Erst gestern bekräftigte VDA-Präsidentin Hildegard Müller, dass der Einsatz von E-Fuels unverzichtbar sei, um die Klimaschutzziele 2030 ff. zu erreichen. Doch ist es für E-Fuels im Pkw nicht längst schon zu spät – zumindest in Europa? Im Teil 3 unserer Mini-Serie fragten wir Marc Sens von der IAV GmbH.
Marc Sens ist Senior Vice President Powertrain Research & Technology, Sustainability Mobility bei der IAV GmbH: „E-Fuels können die vorhandene Infrastruktur einfach nutzen.“
(Bild: IAV/Fotostudio Charlottenburg)
Herr Sens, laut Koalitionsvertrag sollen in Deutschland ab 2035 neben Elektroautos auch „nachweisbar mit E-Fuels betankbare Verbrenner-Fahrzeuge neu zugelassen werden können“. Ein Hoffnungsschimmer für die Befürworter von E-Fuels?
Zuerst einmal muss festgehalten werden, dass es bedauerlich ist, dass wir eine solche Diskussion überhaupt führen. Warum wägen wir bei einem Thema wie dem Klimaschutz, welcher existenziell für das Leben auf unserem Planeten ist, überhaupt zwischen verschiedenen nachweislich hilfreichen Maßnahmen ab? Sollten wir nicht jede sich bietende Chance oder besser Technologie nutzen, die einen Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstoßes leisten kann? Natürlich sollten wir das! Insofern ist das hoffentlich nicht nur ein Hoffnungsschimmer, sondern es setzt sich durch, dass wir E-Fuels unbedingt benötigen. Ohne diese können die Klimaschutzziele für 2030, 2040 oder auch 2050 weder im Verkehrssektor, noch kumuliert über alle Sektoren, erreicht werden.
Die Batterietechnik entwickelt sich rasant weiter, zusätzlich wird sehr viel Geld in den Aufbau eines Ladenetzes gesteckt. Ist es für E-Fuels im Pkw nicht schon zu spät – zumindest in Europa?
Unabhängig von einem ausreichenden Ladenetz und der Weiterentwicklung der Batterietechnik wird die Fahrzeugflotte in Deutschland und Europa noch mindestens zwei, eher drei Jahrzehnte große Anteile von Antrieben mit Verbrennungsmotoren beinhalten.
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Marc Sens ist Senior Vice President Powertrain Research & Technology, Sustainability Mobility bei der IAV GmbH: „E-Fuels können die vorhandene Infrastruktur einfach nutzen.“
(Bild: IAV/Fotostudio Charlottenburg)
Herr Sens, laut Koalitionsvertrag sollen in Deutschland ab 2035 neben Elektroautos auch „nachweisbar mit E-Fuels betankbare Verbrenner-Fahrzeuge neu zugelassen werden können“. Ein Hoffnungsschimmer für die Befürworter von E-Fuels?
Zuerst einmal muss festgehalten werden, dass es bedauerlich ist, dass wir eine solche Diskussion überhaupt führen. Warum wägen wir bei einem Thema wie dem Klimaschutz, welcher existenziell für das Leben auf unserem Planeten ist, überhaupt zwischen verschiedenen nachweislich hilfreichen Maßnahmen ab? Sollten wir nicht jede sich bietende Chance oder besser Technologie nutzen, die einen Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstoßes leisten kann? Natürlich sollten wir das! Insofern ist das hoffentlich nicht nur ein Hoffnungsschimmer, sondern es setzt sich durch, dass wir E-Fuels unbedingt benötigen. Ohne diese können die Klimaschutzziele für 2030, 2040 oder auch 2050 weder im Verkehrssektor, noch kumuliert über alle Sektoren, erreicht werden.
Die Batterietechnik entwickelt sich rasant weiter, zusätzlich wird sehr viel Geld in den Aufbau eines Ladenetzes gesteckt. Ist es für E-Fuels im Pkw nicht schon zu spät – zumindest in Europa?
Unabhängig von einem ausreichenden Ladenetz und der Weiterentwicklung der Batterietechnik wird die Fahrzeugflotte in Deutschland und Europa noch mindestens zwei, eher drei Jahrzehnte große Anteile von Antrieben mit Verbrennungsmotoren beinhalten.
Nehmen wir Deutschland. Selbst mit dem optimistischen Ziel von 15 Millionen batterieelektrischen Fahrzeugen im Jahr 2030 auf unseren Straßen, bedeutet das, es werden noch 30 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren in Betrieb sein. Und es wäre keine Überraschung, wenn dieses Ziel nicht erreicht wird. Denn so lange weder ein ausreichendes Ladenetz verfügbar ist und auch nicht genügend regenerativ erzeugter Strom zur Verfügung steht, wird der eigentlich extrem positiven Lösung Elektrofahrzeug ein Makel anhängen, das Kunden vom Kauf abhalten könnte.
Branchenexperten sagen, es braucht mehr als eine Lösung (all-electric), um die weltweiten Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Wie lauten Ihre Argumente?
Das sehen wir definitiv auch so. Argumente für eine Pluralität an Lösungen sind unter anderem folgende:
- Die weltweite Bestandsflotte besteht heute aus 1,3 bis 1,4 Milliarden Fahrzeugen, die noch mehrere Jahrzehnte in Betrieb sein werden und so bei Nutzung fossiler Kraftstoffe viel CO2 in die Umwelt entlassen.
