Volkswagen Die Hintergründe der Abgas-Manipulation

Autor / Redakteur: Jan Rosenow / Dipl.-Ing. (FH) Jan Rosenow

Die amerikanischen Behörden beobachten Volkswagen schon seit 2014. Doch dem Unternehmen gelang es trotz Nachbesserung nicht, die Emissionswerte einzuhalten. Schließlich fiel es um und enthüllte seine Software-Tricks.

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Mit Software-Tricks verbesserte Volkswagen die Abgasemissionen seiner TDI-Motoren auf dem Prüfstand – der reale Ausstoß kann deutlich höher liegen.
Mit Software-Tricks verbesserte Volkswagen die Abgasemissionen seiner TDI-Motoren auf dem Prüfstand – der reale Ausstoß kann deutlich höher liegen.
(Foto: Volkswagen)

VW-Modelle für den amerikanischen Markt stoßen bis zu 40 Mal so viel Stickoxide aus wie erlaubt. Um trotzdem eine Zulassung zu bekommen, nutzte der Hersteller eine Software zur Prüfstandslauf-Erkennung, die im speziellen Fahrzyklus der amtlichen Prüfung auf einen schadstoffärmeren Betrieb umschaltete. Für Fachleute ist die Tatsache, dass moderne Diesel Schwierigkeiten mit dem Einhalten der Stickoxid-Grenzwerte haben, nicht überraschend. Verbraucherschutzorganisationen wie der ADAC und Umweltverbände kritisieren dies schon lange und haben auch bei europäischen Modellen vielfach überhöhte Messwerte nachgewiesen. Neu ist an der Causa VW, dass eine Regierung überschrittene Grenzwerte so unnachgiebig ahndet wie nun die US-amerikanische. Auch wenn die tatsächliche Strafzahlung weit unter den maximal möglichen 18 Milliarden Dollar liegen dürfte.

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Amerikanischer Alptraum

Eine öffentliche Fehde mit den Behörden ist so ziemlich das letzte, was Volkswagen auf dem US-Markt derzeit benötigt. Die Marke kämpft seit Jahren darum, aus der Nische zu kommen; die Investitionen in ein US-Werk und in marktspezifische Produkte belegen, wie ernst es die Wolfsburger meinen. Konzernchef Martin Winterkorn gilt als USA-Fan.

Nun ist der sprichwörtliche GAU eingetreten: Die mächtige Umweltbehörde EPA will Beweise dafür haben, dass VW bei der Zertifizierung verschiedener Diesel-Modelle unsauber gespielt habe. Die Software sei ertüchtigt worden, Testzyklen zu erkennen; unter normalen Fahrbedingungen lägen die Emissionen höher.

Schon übt sich VW in tiefer Demut: "Ich persönlich bedauere zutiefst, dass wir das Vertrauen unserer Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht haben", ließ Konzernchef Martin Winterkorn am Sonntag verlauten. Dabei dürften unschoene Erinnerungen mitschwingen: In den 80er-Jahren war in den USA behauptet worden, dass sich die C3-Baureihe von Audi auf mysteriöse Weise und ohne Zutun des Fahrers von alleine in Bewegung setze. Audi kämpfte um seine Ehre und für den gesunden Menschenverstand; am Ende der jahrelangen Kampagne behielten die Ingolstädter recht, doch der Marktanteil war auf ein Bruchteil zusammengeschrumpft.

Noch sind längst nicht alle Fakten auf dem Tisch. Klar ist, dass VW bereits seit über einem Jahr mit der kalifornischen Umweltbehörde über Probleme bei der Zertifizierung in Diskussion stand. Die technischen Details und die rechtlichen Implikationen sind keineswegs eindeutig, zumal VW nicht der erste Hersteller ist, dem vorgeworfen wird, seine Antriebe auf spezifische Testkonfigurationen hin zu optimieren.

Sollten sich die Vorwürfe allerdings im Kern bewahrheiten, wird der Konzern erklären müssen, wieso ein derartiges PR- und Marketing-Desaster in Kauf genommen wurde. Denn unter der Affäre leidet nicht nur VW, sondern jeder Hersteller, der in den letzten Jahren - mit guten Gründen - auf den Dieselantrieb gesetzt hat. Die Gegner des Selbstzünders malen bereits das Schreckbild der umweltzerstörenden Dreckschleuder an die Wand; die Umweltbehörde spricht gravitätisch von einer "Gefährdung der öffentlichen Gesundheit".

Eines ist bereits jetzt klar: Die US-Offensive von Volkswagen könnte unter keinem ungünstigeren Stern stehen.

VW hatte bereits auf SCR-Kat umgestellt

In den USA gelten für Dieselautos die gleichen Schadstofflimits wie für Benziner – anders als in Europa, wo die Selbstzünder selbst unter der strengen Euro 6 noch 33 Prozent mehr Stickoxide produzieren dürfen. Entsprechend schwer ist es für die Automobilhersteller, diese Limits einzuhalten. Vor allem die wenig effiziente Technik des NOx-Speicherkatalysators stößt hier an ihre Grenzen. Deshalb hat VW diesen bei seinen amerikanischen Modellen – auch den nun in der Kritik stehenden Kompaktmodellen Golf, Jetta, Beetle, Passat sowie dem Audi A3 – durch das leistungsfähigere SCR-System ersetzt (Selective Catalytic Reducation). Trotzdem gelang es dem Hersteller nicht, den Anforderungen der amerikanischen Behörden gerecht zu werden. Trotz einer Nachbesserung (siehe unten) blieben die Emissionswerte bei den Vierzylinder-Dieseln zu hoch.

Probleme drohen auch in Europa

Das Beispiel VW zeigt, dass auch die strengsten Gesetze nur dann einen Sinn haben, wenn sie behördlicherseits nachgeprüft und mit Sanktionen durchgesetzt werden. Davon ist Europa noch weit entfernt: Obwohl auch hier längst bekannt ist, dass Dieselfahrzeuge, aber auch Benziner, im realen Fahrbetrieb deutlich mehr Schadstoffe ausstoßen als erlaubt, tut niemand etwas. Zwar steht ab 2017 mit den so genannten Real Driving Emissions (RDE) ein Instrument zur Verfügung, mit dem die Abgasemissionen von Kraftfahrzeugen im realen Fahrbetrieb bewertet werden können. Doch über eventuelle Strafmaßnahmen für Hersteller, deren Autos überhöhte Werte aufweisen, ist noch nichts bekannt. Dabei kommt ebenfalls ab 2017 mit dem neuen Testprozedere WLTP eine weitere Herausforderung auf die Dieselautos zu. Mit der stärkeren Dynamik und dem insgesamt höheren Geschwindigkeitsniveau des neuen Fahrzyklus steigen auch die Abgasemissionen – vor allem von Stickoxid. Der ADAC und das ICCT haben bereits aktuelle Fahrzeuge nach den WLTP-Regularien getestet. Das Ergebnis: Je nach Marke lagen die ermittelten Werte bis zu 15 Mal höher als die Grenzwerte.

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