Halbleiter Chinas Chipimporte stark eingebrochen

Von Henrik Bork Lesedauer: 4 min

Im vergangenen Jahr hat die Volksrepublik deutlich weniger Halbleiter-ICs importiert als im Vorjahreszeitraum – das erste Mal seit fast 20 Jahren. Das hat mehrere Ursachen.

Besonders die Stückzahl der von China importierten ICs ist 2022 drastisch gesunken – um gut 15 Prozent. Da die Chips deutlich teurer waren, sank ihr Gesamtwert moderat um nur knapp 4 Prozent.
Besonders die Stückzahl der von China importierten ICs ist 2022 drastisch gesunken – um gut 15 Prozent. Da die Chips deutlich teurer waren, sank ihr Gesamtwert moderat um nur knapp 4 Prozent.
(Bild: frei lizenziert / Pixabay)

Die Chipimporte nach China sind 2022 zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten gesunken. Aktuelle Zollstatistiken in Peking zeigen, dass im vergangenen Jahr 538,4 Milliarden Stück in die Volksrepublik eingeführt worden sind. Das war ein Rückgang des Volumens um gut 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Gründe für den deutlichen Rückgang sind vor allem die aktuelle Konjunkturflaute in der chinesischen Elektronikindustrie, die gerade erst aufgegebene, für Chinas Wirtschaft verheerende Null-Covid-Politik der vergangenen Jahre und die daraus resultierenden Produktionsstopps in der Fertigungsindustrie, sowie die allmählich steigende lokale IC (Integrated Circuit)-Produktion in China als Antwort auf die Chip-Boykotte aus den USA.

Größter Chipabsatzmarkt der Erde ist stark geschrumpft

Es sei das erste Schrumpfen der Importe im größten Chipmarkt der Erde seit Anfang ihrer eigenen statistischen Aufzeichnungen im Jahr 2004, berichtet die Wirtschaftsagentur Bloomberg. In den Jahren davor waren die Importe von integrierten Schaltkreisen noch stark gestiegen – 2019 um 6,6 Prozent, 2020 um 22 Prozent und 2021 um 17 Prozent.

Der deutliche Rückgang, dessen gesamtes Ausmaß nun von der zentralen Zollverwaltung in Peking veröffentlicht worden ist, hatte sich schon seit Januar und Februar 2022 abgezeichnet. Damals waren die Importe erstmals im Jahresvergleich gesunken.

Chips nach wie vor wichtigstes Importgut – mit Abstand

Obwohl 2022 die importierte Stückzahl deutlich zurück gegangen ist – um 97 Milliarden Stück oder exakt 15,3 Prozent im Vorjahresvergleich – ist der Gesamtwert der chinesischen IC-Importe wesentlich weniger geschrumpft – lediglich um 3,9 Prozent auf 415,6 Milliarden US-Dollar, wie die (SCMP) China Morning Post berichtet.

Vom Wert her betrachtet waren Chips im vergangenen Jahr noch immer der mit Abstand größte Posten in der chinesischen Zollstatistik. Die Volksrepublik zahlte dafür in etwa so viel wie für ihre Rohöl- und Eisenerz-Importe zusammen.

China macht bei „lokaler Substitution“ Fortschritte

(Bild: Asia Waypoint)

Industriebeobachter weisen mit Blick auf den Rückgang der Stückzahlen und dem gleichzeitig nur leicht gesunkenen Importwert darauf hin, dass die „lokale Substitution“, also die vermehrte Eigenproduktion von Chips in China vor allem im unteren und mittleren Preissegment Fortschritte gemacht hat. Bei fortschrittlichen Halbleitern ist China nach wie vor stark auf Importe von ausländischen Herstellern angewiesen.

Seit die USA versuchen, die Entwicklung der chinesischen Halbleiterindustrie durch eine ständig wachsende Liste von Exportverboten zu behindern, hat die kommunistische Führung in Peking die staatliche Förderung für den Sektor massiv verstärkt.

Eigenproduktion von Chips hat sich in drei Jahren fast verdoppelt

Durch die Anstrengungen des Staates habe sich das Produktionsvolumen von Chips in China von 2019 bis 2021 beinahe verdoppelt, schreibt die SCMP unter Berufung auf offizielle Statistiken. Doch bei hochwertigen IC-Produkten kommt man eher langsam voran. „Insgesamt gesehen hat die Lokalisierung der Halbleiter-Fertigung noch viel Luft nach oben“, kommentiert das Fachmedium EET China.

So geht es momentan noch vorwiegend um Low-End-Chips, wenn die Agentur „International Business Strategies“ für das vergangenen Jahr eine „Autarkie-Rate“ von 25,61 Prozent für die Fertigung von Chips durch heimische Hersteller in China errechnet hat.

Highend-ICs weiterhin stark nachgefragt

Dagegen bleibt die Nachfrage bei den Importen bestimmter Highend-Chips in China ungebrochen stark, beispielsweise die Nachfrage nach vielen kritisch wichtigen Chips für die Automobilindustrie. So ist zum Beispiel der STL9369, ein Chip für die elektronische Steuerung von Brems- und Park-Prozessen in Smart Cars seit Ende 2021 in China nur sehr schwer zu bekommen.

Das sind gute Nachrichten für europäische, japanische und amerikanische Chip-Hersteller, die den Markt für Auto-Chips dominieren, wie etwa NXP Semiconductors in Holland, Mobileye in den USA, Renesas Electronics in Japan und Infineon in Deutschland.

Chinesische Unternehmen holen zwar jedes Jahr ein Stück weit weiter auf, was die Herstellung leistungsstarker Chips besonders für E-Autos betrifft, doch der Prozess ist graduell, braucht Zeit.

Importrückgang: Viele Fragen bleiben ungeklärt

Während die bisher genannten Faktoren den Rückgang des Importvolumens ein gutes Stück weit erklären, gibt es dennoch eine Reihe von Fragezeichen, die aufgrund einer mangelhaften Aufschlüsselung der Zollstatistiken bestehen bleiben.

Ein Beispiel: Die vielen Lieferketten-Verzerrungen, die durch Chinas Null-Covid-Politik und ihre radikalen Lockdowns mit Produktionsstopps bei vielen chinesischen Elektronik-Herstellern, aber auch durch das Schließen von Seehäfen ausgelöst worden sind, hatten 2022 immer wieder zu starken Spekulationen auf dem chinesischen Chip-Markt geführt.

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Chips künstlich verteuert

Händler hatten die Preise angehoben, wo immer sie einen Engpass witterten. So erklärt sich der nur leicht gesunkene IC-Importwert zu einem nur schwer zu beziffernden Teil auch durch höhere Einheitspreise, die in China 2022 für bestimmte Chips bezahlt werden mussten.

Da die Pekinger Zentralregierung Anfang Dezember ihre Null-Covid-Politik quasi über Nacht für beendet erklärt hat, gibt es nun Hoffnungen in der chinesischen IC-Branche, dass sich die Elektronikindustrie im laufenden Jahr wieder erholt. Das Schlimmste scheint vorerst vorüber zu sein – das ist der allgemeine Konsens in schriftlichen Analysen von Experten und in Hintergrundgesprächen mit Insidern. (me)

* Henrik Bork ist Analyst bei Asia Waypoint, einem auf den asiatischen Markt fokussierten Beratungsunternehmen in Peking.

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