Künstliche Intelligenz KI im Fahrzeug: Welche Szenarien denkbar sind

Autor / Redakteur: Ramin Assadollahi* / Svenja Gelowicz

Künstliche Intelligenz dient für viele vernetzte Anwendungen der Automobilindustrie als Grundlage. Dabei klafft jedoch noch oft eine große Lücke zwischen Mensch und Fahrzeug – und die gilt es zu schließen.

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Das Fahrzeug entwickelt sich in einer autonomen Welt vom Fortbewegungsmittel zum Aufenthaltsraum mit angeschlossener Multimedia-Zentrale. Künstliche Intelligenz ist die Basis vieler Anwendungen.
Das Fahrzeug entwickelt sich in einer autonomen Welt vom Fortbewegungsmittel zum Aufenthaltsraum mit angeschlossener Multimedia-Zentrale. Künstliche Intelligenz ist die Basis vieler Anwendungen.
(Bild: ExB Labs GmbH)

Das Fahrzeug entwickelt sich in einer autonomen Welt vom Fortbewegungsmittel zum Aufenthaltsraum mit angeschlossener Multimedia-Zentrale. Für die Automobilindustrie eröffnet das neue Möglichkeiten, ihre Wertschöpfung zu erweitern. Künstliche Intelligenz im Fahrzeug kann dabei helfen, diese Potenziale zu heben. Was alle Ideen gemeinsam haben: sie benötigen eine „Verstehmaschine“ (KI), um die unterschiedlichen Szenarien richtig zu vernetzen.

Denn Machine Learning-Algorithmen und neuronale Netze können Erkenntnisse liefern, wer sich im Fahrzeug befindet, wie sich die Insassen verhalten, welche Bedürfnisse sie aktuell oder zeitnah haben werden. Voraussetzung dafür ist, die Lücke zwischen Mensch und Fahrzeug zu schließen und den komplexesten Akteur in das System zu integrieren: den Sensor und Emitter Mensch.

Use Case 1: Der sprachliche Austausch zwischen Mensch und Fahrzeug

Eine Möglichkeit, diese Lücke mittels KI zu schließen, bietet die menschliche Sprache – also Spracherkennung – sowie Natural Language Processing (NLP, Verarbeiten des Gesagten). Ein Beispiel ist das Auslesen des Bordbuches. Wie öffne ich die Motorhaube? Aber auch: Wie ist der aktuelle Ölstand? Welche Warnlampe leuchtet auf?

Über den Import des Bord-Handbuches auf Basis einer XML-Datei, die Verknüpfung mit einem NLP-Sprachmodul sowie einem Standard-Spracherkenner, und dem Einbeziehen von Sensordaten lässt sich mittels KI eine ressourcenschonende und funktionale Grundlage für den Austausch mit dem Fahrzeug schaffen.

Der Umgang fühlt sich so für den Nutzer natürlicher an. Für Hersteller lassen sich dank der Analyse gewonnener Spracheingaben zudem wertvolle Rückschlüsse ziehen, welche die Usability und das Qualitätsmanagement verbessern und Bedürfnisse vorhersagen können. Denn wer nach dem Ölstand fragt, benötigt in naher Zukunft vielleicht einen Servicetermin oder Informationen zum Ölwechsel.

Use Case 2: Mittels KI Bedürfnisse prognostizieren

Eine zweite sinnvolle Anwendung von KI ist, Fahrer- beziehungsweise Insassenprofile zu identifizieren – über die reine Schlüsselerkennung hinaus. Das Beispiel der Sitzheizung zeigt, wie ein Fahrzeug mithilfe der Datenanalyse lernen kann. Grunddaten – wie Außentemperatur oder Motorzustand – werden ausgelesen, analysiert und in Abhängigkeit zur Fahrtdauer gesetzt. Auf Basis einer überschaubaren Menge an Daten lassen sich mittels KI typische Fahrer-Profile erstellen: Ändert sich das Verhalten des Fahrers in Bezug auf die Sitzheizung je nach Tageszeit? Welchen Einfluss hat die Außentemperatur auf die Heizstufe?

Je eindeutiger das Fahrzeug seinen Fahrer identifizieren kann, desto besser kann es sich auf ihn einstellen. Auf Nutzerseite bedeutet das weniger Ablenkung, geringerer Suchaufwand, mehr Sicherheit. Mittels Machine Learning lassen sich anhand weniger Daten verschiedene Eingabemuster erkennen und eine Fahrerzuordnung erzielen. Für Automobilhersteller bieten diese bezogen auf Bandbreite und Rechenleistung ressourcenarmen KI-Modelle finanzielle und funktionelle Vorteile.

