Mobile elektrische Antriebe Flurförderzeuge geben Impulse für Elektromobilität

Autor / Redakteur: Gerald Scheffels / Claus-Peter Köth

In der Materialflusstechnik – genauer gesagt bei Flurförderzeugen – gibt es umfassende Erfahrungen mit mobilen elektrischen Antrieben, die in der Automobilindustrie gut genutzt werden könnten.

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Neue Ideen für den Stadtverkehr: Auch der Micromax von Rinspeed ist mit einem Elektroantrieb von Linde MH ausgerüstet.
Neue Ideen für den Stadtverkehr: Auch der Micromax von Rinspeed ist mit einem Elektroantrieb von Linde MH ausgerüstet.
(Foto: Rinspeed)

Der Blick in die Geschichte der Autoindustrie zeigt, dass Elektroantriebe nichts Neues sind. Viele Hersteller experimentierten um die Jahrhundertwende mit Elektromotoren, in Großbritannien gehörten noch in den 70er Jahren die elektrischen „milkfloats“ zum Straßenbild, die in den frühen Morgenstunden lautlos Milch lieferten. Aber auch ein Blick über den Zaun der Branche kann hilfreich sein. In nahezu jeder Produktionsstätte und in jedem Lager sind Fahrzeuge mit Elektroantrieben unterwegs, die sich unter rauen Anforderungen bewähren: Gabelstapler beziehungsweise Flurförderzeuge, kurz FFZ. 2010 und 2011 wurden jeweils rund 400.000 FFZ mit Elektroantrieben produziert – übrigens mehr als solche mit Verbrennungsmotoren. Seit Jahren verschieben sich die Marktanteile zugunsten der Elektrostapler, weil die E-Antriebe immer effizienter und leistungsstärker werden.

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Technologietransfer vom Stapler ins Auto

Es liegt also nahe, Technologietransfer vom Stapler ins Auto zu betreiben, und genau dieses Ziel hat der Geschäftsbereich „Electronic Systems & Drives“ (ES&D) von Linde Material Handling, kurz Linde MH. Die Ergebnisse kann man unter anderem beim Karabag New 500 E sehen. Dieses Elektrofahrzeug auf der Basis eines Fiat 500 E ist mit Elektromotoren und Leistungselektronik ausgestattet, nur die Software wurde an die geänderten Anforderungen des Straßenverkehrs angepasst. Der Werdegang des Fahrzeugs zeigt, welche Impulse die Staplertechnik der Elektromobilität geben kann. Die ersten Prototypen waren noch mit Elektroantrieben eines anderen Herstellers ausgerüstet. Sie hatten mit 30 kW eine deutlich höhere Nennleistung, mussten gekühlt werden und benötigten eine vergleichsweise große Batterie. Trotz des vermeintlich starken Antriebs blieben die Fahrleistungen hinten der Erwartungen zurück.

Komponenten aus der Stapler-Großserie

Die Ingenieure von Linde bekamen daraufhin die Aufgabe, das Antriebskonzept zu überarbeiteten. Sie verwendeten einen 16,3-kW-Motor, der nicht gekühlt werden muss und mit einer kleineren Batterie auskommt. Die Folge ist eine spürbar höhere Dynamik mit großen Fahrspaß trotz – auf dem Papier – geringerer Leistung. Auch die Kosten sind gering, weil Komponenten aus der Stapler-Großserie eingesetzt werden.

Der Karabag New 500 E war eines der ersten Projekte, das der Geschäftsbereich „Electric Systems and Drives“ für Kunden außerhalb des Kion-Konzerns bearbeitete. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe weiterer Referenz-Anwendungen vor allem bei mobilen Arbeitsmaschinen. Das Spektrum reicht vom Zweiwege-Fahrzeug für den Schienenverkehr über Flughafen-Vorfeldgeräte bis zur Hybrid-Kehrmaschine. Der Linde-Bereich ES&D, der inzwischen Teil des eigenständigen Geschäftsbereichs New Business & Products ist, hat für diese Aufgaben sogenannte eco-Kits entwickelt. Das sind modulare Komplettlösungen für die Elektrifizierung von Fahrzeugen.

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Wandlungsfähige Antriebskonzepte

Wie wandlungsfähig derartige Staplerantriebe sind, zeigt das E-Kart von Linde, das mit 3,45 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h einen Weltrekord für Elektro-Karts aufstellte – mit Motor, Batterie, Display, Steuerung und Software eines Linde-Staplers. Auf der anderen Seite der Geschwindigkeitsskala stehen die Elektro-Droschken des Herstellers Aagland, die den Mitreisenden den „Luxus der Langsamkeit“ vermitteln.

Auch der Micromax, den die Rinspeed AG auf dem diesjährigen Genfer Automobilsalon vorstellte, ist mit einem Elektroantrieb von Linde MH ausgerüstet. Das Konzeptfahrzeug wurde für die Verknüpfung von Individual- und öffentlichem Nahverkehr auf Kurzstrecken entwickelt. Bis zu drei Mitfahrer können sich per App anmelden und kurzfristig eine Fahrgelegenheit zum gewünschten Ziel finden. Die Beispiele zeigen: Serienkomponenten aus der Staplerproduktion sind gut geeignet, in Elektrofahrzeugen auf der Straße eingesetzt zu werden, und das in ganz unterschiedlichen Anwendungsbereichen.

Interview mit Maik Manthey, Linde Material Handling

Maik Manthey, Bereichsleiter New Business & Products, Linde Material Handling.
Maik Manthey, Bereichsleiter New Business & Products, Linde Material Handling.
(Foto: Linde)

Welche Anstöße kann ein Hersteller von Flurförderzeugen der Automobilindustrie geben, wenn es um die E-Mobilität geht?

Wir haben zehntausende Referenzfahrzeuge mit Elektroantrieben im Feld und wissen somit, welche Anforderungen die Anwendung stellt. Wir können unseren Kunden deshalb praxisgerechte Lösungen zur Verfügung stellen - und zwar sehr schnell, weil wir auf einen Systembaukasten von Komponenten zurückgreifen können. Und mit jedem Projekt gewinnen wir zusätzliches Wissen, das unseren Kunden zugute kommt.

Sie arbeiten bereits mit vielen kleineren Herstellern zusammen. Wie reagieren Sie, wenn ein großer OEM anfragt?

In der Tat wenden wir uns eher an die Hersteller von kleinen und mittleren Serien und bringen bei diesen Projekten intensives Engineering-Know-how mit ein. Wir werden oft mit einem Problem konfrontiert und gefragt: Habt Ihr eine Lösung? Das kann ein vorhandenes Fahrzeug sein, das elektrifiziert werden soll, oder ein Konzeptfahrzeug. Auf Basis unserer eco-Kits können wir eine solche Lösung schnell zur Serienreife entwickeln. Den Status als Zulieferer für große Serien streben wir nicht an.

Wie sehen Sie die Zukunft der Elektromobilität?

Fahrzeuge mit Elektroantrieb bewähren sich in der Materialflusstechnik bereits flächendeckend und sie werden sich auch im Straßenverkehr durchsetzen. Das wird vielleicht weniger schnell passieren als ursprünglich angenommen, aber passieren wird es. Den ersten Schritt werden Flottenfahrzeuge machen, etwa von Handwerkern, Logistikanbietern und Pflegediensten. Grundsätzlich sind wir überzeugt, dass die E-Mobilität einen Platz im Straßenverkehr der Zukunft hat, und wir arbeiten daran, dieses Ziel schnell umzusetzen - mit vielen verschiedenen Projekten.

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