Luftqualität in Städten Gericht erlaubt Diesel-Fahrverbote

Redakteur: Christian Otto

Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Diesel-Fahrverbote in Städten nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig sind. Das Urteil bedeutet aber nicht, dass nun automatisch Fahrverbote kommen.

In deutschen Innenstädten können nun laut Gerichtsurteil zumindest alte Diesel partiell ausgeschlossen werden.
In deutschen Innenstädten können nun laut Gerichtsurteil zumindest alte Diesel partiell ausgeschlossen werden.
(Bild: SP-X/Lea Fuji)

Der zweite Anlauf: Unter diese Überschrift fand sich der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts heute in Leipzig ein. Denn eigentlich sollte die Entscheidung zu Diesel-Fahrverboten in betroffenen deutschen Städten schon am 22. Februar fallen. Doch das Rechtsgespräch hatte nach Aussage der verantwortlichen Richter damals wesentlich länger gedauert. Nun verkündete die Kammer ihr Urteil, in dem sie Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in Städten nach geltendem Recht für grundsätzlich zulässig hält. Die von der Entscheidung direkt betroffenen Städte Düsseldorf und Stuttgart müssten aber ihre Luftreinhaltepläne auf Verhältnismäßigkeit prüfen.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte schon vergangene Woche mit diesem Ausgang gerechnet. Der Verein hatte unter anderem in Stuttgart und Düsseldorf geklagt und dort von den Verwaltungsgerichten Recht bekommen. Diese Instanzen hatten Fahrverbote als zulässige Mittel betrachtet. Dagegen legten wiederum die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein. Denn die Frage stand im Raum, wer Fahrverbote auf welcher Grundlage erlassen kann. Die DUH sieht das Bundesimmissionsschutzgesetz und dessen entsprechenden Verordnungen als ausreichende Rechtsgrundlage für die Kommunen, schon jetzt Fahrverbote eigenmächtig erlassen zu dürfen. Das sahen die Länder anders. Das Bundesverwaltungsgericht wies deren Revisionen nun mit ihrem Urteil „überwiegend“ zurück.

Keine finanzielle Ausgleichspflicht

Für Stuttgart urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine phasenweise Einführung von Verkehrsverboten zu prüfen sei, die in einer ersten Stufe nur ältere Fahrzeuge betreffen – etwa bis zur Abgasnorm Euro 4. Um die Verhältnismäßigkeit herzustellen, dürften Euro-5-Fahrzeuge nicht vor dem 1. September 2019 mit Verkehrsverboten belegt werden.

Es gebe keine finanzielle Ausgleichspflicht, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Dies zielt darauf, dass Dieselautos im Falle von Fahrverboten an Wert verlieren könnten. „Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen“, sagte Korbmacher. Die zuständigen Landesbehörden hätten es in der Hand, einen „Flickenteppich“ zu verhindern. Außerdem solle es Ausnahmeregelungen geben, etwa für Handwerker.

Zu Düsseldorf urteilte das Bundesverwaltungsgericht, die Behörden hätten Fahrverbote ernsthaft in den Blick zu nehmen, wenn diese die einzig geeignete Maßnahme wären, die Grenzwerte einzuhalten.

Forderung nach blauer Plakette

Derweil hat die Bundesregierung angekündigt, über die Straßenverkehrsordnung eine Regelung „zur Anordnung von streckenbezogenen Verkehrsverboten“ zu schaffen. Dagegen fordern Kommunen und Umweltschützer sogenannte „blaue Plaketten“. Mit ihnen sollen bundesweit relativ saubere Autos gekennzeichnet werden. Diese Kennzeichnung lehnt die Bundesregierung bisher ab.

Vor dem Hintergrund der Fahrverbotsdiskussion stellte sich auch die Frage, welche Rolle die Hersteller bei der Lösung des Problems einnehmen sollen. Die Kommunen beispielsweise sehen diese in der Pflicht, ältere Dieselfahrzeuge umzurüsten. Die OEMs wiederum lehnen das ab. Entscheidender Grund dürften die von Experten kolportierten sieben bis 14 Milliarden Euro sein, die die Umrüstung der geschätzten 13 Millionen betroffenen Diesel-Fahrzeuge verschlingen würde. Das Bundesverkehrsministerium beziffert die Kosten auf 1.500 bis 3.000 Euro je Fahrzeug.

Die Diskussion um Fahrverbote ist vor allem Resultat der zu hohen Stickoxid-Belastung. Deren Ausmaß wurde infolge des Abgasskandals öffentlich, der vor allem den Volkswagenkonzern betraf. Für stark belastete Städte wurde schon sehr früh die Möglichkeit diskutiert, Straßen für ältere Diesel zu sperren.

Offene Fragen

Das Urteil bedeutet nicht, dass nun automatisch Fahrverbote kommen. Es könnte noch Wochen oder Monate dauern, bis Fahrbeschränkungen wirklich in die jeweiligen Luftreinhaltepläne aufgenommen werden. Für wen sie gelten würden und wie die Städte das organisieren und kontrollieren könnten, ist offen. Fahrverbote bleiben trotz des Grundsatzurteils von Stadt zu Stadt eine Einzelfallentscheidung.

Konkret ist weiterhin unklar, ob in den Städten in einzelnen Bereichen gar keine Diesel zugelassen werden oder nur solche, die der neuen EU-Abgasnorm Euro 6d entsprechen. Allerdings wäre das kaum zu kontrollieren, denn es gibt derzeit keine spezielle Kennzeichnung, wie die erwähnte „blaue Plakette“, die die Fahrzeuge schnell unterscheidbar macht. Auch bleiben die Umfänge der notwendigen Sperrung unklar. Die Bundesregierung spricht von „streckenbezogenen“ Beschränkungen an belasteten Standorten. Das könnten einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen.

Insgesamt 37 deutsche Städte, dürften nun konkretere Pläne für Sperrungen vornehmen. Sie hatten nämlich im vergangenen Jahr die Grenzwerte überschritten: Neben Metropolen wie München sind auch kleiner kleinere Städte wie etwa Reutlingen oder Heilbronn betroffen.

Mit Material von dpa

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