E-Fuels E-Fuels: Strom in Kraftstoff wandeln

Autor Sven Prawitz

Mit Ökostrom hergestellte E-Fuels können nicht auf die Emissionsziele angerechnet werden. Das hemmt die Investitionen in diese Technik. Über die Vor- und Nachteile synthetischer Kraftstoffe.

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Forschung zu Kraftstoffen bei Audi: Kraftstoff, der in eine Druckkammer eingespritzt wird.
Forschung zu Kraftstoffen bei Audi: Kraftstoff, der in eine Druckkammer eingespritzt wird.
(Bild: Audi)

Als im Februar die Zahlen für den Umsatz von Bio-Lebensmitteln bekanntgegeben wurden, waren einige Kommentatoren enttäuscht: Lediglich zehn Prozent vom Gesamtumsatz der Lebensmittel werden mit Bio-Produkten gemacht. Die „Süddeutsche Zeitung“ stellte in einem Kommentar zum Thema fest, dass die oft bekundete Begeisterung für Bio-Lebensmittel spätestens im Supermarkt an ihre Grenze stoße – nämlich dann, wenn es an den Geldbeutel gehe. Der Markt reguliert sich über den Preis – und das, obwohl sich in Deutschland viele Verbraucher aufgrund der stabilen wirtschaftlichen Lage teurere Lebensmittel leisten könnten.

In den Technologiebranchen verhält es sich in weiten Teilen ähnlich. Das ist ein Grund, warum die Gesetzgeber der europäischen Union massiv eingreifen, um die selbst gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen. Die Vorgaben für die Autoindustrie suggerieren dabei lediglich auf den ersten Blick eine Technologieoffenheit. Die vorgegebenen Grenzen für den maximalen Ausstoß von Kohlendioxid und Stickoxiden (NOx) lassen sich über verschiedene Wege erreichen: Abgasnachbehandlung, Leichtbau oder durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs.

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Bedarf an E-Fuels über 2030 hinaus

Letzteres wird auf verschiedenen Ebenen gerade stark vorangetrieben. Die Bundesregierung fördert den Kauf von E-Autos und den Aufbau einer Ladeinfrastruktur. Parallel investieren viele Automobilhersteller teils massiv in die eigene E-Auto-Modellpalette. Das ist perspektivisch wohl der wichtigste Baustein, die Schadstoffemissionen im Straßenverkehr deutlich zu verringern.

Was bei dieser Strategie bisher kaum beachtet wird: Bis es einen signifikanten Fahrzeugbestand geben wird, vergehen noch viele Jahre. Noch sind E-Autos vergleichsweise teuer. Bis die Preise fallen, wird es wohl noch fünf Jahre dauern – oder noch länger. Zieht man dann noch in Betracht, dass der Fahrzeugbestand im Schnitt um die zehn Jahre alt ist, werden noch viele Jahre Verbrenner unterwegs sein. Der Bedarf an flüssigen Kraftstoffen bleibt somit weit über das Jahr 2030 bestehen.

Design von E-Fuels

Ein zusätzlicher Weg, den fossilen Treibstoffbedarf zu reduzieren, sind synthetische Kraftstoffe. Wie bei den Bio-Lebensmitteln müsste auch hier die Politik fördernd eingreifen. Denn in einer Tank-to-Wheel-Betrachtung (Energieverbrauch des Fahrzeugs) – in der das E-Auto immer Null Gramm Schadstoffe hat – sind diese Kraftstoffe schlicht nicht attraktiv. Die nötigen Investitionen stehen nicht im Verhältnis zum Ergebnis.

Dabei könnten synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, einen großen Beitrag leisten. Sie können beispielsweise aus Pflanzenresten oder auch aus Wasser und Kohlenstoffdioxid aus der Luft hergestellt werden. Das Ziel dabei ist, die E-Fuels gemäß der Kraftstoffnormen auszulegen. Dann müssten die Motoren nicht angepasst werden, und die synthetisierten Kraftstoffe könnten auch in Bestandsfahrzeugen eingesetzt werden.

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E-Fuels

Aus Wasser und Kohlenstoffdioxid lassen sich synthetische Kraftstoffe herstellen. Vereinfacht dargestellt werden die Wassermoleküle aufgespalten, um Wasserstoff zu gewinnen. Dieser wird mit CO2 – aus der Atmosphäre oder aus der Industrie – zu langkettigen Kohlenwasserstoffen zusammengesetzt. Das Verfahren dazu ist die Fischer-Tropsch-Synthese.

