Scheibenwischer, die im Ruhezustand sehr tief sitzen, also nicht im Windstrom liegen. Anstelle des gelenkigen Bügelsystems herkömmlicher Wischerblätter, an dem das Wischergummi eingehängt wird, bestehen die Scheibenwischer des CL aus einem einteiligen Gummiprofil mit integriertem Spoiler und außen angeordneten Federschienen. Da Letztere für eine gleichmäßige Verteilung des Anpressdrucks sorgen, verringern sich nach Angaben von Mercedes-Benz die Wischergeräusche hörbar.
Aeroakustische Messungen führen die Mercedes-Ingenieure mit einem drei Meter breiten Parabolspiegel durch, der mit zahlreichen Mikrofonen bestückt ist. Er dient als Schallreflektor. Die Mikrofone im Brennpunkt des Hohlspiegels registrieren aus fünf Metern Entfernung die Geräusche, die der umströmende Fahrtwind an der Karosserie verursacht. Der Vorteil des Hohlspiegels: Waren früher viele Einzelmessungen erforderlich, genügt jetzt eine Messung, um komplette Karosseriebereiche, beispielsweise A-Säule, Außenspiegel, Seitenscheibe und Dach, zu untersuchen.
Eine Videokamera überträgt den Untersuchungsbereich auf den Computerbildschirm. Gleichzeitig werden die Windgeräusche als farbige Flächen, abhängig von Lautstärke und Frequenz, in dem Videobild dargestellt. Am Monitor lassen sich auf einen Blick störende Schallquellen lokalisieren und beobachten.
Die Auswertung der Messergebnisse zeigt das Geschick der Ingenieure. Der akustisch sensible Bereich in Kopfhöhe des Fahrers erscheint auf dem Computerbild der Hohlspiegel-Mikrofonie als dunkelblaue und damit besonders leise Zone. Hier betragen die Innengeräusche laut Hersteller bei einer Windgeschwindigkeit von 140 Kilometer pro Stunde weniger als 66 Dezibel.
Der Akustikkomfort, den die Insassen subjektiv empfinden, ist neben solchen Messwerten eine weitere wichtige Zielgröße, weshalb Mercedes-Benz Hörtests mit 60 Probanden in Auftrag gab. Ergänzend setzten die Entwickler Analyseverfahren ein, die psychoakustische Kennwerte über die subjektive Wahrnehmung der Geräuschkulisse liefern. Denn Geräusche, die der Schallpegelmesser als leise einstuft, können auf Grund ihrer Frequenzen für die Passagiere sehr unangenehm sein.
Einer dieser Parameter ist zum Beispiel die Lautheit. Sie wird aus verschiedenen Frequenzgruppen berechnet und beschreibt somit präziser als der Schallpegel, wie der Mensch die Lautstärke empfindet. Andere Kriterien sind die so genannte Schärfe, die hohe Frequenzen wie Zischen oder Pfeifen klassifiziert, und der Artikulations-Index. Er beschreibt, wie gut sich die Insassen während der Fahrt verständigen können. Für den CL berechneten die Ingenieure einen Artikulations-Index von 78 Prozent, das sind gut zehn Prozentpunkte mehr als für das Vorgängermodell.
Luft und Sitze sind zwei Begriffe, die nur auf den ersten Blick nicht in Verbindung stehen. Im CL-Gestühl nimmt Luft jedoch eine tragende Rolle ein. Schon in der einfachsten Ausführung ist in den Vordersitzen eine pneumatische Lordosenstütze der Alfmeier AG verbaut, deren Luftkammer die Lehnenkontur am Rücken stabilisierend an die Anatomie der Passagiere anpasst. Ein Alfmeier zufolge lautlos schaltendes Ventil regelt die Luftzufuhr und hält die eingestellte Kontur in Form. Die Druckversorgung übernimmt eine Membranpumpe. Fahrer und Beifahrer können die Lordosenunterstützung unabhängig voneinader einstellen.
Multikontursitze sind gegen Aufpreis für Fahrer und Beifahrer erhältlich. Ihre neun Luftpolster in vier verschiedenen Zonen können den Sitz noch wesentlich genauer an die menschliche Anatomie anpassen. Die Luftkammern unter den Polsterauflagen befinden sich jeweils in den Seitenwangen des Sitzkissens und der Sitzlehne, im Bereich der Lordosenstütze und der Schulterstütze. Sie werden mit Piezoventilen so schnell gesteuert, dass die Multikontursitze sogar in das präventive Insassenschutzsystem einbezogen sind. Im Ernstfall werden die Luftpolster in den Seitenwangen der Sitzkissen und -lehnen aufgepumpt, damit sie den Insassen mehr Seitenhalt geben.
Seitenhalt verspricht auch die fahrdynamische Variante des Multikontursitzes. Je nach Lenkwinkel, Querbeschleunigung und Geschwindigkeit variieren die Piezoventile Fülldruck und Volumen der seitlichen Luftkammern in den Rückenlehnen.
Nicht pneumatisch, sondern elektrisch können Fahrer und Beifahrer bereits ab der Serienausstattung ihre Sitzposition mit sechs stufenlosen Verstellmöglichkeiten justieren. Für den Fond ist zusätzlich eine pneumatische Kopfstützenaufstellung mit ein- oder ausfahrenden Kopfstützen von Alfmeier erhältlich.
Damit die Fahrer unabhängig von ihrer Sitzposition und Körpergröße den Überblick behalten, hat Mercedes-Benz die Innenraumgeometrie in einer frühen Entwicklungsphase bestimmt. Als CAD-Software diente das Programm Ramsis von Human Solutions. Es veranschaulicht das Sichtfeld von virtuellen Testfahrern und analysiert Kopfbewegungen und -haltung beim Blick in den Spiegel nach ergonomischen Aspekten.
Individuell einstellbare Luftverhältnisse im Innenraum verspricht die Klimaautomatik von Behr. Mit ihr können Fahrer und Beifahrer sowie die Fondpassagiere die Ausblastemperatur für den Fußraum wie für den oberen Bereich nach ihren Vorlieben einstellen. Dadurch entsteht eine horizontale Temperaturschichtung. Insgesamt 15 Elektromotoren steuern diese Kalt- und Warmklappen der Mischzonen sowie die Klappen der Luftauslässe zu den Düsen. Darüber hinaus lässt die Klimaautomatik viele weitere Einstellmöglichkeiten für die Temperatur und Luftströme zu, etwa die getrennte Einstellung der Luftmenge für die linke und rechte Seite. Jürgen Goroncy
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