Use Case 3: Das smarte Fahrzeug von einem intelligenten Hersteller

Ein wichtiger Schritt zur vereinfachten Fahrzeugnutzung und erhöhten Sicherheit ist der Ausbau der Sensorik im Fahrzeug und deren integrierte Vernetzung mit der Außenwelt. Mit modernen KI-Werkzeugen sind Informationen im Fahrzeug (zum Beispiel Fehlerspeicher der Steuergeräte), aktuelle Umweltinformationen (zum Beispiel Frost), Konsumentenäußerungen („Bitte Scheibe sofort reparieren“) und Unternehmensdaten (etwa Ersatzteileverfügbarkeit, Werkstattkapazität) vernetzbar und können zu einem umfassenden Nutzerlebnis zusammengeführt werden: „Das mit dem Steinschlag tut uns leid. Aufgrund der Beschädigung und des Frostes haben wir Ihnen in der Filiale ABC für 14 Uhr einen Termin reserviert. Das Ersatzteil ist dann bereits vorrätig. Sie können das Fahrzeug nach der Reparatur direkt wieder mitnehmen. Möchten Sie den Termin buchen?“.

Künstliche Intelligenz: Embedded oder aus der Cloud?

Eine Herausforderungen für viele KI-Modelle ist das Speichern und Synchronisieren der gewonnenen Daten: Für den vereinfachten, global zugänglichen Umgang, wie bei Chatbots, die vollautomatische Kundenkommunikationsaufgaben übernehmen, eignen sich Cloud-basierte Deep- und Machine-Learning-Modelle. Für hochentwickelte und hochverfügbare Lösungen hingegen, die eine entsprechende Performance für komplexe Machine-Learning-Algorithmen benötigen, kommen nur Embedded-Ansätze in Frage.

Je nach Anforderung lassen sich auch hybride KI-Modelle realisieren. Klassisches Anwendungsgebiet für diese Mischformen ist das autonome Fahrzeug: Hier muss die Synchronisierung der Daten on demand möglich sein – jede Stunde, sekündlich oder noch öfter. Vorhersagen zum Fahrverhalten müssen jederzeit und abhängig von der jeweiligen Anforderung getroffen werden können, unabhängig davon, ob das Fahrzeug gerade online ist.

Künstliche Intelligenz aus der Fabrik?

Das Münchener KI-Unternehmen ExB Labs bietet eine „Cognitive Workbench“, mit der sich laut Unternehmensangaben sowohl der Embedded- als auch den Cloud-Ansatz auf einer einheitlichen KI-Plattform vereint. Dadurch lässt sich eben jene Herausforderung meistern – die Analysen unstrukturierter Daten sind dann auf Geräten mit geringem Speicherplatz sowie begrenzten Rechen- oder Energie-Ressourcen möglich.

Moderne KI-Plattformen bieten zudem den Vorteil, dass sie Entwicklern das Aufsetzen eines Embedded-Machine-Learning-Modells abnimmt. Eine KI-Plattform liefert die notwendigen Funktionen und Werkzeuge bei Bedarf und schlüsselfertig. Sie müssen lediglich über eine entsprechende API (application programming interface, Schnittstelle zur Anwendungsprogrammierung) in die Anwendung integriert werden – je nach Anforderungsprofil als KI-as-a-Service oder als generische, flexibel nutzbare „Vorhersage-Maschine“.

Neben Zeit- und Kostenersparnissen für die Entwicklung sind die Modelle der Plattform hinsichtlich Ressourcenbedarf, Performance und Sicherheitsanforderungen optimiert. Die Anwendungen können sich mit zentralen Servern synchronisieren und neue, verbesserte Vorhersage-Modelle sind OTA (over the air)-aktualisierbar, was Implementierungs- und Wartungsprozesse deutlich verschlankt.

Wie entwickelt sich künstliche Intelligenz im Mobilitätsbereich?

Die Art und Weise, wie wir Fahrzeuge in Zukunft nutzen, bedienen und wahrnehmen wird sich durch den Einsatz von KI grundlegend ändern. Fahrzeuge werden kontinuierlich intelligenter und lernen sukzessive von menschlichem Verhalten. Durch die ständige Lernkurve des Autos werden wir irgendwann das Zeitalter des hyper-vernetzten Fahrens erreichen, in dem sich der Mensch komplett vom Fahrzeug und dem Fahren selbst entfernt.

Eine sehr realistische Massenausprägung werden ab diesem Zeitpunkt Kundeninteraktions-Dynamiken für Fahrzeuge sein, die auf Subscription-Modellen basieren und etwa Location-based-Services, Infotainment oder Concierge-Leistungen beinhalten. Der Aufbau der dazu notwendigen Plattformen beginnt gerade: Und KI spielt dabei eine entscheiden Rolle.

Ramin Assadollahi ist CEO der ExB Labs GmbH

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