Formula Student Drahtwälzlager in nabenloser Felge
Müssen die Felgen eines Rennwagens zentrale Naben haben? „Nein“, meinte das Formula-Student-Team der Hochschule Amberg-Weiden und verzichtete auf schwere Bauteile und zentrale Radlager. Stattdessen setzt es auf filigrane Drahtwälzlager in der nabenlosen Vorderfelge.
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Die Formula Student ist ein internationaler Konstruktionswettbewerb, der 1981 in den USA das erste Mal ausgelotet wurde und mittlerweile in 49 Ländern ausgetragen wird. Bei den jährlichen Wettkämpfen in den USA sowie in Deutschland, England, Italien, Australien, Brasilien und Japan geht jeweils ein großes internationales Teilnehmerfeld an den Start. Insgesamt haben sich rund 300 Rennteams gefunden, 80 davon alleine in Deutschland.
Freiheiten im Reglement
Das Reglement der Formula Student lässt den teilnehmenden Studenten viele Freiheiten, um Innovationen zu ermöglichen. Einige wichtige Merkmale, die ein teilnehmendes Fahrzeug besitzen muss, gibt es aber dennoch. Zum Beispiel: Viertaktmotor mit maximal 610 Kubikzentimenter, Monoposto (einsitziges Fahrzeug mit freistehenden Rädern), Radstand mindestens 1.525 Millimeter. Ansonsten sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt, was die Studenten des Running-Snail-Racing-Teams nutzen wollten, um das Gewicht ihres Boliden möglichst gering zu halten. Inzwischen starten die Teams in der neu geschaffenen Klasse Formula Student Electric (FSE ) mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Hier können künftig Drahtwälzlager mit integrierten Radnabenmotoren ihre konstruktiven Vorteile voll ausspielen.
Das Drahtwälzlager-Prinzip
Beim Drahtwälzlager rollen die Wälzkörper auf speziellen Laufdrähten ab, die in umschließende Konstruktionen eingelegt werden. Das Drahtwälzlager von Franke ermöglicht eine individuelle Gestaltung der umschließenden Konstruktion sowie eine freie Werkstoffwahl. Dadurch ist es möglich, die Gehäuseteile des Lagers auf die Anschlusskonstruktion abgestimmt zu fertigen. Auch alternative Werkstoffe wie Aluminium, Kunststoff oder Carbon sind zur Fertigung der umschließenden Konstruktion geeignet und sparen Gewicht beziehungsweise Antriebsenergie.
Leichtbau, kleinster Einbauraum, Temperaturunempfindlichkeit, Innenelastizität, um Fahrzeugverwindungen zu kompensieren, geringer Drehwiderstand – Eigenschaften, die im Fahrzeugbau oder in der Flugzeugtechnik bedeutsam sind. Drehverbindungen aus Aluminium sind bei diesen Anforderungen die erste Wahl. Anwendungsgebiete sind rotierende Satellitenantennen auf Fahrzeugdächern, Radlager mit Direktantrieb, hochpräzise Laser-Messgeräte an Flugzeugrümpfen, bewegliche Außenkameras an Helikoptern und vieles mehr.
Nabenlose Karbonfelge
Diese Beispiele stehen stellvertretend für kundenspezifische Lager. Für die Auslegung und die Testläufe der Prototypen stehen der Franke GmbH umfangreiche Analysetools in Theorie und Praxis zur Verfügung. Moderne Auslegungsprogramme und FEM-Analysen ergänzen das in vielen Jahren gewachsene Fachwissen. Das ermöglicht dem Unternehmen, bereits in der Entwicklungsphase die richtigen Parameter zu setzen. Später durchlaufen Erstmuster und Prototypen die Laboreinrichtungen, wie Klimakammern und Einlaufstände, um den Einsatz in der realen Anwendung zu simulieren.
Deutlich geringere ungefederte Massen
Ein spektakuläres Ergebnis des Running-Snail-Racing-Teams ist die nabenlose Karbonfelge im Vorderrad. Durch die Verwendung leichtgewichtiger Materialien und den Verzicht auf die zentrale Achse werden die ungefederten Massen deutlich reduziert. Die innenliegende Bremsscheibe wird besser gekühlt und kann ebenfalls schmaler dimensioniert werden, was das Rad als Ganzes spürbar leichter macht. „Das hatte zur Folge, dass wir die Aufhängung und Stoßdämpfung filigraner und leichter gestalten konnten“, sagt Johannes Braun vom Teambereich Suspension/Steering. „Außerdem können durch die am Außendurchmesser angebrachten Anlenk-Punkte die Querkräfte viel besser aufgenommen werden.“
Umfangreiche Entwicklungen
Auf der Suche nach einer geeigneten Lagerung wurden die Studenten auf Drahtwälzlager aufmerksam. Gemeinsam mit den Ingenieuren der Franke GmbH entstand ein filigranes Aluminiumgehäuse, das die Lagerringe aufnimmt und Befestigungspunkte für die Bremsanlage und die Karbonfelge enthält. Hier kommt den Entwicklern der äußerst kompakte Einbauraum der Drahtwälzlager zugute. „Wir sind sehr zufrieden mit dieser Lösung“, sagt Johannes Braun und bedankt sich für die gute Zusammenarbeit mit dem Franke-Team. Die Entwicklungsabteilung von Franke hat das Projekt von Anfang an begleitet und zahlreiche Tests und Analysen durchgeführt. Sämtliche konstruktiven Ressourcen sowie die fertigen Lager selbst wurden dem Running-Snail-Racing-Team kostenlos zur Verfügung gestellt. Franke reiht sich damit in die lange Liste hochkarätiger Sponsoren der Hochschul-Rennserie ein.
Technik mit Vorbildfunktion
Inzwischen wurden auch andere Teams auf die nabenlose Felge aufmerksam. Nicht nur das reduzierte Gewicht und die bessere Radführung sprechen für ein solches Konzept. Auch die direktere Ansprache von Lenkung und Federung sowie die geringeren Kräfte, die auf die Aufhängung und das Chassis einwirken, machen sich im Rennbetrieb positiv bemerkbar. Gut möglich, dass die nabenlose Felge mit integriertem Drahtwälzlager in naher Zukunft zum Rennwagenstandard wird. Die große Mittenfreiheit der Drahtwälzlager lädt geradezu ein, den nächsten Schritt zu tun und den Antrieb eines Elektrofahrzeugs direkt in die Radnaben zu verlegen.
Drahtwälzlager von Franke mit integriertem Direktantrieb arbeiten bereits zuverlässig in High-End-Computertomographen. Hier erhalten die Kunden die komplette Baugruppe aus Drahtwälzlager, Motor und Steuerung aufeinander abgestimmt aus einer Hand. Ein ähnliches Paket ließe sich problemlos für die Antriebseinheiten elektrischer Pkw oder Linienbusse schnüren, zumal die Drahtwälzlager-Technologie bezüglich Lagerdurchmesser und -querschnitt individuell an die Anwendungssituation angepasst werden kann.
Arne Jankowski, Technische Beratung, Franke GmbH
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