Da für diesen Prozess elektrische Energie benötigt wird, bezeichnet man die daraus gewonnenen Kraftstoffe als „electric fuels“ oder kurz E-Fuels. Diese Kraftstoffe werden nach den bestehenden Normen designt und enthalten keine Moleküle, die bei der Verbrennung Schadstoffe erzeugen.

Bei der Zusammensetzung werden vor allem Moleküle weggelassen, die beim Verbrennen Ruß verursachen. „Beim synthetischen Kraftstoff werden wir nur zehn, zwanzig Moleküle haben. Diese können wir so aussuchen, dass deren Eigenschaften überwiegend vorteilhaft sind“, sagte Prof. Manfred Aigner vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum kürzlich im ZDF.

Herstellung von E-Fuels

Die Rohstoffquellen der farb- und nahezu geruchlosen E-Fuels sind sehr unterschiedlich. Benötigt werden Fette, Pflanzenreste, Erdgas oder Wasser und Kohlendioxid. Shell und Aramco verflüssigen etwa Erdgas, das z. B. auf Erdölfeldern austritt, im Fischer-Tropsch-Verfahren (Gas-to-liquid, Gtl). Dieser synthetische Kraftstoff verbrennt vor allem rußarm – laut den Herstellern entstehen um bis zu 50 Prozent weniger Rußpartikel. Zudem sollen zehn Prozent weniger Stickoxide entstehen. Durch den Energiebedarf bei der Herstellung und den Transport in die Verbraucherländer ist die Klimabilanz dennoch nicht sonderlich gut. Die Feinstaubwerte lassen sich lediglich lokal reduzieren.

Einen weiteren synthetischen Dieselkraftstoff bietet das Unternehmen Tool Fuel an. Basis sind hier Fette, die als Abfallstoffe in der Lebensmittelindustrie anfallen. Auch Raps-, Soja- und Palmöl können verwendet werden. Laut Hersteller sind die Feinstaub- und Kohlenmonoxid-Emissionen gegenüber fossilem Diesel 30 Prozent niedriger. Bei optimierter Motorsteuerung sinken zudem die NOx um bis zu 35 Prozent.

Vorteile von E-Fuels

Der geringere Stickoxid-Ausstoß lässt sich vor allem durch eine robustere Verbrennung erklären. Forscher und Entwickler weisen auf deutlich mehr Laufruhe bei Dieselmotoren hin: Selbst beim Kaltstart im Winter würden die Motoren nach wenigen Sekunden laufen ohne zu knattern, berichten Anwender.

Auch auf die Wartung haben synthetische Kraftstoffe einen positiven Einfluss. Durch den geringeren Rußanteil im Abgas verblocken die Partikelfilter nicht mehr. Vor allem Kurzstreckenfahrer kenne das Phänomen, das ein sogenanntes Freibrennen des Filters erfordert. Bisher wird synthetischer Diesel jedoch kaum angeboten – Schätzungen zufolge lag der Marktanteil im Jahr 2017 bei 0,3 Prozent. Dazu kommt, dass der Preis – ähnlich wie bei Bio-Lebensmitteln – momentan deutlich höher ist als bei Diesel aus Mineralöl. Bisher wird der Diesel aus Pflanzenfetten bundesweit an weniger als zwei Dutzend Tankstellen angeboten. Kunden müssen je Liter zwischen 20 und 30 Cent mehr zahlen.

Eine weitere Möglichkeit, vom CO2-intensiven Mineralöl wegzukommen, entwickelt die Firma Sunfire in Dresden. Das Unternehmen produziert einen Rohölersatz aus Wasser und Kohlendioxid – unter Einsatz von Ökostrom. Die Herstellprozesse seien fertig entwickelt, allerdings nur im Labormaßstab. Geplant ist nun eine Großanlage in Norwegen für zehn Millionen Liter im Jahr.

