Die befürchtete Insolvenzwelle unter Zulieferern ist 2021 ausgeblieben. Doch zwei Drittel der Anträge kamen in den letzten vier Monaten. Experten rechnen damit, dass die Schlagzahl im Frühjahr ähnlich hoch sein wird wie im Schlussquartal
Produktion in Wolfsburg: Einbau des Frontends für den Golf 8.
(Bild: Volkswagen AG)
Der Leichtbau-Spezialist A-Kaiser besetzt den fünften Platz im Ranking der größten Zulieferer-Insolvenzen des laufenden Jahres. A-Kaiser ist dennoch kein gutes Beispiel, um die Statistik zu erklären. Denn dort ermittelt laut Medienberichten gerade die Staatsanwaltschaft Landshut, es geht um den Verdacht des Subventionsbetrugs. Nur noch wenige Beschäftigte wickeln den Betrieb ab.
In dieser Intensität überlegen zu müssen, wo das Geschäftsmodell in fünf oder zehn Jahren steht, ist nicht einfach.
Tillmann Peeters, Geschäftsführer Falkensteg
Es sind andere Unternehmen wie die Bolta-Werke, Heinze oder Henniges, die beispielhaft sind. Allesamt haben sie ab Ende September Insolvenzanträge gestellt. Als Grund nennen sie die Chipkrise oder die Pandemie im Allgemeinen.
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Produktion in Wolfsburg: Einbau des Frontends für den Golf 8.
(Bild: Volkswagen AG)
Der Leichtbau-Spezialist A-Kaiser besetzt den fünften Platz im Ranking der größten Zulieferer-Insolvenzen des laufenden Jahres. A-Kaiser ist dennoch kein gutes Beispiel, um die Statistik zu erklären. Denn dort ermittelt laut Medienberichten gerade die Staatsanwaltschaft Landshut, es geht um den Verdacht des Subventionsbetrugs. Nur noch wenige Beschäftigte wickeln den Betrieb ab.
In dieser Intensität überlegen zu müssen, wo das Geschäftsmodell in fünf oder zehn Jahren steht, ist nicht einfach.
Tillmann Peeters, Geschäftsführer Falkensteg
Es sind andere Unternehmen wie die Bolta-Werke, Heinze oder Henniges, die beispielhaft sind. Allesamt haben sie ab Ende September Insolvenzanträge gestellt. Als Grund nennen sie die Chipkrise oder die Pandemie im Allgemeinen.
Insgesamt hat sich die Zahl der insolventen Automobilzulieferer 2021 mehr als halbiert, von 56 Unternehmen im Vorjahr auf 26. Das hat die Unternehmensberatung Falkensteg bekannt gegeben.
Die fünf größten Automotive-Insolvenzen 2021
Unternehmen
Insolvenzverfahren
Umsatz (in Mio. Euro)
Bolta-Werke GmbH
Regelinsolvenzverfahren
185,9
Borbet Solingen GmbH
Schutzschirmverfahren
174,3
Henniges Automotive GmbH & Co. KG
Regelinsolvenzverfahren
132,2
Heinze Gruppe GmbH
Regelinsolvenzverfahren
112,4
A-Kaiser GmbH
Regelinsolvenzverfahren
107,9
Auswertung: Falkensteg (Unternehmen ab 10 Mio. Euro Umsatz)/Umsatzzahlen: Creditreform
Zwei Drittel der Insolvenzanträge sind allerdings im letzten Quartal erfolgt, in Summe 15 Zulieferer. „Das sind ganz klar die Auswirkungen der Chipkrise, die in der Statistik durchscheinen“, sagt Tillmann Peeters, Geschäftsführer bei Falkensteg. Für bereits angeschlagene Unternehmen waren die Verwehungen der Versorgungsengpässe eine Art Stoß über die Kante. „Ein Unternehmen, das im Vorjahr noch eine Ergebnismarge von zehn Prozent hatte, fällt nicht neun Monate später um.“
2021 brachte vielen Zulieferern einen guten Start
Dabei sind viele Automobilzulieferer mit Schwung in das Jahr 2021 gestartet, der aus einem guten Jahresendspurt resultierte. Die Versorgungskrise schlug vor allem in der zweiten Jahreshälfte durch. Ab Herbst schickten Verbände Brandbriefe und warnten vor eine Insolvenzwelle. Im Fokus der Kritik stehen nach wie vor die Kunden der Lieferanten, die ihre Abrufzahlen nach unten geschraubt hatten. „Die Autobauer haben viel Vertrauen verloren, als sie im Sommer noch sagten, die Zulieferer müssten sich keine Sorgen machen und direkt danach dramatisch die Abrufe gekündigt hatten“, sagt Peeters.
Wichtig für viele Unternehmen sei nun, dass die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung weiterlaufen. Das Kurzarbeitergeld als wohl wichtigste Stütze wurde vom Bund bis zum 31. März 2022 verlängert. Danach könnte es für das ein oder andere Unternehmen schnell eng werden, sagt Peeters. Falkensteg rechne deshalb damit, dass sich das Schlussquartal in Sachen Insolvenzanträge ins neue Jahr fortsetzen wird.
Kreditversicherer stuft Zulieferer herab
Der Kreditversicherer Atradius stufte die Branche in der vergangenen Woche herab: von „mittelmäßig“ auf „schwach“, heißt es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Atradius bemängelt darin, gerade die kleinen und mittelständischen Automobilzulieferer hätten die Liquidität durch die Corona-Hilfen nicht genutzt, um ihr Geschäftsmodell stärker auf Elektromobilität auszurichten. Auch Atradius rechnet damit, dass die Lieferkettenprobleme zu „erheblich mehr Insolvenzen unter den Zulieferer im kommenden Jahr führen“, sagt Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services bei Atradius.
Aus Sicht des Kreditversicherers sei eines der gravierendsten Probleme, dass der Chipmangel den Produktionsfokus der Autobauer enorm in Richtung margenstärkerer Modelle wie Limousinen und SUVs verschoben hat und Kleinwagen das Nachsehen haben. Zulieferer, die Produkte vor allem in Volumenmodelle lieferten, stünden deshalb unter einem besonderen Risiko.
Konsolidieren sich die Automobilzulieferer nun schneller?
Falkensteg-Experte Peeters nimmt die Zulieferer dabei dennoch in Schutz. „In dieser Intensität überlegen zu müssen, wo das Geschäftsmodell in fünf oder zehn Jahren steht, ist nicht einfach.“ Gerade für solche Unternehmen, wie sie auch Atradius beschreibt: die beispielsweise Standardprodukte für Volumenfahrzeuge herstellen. „Das technologische Know-how eines Spritzgießers oder Gummiherstellers ist relativ überschaubar“, sagt Peeters, umso schwieriger sei es da, sich vom Wettbewerb abzuheben. Hinzu komme die Unsicherheit beim Antrieb.
Aus seiner Perspektive müsste nun dringend eine Konsolidierungswelle einsetzen. „Überlebensfähigen Einheiten“, wie er es nennt, sollten von den Autobauern und großen Systemlieferanten gemeinsam angestrebt werden. Beispielsweise durch Rahmenbedingungen im Einkauf, wonach Neuaufträge nur an Unternehmen einer bestimmten Größe gehen könnten. „So ein Verlagerungsprozess kostet Geld und würde natürlich manches Unternehmen hart treffen. Aber ansonsten hält man Hoffnung am Leben, die es realistisch nicht mehr gibt.“ Und dann, fügt er launisch an, könnte Sindelfingen in 20 Jahren Gelsenkirchen ähneln.