Kommentar „Eine Gesamtschau der Antriebsfrage findet nicht statt“

Autor Claus-Peter Köth

Wöchentlich erscheinen Studien mit widersprüchlichen Aussagen zum Antrieb der Zukunft. Warum gibt es immer nur Entweder-oder? Ein Kommentar von »Automobil Industrie«-Chefredakteur Claus-Peter Köth.

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„Mindestens wöchentlich erreichen uns in der Redaktion widersprüchliche Aussagen zum Antrieb der Zukunft. Es gibt nur Entweder-oder, kein Sowohl-als-auch. Eine Gesamtschau findet nicht statt“, sagt »Automobil Industrie«-Chefredakteur Claus-Peter Köth.
„Mindestens wöchentlich erreichen uns in der Redaktion widersprüchliche Aussagen zum Antrieb der Zukunft. Es gibt nur Entweder-oder, kein Sowohl-als-auch. Eine Gesamtschau findet nicht statt“, sagt »Automobil Industrie«-Chefredakteur Claus-Peter Köth.
(Bild: Stefan Bausewein)

Die Automobilindustrie ist weiter auf der Suche nach dem idealen Antrieb und Energieträger für Pkw und Lkw. Doch während man sich beim Pkw weitestgehend auf einen batterieelektrischen Antrieb einigen kann, gehen die Meinungen beim Lkw auseinander. Beispiele gefällig? Daimler und Volvo gründeten im März das Brennstoffzellen-Joint-Venture Cellcentric, mit dem Ziel, wasserstoffbasierte Brennstoffzellensysteme für den Einsatz im Fernverkehrs-Lkw zu entwickeln und zu produzieren. Die reguläre Produktion soll im Jahr 2025 starten. Toyota und der amerikanische Truck-Hersteller Kenworth haben bereits im Frühjahr 2017 einen schweren Lkw mit Brennstoffzellenantrieb vorgestellt. Und Hyundai liefert seit diesem Jahr in der Schweiz Lkw mit Brennstoffzellenantrieb aus. 2025 sollen es bereits 1.600 Stück sein.

Dem entgegen steht der VW-Konzern, dieses Mal in Gestalt seiner Nutzfahrzeug-Holding Traton. Im „Handelsblatt“ erklärte jüngst Traton-Chef Matthias Gründler, „Warum die Zukunft dem Elektro-Lkw gehört“. Entscheidender Nachteil des Wasserstoff-Lkws sei, dass nur etwa ein Viertel der Ausgangsenergie in den Antrieb fließe. Drei Viertel gingen durch Umwandlungsverluste verloren. Wo all der grüne Strom und all die Rohstoffe für E-Motoren und Batterien herkommen, sagte Gründler nicht. Und auch auf das hohe Gewicht der Batterien zulasten der Lkw-Nutzlast ging er nicht ein. Sein Chef Herbert Diess argumentiert mit den Kosten pro Kilometer; Wasserstoff sei im Vergleich zum batterieelektrischen Lkw dreimal so teuer.

E-Autos ab 2025 günstiger als Benziner

Diese Woche flatterte uns eine neue ICCT-Studie auf den Tisch – richtig, das ist die Organisation, die einst den VW-Dieselskandal in den USA aufdeckte: Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass batterieelektrische Pkw der Golfklasse mit einer Reichweite von 350 Kilometern ab dem Jahr 2025 günstiger sein werden als ein konventioneller Verbrenner mit Ottomotor. Plug-in-Hybride hingegen seien ein Auslaufmodell, E-Fuels gar ein teurer Irrweg und die Brennstoffzelle im Pkw frühestens ab 2035 wettbewerbsfähig.

Das Manko: Der Analyse liegt die sogenannte Tank-to-Wheel-Betrachtung zugrunde, also von der Tanksäule/dem Ladepunkt bis zum Rad. Die Kraftstoff-/Strombereitstellung, geschweige denn die Produktion und das Recycling der Fahrzeuge findet keine Berücksichtigung. „Schlichtweg weil sich die europäische CO2-Gesetzgebung auch nur auf die Emissionen des Kraftstoffs fokussiert und nicht auf die Gesamtbilanz“, wie Autor Peter Mock erklärt. Er glaube zudem nicht daran, dass sich diesbezüglich kurzfristig etwas ändere.

Einfach geht nicht

Mindestens wöchentlich erreichen uns in der Redaktion solch widersprüchliche Aussagen und Studien zum Antrieb der Zukunft. Meist gibt es nur Entweder-oder, kein Sowohl-als-auch. Eine Gesamtschau findet nicht statt. Detailliertere Ergebnisse würden sogenannte Lebenszyklus-Analysen liefern. Am besten solche, die ohne Subventionen, institutionelle Bevorteilungen und Denkverbote technologieoffen bewerten.

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