Energie aus Wasserkraft

Ein weiteres Projekt soll in Laufenburg entstehen: Der Schweizer Energieversorger Energiedienst – an dem EnBW zu 67 Prozent beteiligt ist – plant dort eine Anlage, die je nach Auslastung zwischen 150.000 und 350.000 Liter synthetischen Diesel im Jahr produzieren soll. Die elektrische Energie kommt aus dem eigenen Wasserkraftwerk. Die Inbetriebnahme der mobilen Pilotanlage von Ineratec ist für Ende 2020 geplant. Ein weiterer Projektpartner ist Audi.

Alle diese Produktionsverfahren sind energieintensiv. Da stellt sich die Frage: Ist es sinnvoll, auf diese Weise flüssigen Kraftstoff für Verbrenner zu produzieren, oder sollte der Strom nicht besser direkt im Fahrzeug zum Vortrieb eingesetzt werden? Damit hat sich der Forschungsverband für Verbrennungskraftmaschinen (FVV) in einer Studie beschäftigt. Soviel vorweg: Der FVV favorisiert den Einsatz von E-Fuels in Verbrennungsmotoren – als Ergänzung zur Elektromobilität. Das erscheint erwartbar, bei einer Interessenvertretung, die das Wort „Verbrennung“ im Namen trägt. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Zahlen.

Studie zu E-Fuels

Die Studie „Defossilisierung des Transportsektors“ betrachtet drei Szenarien, die im Jahr 2050 jeweils einen klimaneutralen Straßenverkehr ermöglichen sollen. Diese bewusst gewählten fiktiven 100-Prozent-Szenarien sind:

  • rein batterie-elektrisch angetriebene Fahrzeuge,
  • Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle zur Umwandlung von Wasserstoff und
  • der Einsatz von Verbrennungstechnik mit E-Fuels.

Für jedes Szenario wurden die jeweils damit verbundenen Kosten analysiert und daraus der Investitionsbedarf geschätzt.

Ist der Fahrzeugbestand in Deutschland rein elektrisch, geht die Studie von einem minimalen Energiebedarf von 249 Terawattstunden aus – maximal von 325 Terawattstunden, je nach Wirkungsgrad der Antriebe. Unter Berücksichtigung der Investitionen in die Infrastruktur, der Energiedistribution sowie der Abschreibung auf den Fahrzeugpreis kommen die Verfasser der Studie auf Mobilitätskosten von 29 bis 45 Euro pro 100 Kilometer. Für den Ausbau der Energiekraftwerke und die Verteilung bis ans Auto sind Investitionen von minimal 150 bis maximal 460 Milliarden Euro berücksichtigt.

Wird die Energie durch Synthese von Wasserstoff und Sauerstoff direkt im Auto umgewandelt, kommen Investitionen für die Wasserstoffherstellung hinzu. In diesem Fall geht der FVV aber von deutlich niedrigeren Aufwänden für die Infrastruktur aus. Dabei wäre eine zentrale Wasserstoffproduktion in Ländern mit einem großen Energieüberschuss – zum Beispiel sonnenreiche Regionen – auch hinsichtlich Investitionen in Deutschland deutlich günstiger

Wasserstoff als Energiespeicher

Wasserstoff hat den großen Vorteil, dass er genutzt werden kann, um überschüssige Energie zu speichern. Auch die Verteilung ist relativ einfach. Dieser Zwischenschritt hat jedoch einen deutlich höheren Gesamtenergiebedarf. Die Studie des FVV geht von einem ungefähr doppelt so großen Bedarf an elektrischer Energie gegenüber dem Einsatz von batterieelektrischen Fahrzeugen aus. Trotz alledem liegen die Mobilitätskosten in einem vergleichbaren Bereich: bei 30 bis 53 Euro pro 100 Kilometer.

Im dritten Fall betrachtet der FVV den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen, die mit Ökostrom hergestellt werden. Wird Methan hergestellt, ist der Energiebedarf etwa so hoch wie beim vorher beschriebenen Wasserstoff-Szenario. Werden die Fahrzeuge jedoch mit Oxymethylether (OME) betrieben, verdoppelt sich der Gesamtenergiebedarf nochmal auf dann 1.315 Terawattstunden.

