Fahrbericht Erste Fahrt im Cadillac Lyriq: Luxus im Super-Cruise-Modus
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Cadillac bringt seinen ersten Stromer. Der Lyriq soll die Wende bei Amerikas größtem Autohersteller, General Motors, einläuten und dürfte sicher in Deutschland auf gute Resonanz stoßen. Die Chancen, dass er kommt, sind gut.

Darauf muss man erst einmal kommen. Cadillac nennt sein erstes Elektroauto Lyriq, weil die amerikanische Luxusmarke über die vergangenen Jahrzehnte hinweg in mehr als 1.000 Songs erwähnt wurde. Nun denn. Der Lyriq soll so etwas wie ein „Game Changer“ sein, wie Marketing-Strategen gern jene Modelle bezeichnen, die angeblich den Aufbruch in eine neue Zeit symbolisieren. Und die soll elektrisch werden.
Der fünf Meter lange Lyriq tummelt sich in der Klasse von Mercedes EQS SUV, Audi E-Tron und BMW iX, wirkt aber deutlich schlanker als diese. Und wer den elektrischen Cadillac zum ersten Mal sieht, dürfte wenig Zweifel daran haben, dass hier etwas ganz Neues um die Ecke kommt.
Lyriq auf GM Elektro-Plattform
Das gilt nicht nur für das Design mit seiner aufwändigen Lichtinszenierung im Grill, sondern auch für die Technik. Jahrelang hat General Motors (GM) eine komplett auf Elektroantrieb ausgelegte Architektur entwickelt. Die modular aufgebaute und sehr flexibel einsetzbare Plattform trägt den Namen Ultium. Sie soll künftig allen GM-Marken zur Verfügung stehen, ähnlich wie es VW mit dem MEB-Baukasten oder der Hyundai-Konzern mit der E-GMP macht. Ähnlich wie VW lizenziert GM seine Technik: Honda hat zwei Modelle auf Ultium-Basis angekündigt.
Im Lyriq stellt die Batterie eine Kapazität von 104 kWh bereit, was nach dem amerikanischen EPA-Verbrauchszyklus eine Reichweite von umgerechnet rund 500 Kilometern ergeben soll. Die für uns gültigen WLTP-Werte gibt Cadillac noch nicht bekannt.
Europastart? GM hält sich bedeckt
Schließlich würde man damit verraten, ob der Lyriq überhaupt nach Deutschland und Europa kommt. Man hält sich bedeckt. „Das Unternehmen elektrifiziert sich und uns eröffnet das neue Chancen“, sagt Mahmoud Samara, der für GM das Geschäft auf dem Kontinent verantwortet. Und dass er ein „substanzielles Portfolio aus Elektrofahrzeugen“ über den Atlantik holen will. Ob der Lyriq letztlich dazugehört, muss sich zeigen.
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Elektro-Strategie
So will General Motors in Europa wieder Fuß fassen
Doch auch die Amis wissen nur zu gut, dass der europäische Kontinent in Sachen E-Mobilität derzeit als jener mit der größten Dynamik gilt. Man wäre blöd, hier nicht mitzumischen. Zudem ist es die beste Gelegenheit, die Marke Cadillac neu zu positionieren und wegzukommen von Image durstiger Achtzylinder und riesiger Full-size-SUVs.
Entspanntes Gleiten
Unsere erste Probefahrt auf dem GM-Testgelände in Milford/Michigan lässt keinen Zweifel aufkommen, dass die Entwickler des Lyriq professionelle Arbeit abgeliefert haben. Bemerkenswert sind die Ruhe, die Geschmeidigkeit und der Komfort, die der Lyriq an den Tag legt. Besser könnte ein neuer Antrieb zu einer Luxusmarke kaum passen. 250 kW/340 PS Leistung und 425 Newtonmeter an Drehmoment verleihen dem amerikanischen Crossover eine solide Souveränität. Viel entspannter lässt es sich über den Highway gleiten.
Erst recht nicht, wenn man den Super-Cruise-Button gedrückt hat. Das elektronische Assistenzsystem ist so etwas wie ein halbautomatischer Pilot. Erstmals darf man auf vielen Straßen sogar die Hände vom Lenkrad nehmen, das Auto fährt von alleine, hält Spur und Abstand, beschleunigt und bremst und fährt im Stop&Go-Verkehr selbstständig wieder an. GM ist der erste Hersteller, der in Amerika die Zulassung für ein solches System erhielt.
Außergewöhnliches Raumgefühl
Das Raumgefühl im Lyriq ist außergewöhnlich, einmal bedingt durch den für Elektroautos charakteristischen Flachboden ohne Mitteltunnel, zum anderen durch das riesige Panoramadach. Der lange Radstand, ebenfalls typisch für E-Fahrzeuge, bietet besonders den Passagieren im Fond Beinfreiheit im Business-Class-Format.
Eher in Richtung First Class gehen Materialauswahl und Verarbeitung. Im Cockpit zieht das breite und leicht gebogene Display alle Blicke auf sich. Die Anzeigen hinter dem Lenkrad sind in vier unterschiedlichen Konfigurationen darstellbar, der rechte Teil des Bildschirmes ist für Infotainment und Navigation zuständig. Alles lässt sich intuitiv über Touch oder aber mittels des Drehstellers auf der Mittelkonsole steuern.
Schalterleiste statt Touch-Feld
So modern es oben zugeht, so konventionell läuft es unten ab. Denn bei der Bedienung der Klimatisierung entschieden sich die Lyriq-Designer für eine klassische Schalterleiste. Verwechslung ausgeschlossen.
Man weiß die Einfachheit der Schalter zu würdigen, sobald man im sogenannten One-Pedal-Modus fahren möchte. Um die stärkste Verzögerung (Rekuperation) zu aktivieren, bedarf es eigentlich nur eines Fingertipps auf ein Symbol auf dem Display. Nur muss dazu zuvor das richtige Untermenü gefunden werden, was die Sache etwas umständlich macht. Gut wäre eine automatische, adaptive Rekuperation, basierend auf Kamera und Navigationsdaten. Dieses Feature bietet zum Beispiel Mercedes in bester Ausprägung an, dem Lyriq-Fahrer bleibt es leider verwehrt.
In den USA geht der erste elektrische Cadillac jetzt in den Markt, beginnt hier bei 63.000 Dollar. Auch wenn der Wechselkurs Dollar zu Euro gerade bei etwa 1:1 steht, sollte man nicht erwarten, den Lyriq hier für die gleiche Summe zu bekommen. Aber selbst für 80.000 Euro wäre er immer noch günstiger als seine deutschen Mitstreiter – und beim Thema Individualität ohnehin unschlagbar.
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