- Die Stromproduktion ist in den meisten Ländern der Welt immer noch viel zu CO2-intensiv und die Umstellung auf regenerativ erzeugten Strom nicht so schnell darstellbar beziehungsweise die erzeugten regenerativen Strommengen werden auch von allen anderen Sektoren benötigt.
- E-Fuels können die vorhandene Infrastruktur zur Herstellung, dem Transport und der Verteilung des flüssigen Energieträgers fast komplett nutzen, das heißt, die volkswirtschaftlichen Kosten für ihre Nutzung dürften erheblich geringer sein, als wenn noch ein engmaschiges Ladenetz gebaut werden muss.
- Es gibt Anwendungen, wie zum Beispiel im Langstreckenschwerlastverkehr oder für Sonderfahrzeuge, bei denen batterieelektrische Antriebe den Nutzungsgrad einschränken.
- Steht die maximale CO2-Reduktion bis 2050 im Fokus, so müssen alle verfügbaren Lösungen zum Einsatz kommen, andernfalls werden wir die CO2-Ziele bei weitem verfehlen.
Kurzum, es gibt extrem viele Gründe, E-Fuels im gesamten Mobilitätsbereich zum Einsatz zu bringen.
Die Herstellung von E-Fuels ist energieaufwendig, Kritiker halten die Batteriemobilität für deutlich effizienter. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Leider wird Strom aus regenerativen Quellen, auf Basis heutigen Wissens, nicht immer dann zur Verfügung stehen, wenn er benötigt wird. Außerdem kann er mit großer Energiedichte nicht wirklich gut gespeichert werden. Zusammen genommen bedeutet das, Energie muss nach Europa oder Deutschland importiert werden. So wie das heute bereits mit bis zu 60 bis 70 Prozent der benötigten Energie erfolgt.
Auf dieser Basis wird das Argument mit der ineffizienten Herstellung von E-Fuels ausgehebelt. Wird davon ausgegangen, dass weiterhin große Mengen Energie nach Europa importiert werden, so kann der synthetische Kraftstoff dort produziert werden, wo entsprechende regenerative Energiemengen zur Verfügung stehen. Und schon ist dieser zu in Deutschland produziertem und direkt genutztem Strom aus regenerativen Quellen nahezu wettbewerbsfähig. Wir müssen die Energiebereitstellung global betrachten.
Es heißt, allein für Flugzeuge und Schiffe werden so große Mengen synthetischer Kraftstoffe benötigt, dass eine Anwendung in Pkw und Lkw illusorisch sei.
Bei einer nationalen Betrachtungsweise mag das zutreffen. Allerdings bringt der private Mobilitätsnutzer bekanntermaßen eine hohe Bereitschaft für relativ hohe Energiepreise mit. Die aktuell sehr hohen Kraftstoffpreise an den Tankstellen beweisen dies. Und das steht im absoluten Gegensatz zu den beiden Branchen Schifffahrt und Luftfahrt. Insofern könnte der Pkw Markt für Investoren ein zusätzlicher Anreiz sein in eine E-Fuel-Produktion zu investieren. Höhere Margen ziehen immer.
Welche politischen Rahmenbedingungen sind notwendig, damit E-Fuels eine Chance haben?
Eine Anrechnung von E-Fuels auf die CO2-Flottenziele für Pkw, leichte und schwere Nutzfahrzeuge würde dem ganzen Thema ein unglaubliches Momentum geben und Investitionsanreize schaffen. Die hier vorherrschende Zögerlichkeit ist bedauerlich und unverständlich. Ebenso unverständlich ist, dass auf E-Fuels die gleiche Energiesteuer wie auf fossile Kraftstoffe anfallen soll. Hier sollte ähnlich wie mit Strom für die E-Auto-Nutzung umgegangen werden. Wird ein Beitrag zur CO2 Reduktion erzielt, so sollte sich das auch in der Steuerlast abbilden.
Letztendlich wäre es wünschenswert und auch einfach sowie schnell umsetzbar, höhere Quoten für E-Fuels in der Renewable Energy Directive umzusetzen. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern und der E-Fuel Alliance fordern wir eine Erhöhung der E-Fuels-Quote im Jahr 2030 auf mindestens fünf Prozent. Mit diesem Wert wäre es möglich, circa 60 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Da alle diese entsprechenden Gesetze in Brüssel momentan offen sind, wäre eine schnelle Umsetzung zügig möglich.
Wie viel synthetischen Kraftstoff braucht es, um einen nennenswerten Hebel für eine grüne Mobilität mit Bestandsfahrzeugen und Verbrennungsmotor zu haben?
Jede noch so kleine Menge kann helfen, denn die Rückwärtskompatibilität ist gewährleistet. Hierdurch könnte umgehend damit begonnen werden, den fossilen Kraftstoffen Mengen von regenerativ erzeugten Produkten beizumischen. Und das wäre weltweit sehr schnell möglich. Bitte vergessen Sie nicht: E-Fuels können die vorhandene Infrastruktur einfach nutzen.
Wie schnell wären diese Produktionsumfänge realisierbar, etwa für den Bedarf in der EU?
Es kann davon ausgegangen werden, dass signifikante Mengen von CO2-neutralen Kraftstoffen etwa 4 bis 5 Jahre nach einer Investitionsentscheidung für eine Produktionsanlage vorhanden sein würden. Würde also in 2022 entschieden werden, dass es ein Anrechnungsmodell geben soll, dann könnten spätestens im Jahr 2027 maßgebliche Mengen zur Verfügung stehen. Zu diesem Zeitpunkt wären wir immer noch sehr weit davon entfernt, 30 Prozent der Flotte in Deutschland bereits auf BEVs umgestellt zu haben.