Dazwischen liegen die Kraftstoffe Methanol, Dimethylether (DME) sowie die durch Fischer-Tropsch-Synthese produzierten Benzin, Diesel und Flüssiggas. Beispiele sind die so gewonnenen Kraftstoffe von Shell und Tool Fuel. Auch aus Mikroalgen lassen sich solche Rohölersatzprodukte herstellen, wie ein Forschungsbericht der Deutschen Wissenschaftlichen Gesellschaft für Erdöl, Erdgas und Kohle zeigt (DGMK). Durch hydrierende Verfahren könnte man daraus Kraftstoffe gewinnen. Die DGMK hält einen Kraftstoffpreis von unter zwei Euro je Liter für möglich. Mit geschätzten Gesamtinvestitionen von 240 bis 1.036 Milliarden Euro ergeben sich auch für dieses Szenario Mobilitätskosten um die 30 Euro pro 100 Kilometer (28 bis 45 Mrd. €/100 km).

Entscheidend sind die Gesamtemissionen

Auch wenn die Mobilitätskosten laut FVV-Studie vergleichbar sind, zeigt diese deutlich, dass der Gesamtenergiebedarf für die reine Elektromobilität geringer ist. Damit einher geht auch eine bessere CO2-Bilanz für E-Fahrzeuge. Das veranschaulicht eine Gegenüberstellung der Antriebstechniken von Volkswagen für einen Golf (siehe Grafik in der Bildergalerie). Dennoch könnten E-Fuels dazu beitragen, Feinstaub und Treibhausgase zu reduzieren. Denn bei der Diskussion um Grenzen für Schadstoffemissionen kommt ein Punkt kaum vor: Bezogen auf das Klima geht es nicht nur darum, zu einem bestimmten Stichtag eine Schwelle zu unterschreiten. Die Gesamtemissionen in der Zeit bis dahin sind ebenso wichtig.

Kurz, die Summe der Treibhausgasemissionen ist der entscheidende Faktor. Noch immer gibt es kein breites Angebot an E-Fahrzeugen. Das hat zur Folge, dass in den kommenden Jahren noch in hohem Maße Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkauft werden. Deren Einfluss auf das Klima könnte mit synthetisch hergestellten Kraftstoffen verringert werden. Allerdings mangelt es bei E-Fuels momentan an politischer Unterstützung. Ohne eine Well-to-Wheel-Betrachtung (Energiebilanz von der Energiegewinnung bis zur kinetischen Umwandlung) fehlt der Investitionsanreiz für die Kraftstoffhersteller. In der EU wird im Jahr 2023 die Entscheidung überprüft, elektrisch produzierte Kraftstoffe nicht auf die CO2-Bilanz anzurechnen. Die Hoffnung einiger OEMs ist, dass dann die E-Fuels politisch gewollt sind und gefördert werden.

E-Fuels für private Verbraucher?

Ob die OEMs in der Zwischenzeit ihre Entwicklungen vorantreiben, bleibt jedoch fraglich. Ralf Pfitzner, Leiter Konzern Nachhaltigkeit bei VW, äußerte sich am Rande des Genfer Auto Salons: „E-Fuels spielen für Pkws kaum noch eine Rolle.“ Für die Anwendung in der breiten Masse sei die Herstellung solcher Kraftstoffe schlicht zu teuer. „E-Fuels werden eher im Truck-Bereich, bei Schiffen und im Flugverkehr eine signifikante Rolle spielen. Denn dort ist die Elektrifizierung sehr schwierig“, so Pfitzner.

Ähnlich äußerte sich Wolf-Henning Scheider, Vorstandsvorsitzender bei ZF, in einem Pressegespräch: „E-Fuels sind insbesondere dort erforderlich, wo man mit der Elektromobilität technisch überhaupt nicht zurande kommt.“ Hier sieht Scheider je nach Vorgaben aus der Politik vor allem Bedarf beim Flug- und Schiffsverkehr. „Dann bin ich skeptisch, dass viel für den Individualverkehr übrig bleibt“, sagte Scheider zum möglichen Einsatz von E-Fuels.

Bildergalerie

Für Endverbraucher wird sich somit die Wahl zwischen Kraftstoffen auf Mineralölbasis und denen aus Biomasse vermutlich nicht stellen. Wenn nicht ein massiver Investitionsschub für die Produktion und Distribution von synthetischen Kraftstoffen einsetzt, werden die wenigen verfügbaren Mengen dem kommerziellen Einsatz vorbehalten sein. Spätestens wenn 2023 erneut über eine Berücksichtigung der E-Fuels abgestimmt wird, startet wieder eine Diskussion über eine Well-to-Wheel-Betrachtung.

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