Automobilzulieferer Kommentar: „Die Automobilindustrie hat sich 2021 besser auf Krisen eingestellt“

Von Alexander Timmer

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Im Jahr 2021 konnten die Top 100 der weltweiten Automobilzulieferer im Durchschnitt ihre Umsätze um 16 Prozent steigern. Doch der Transformationsbedarf bleibt für die gesamte Automobilindustrie unverändert hoch.

Alexander Timmer ist Partner bei Berylls Strategy Advisors.
Alexander Timmer ist Partner bei Berylls Strategy Advisors.
(Bild: Berylls)

Halbleitermangel, Versorgungsunsicherheiten, pandemiebedingte Produktionsausfälle, E-Mobilität und Nachhaltigkeit fordern die gesamte Automobilindustrie täglich neu heraus und stellen etablierte Strukturen in Frage. Die gute Nachricht: Die Branche hat sich trotz des Veränderungsbedarfs im vergangenen Jahr wirtschaftlich positiv entwickelt und ist damit weltweit ein Wachstumstreiber. So konnten die größten Automobilhersteller im Jahr 2021 Umsätze von 1,4 Billionen Euro erwirtschaften und lagen damit auf dem Niveau von 2019. Auch die Profitabilität stieg im Durchschnitt auf rekordverdächtige 7,6 Prozent.

Gleiches gilt für die Zulieferer: Im Jahr 2021 konnten die „Global Top-100-Suppliers“ im Durchschnitt ihre Umsätze um 16 Prozent steigern und mussten damit den Vergleich mit den Erfolgsjahren 2018/19 nicht scheuen. Auch die Gewinnmargen lagen mit 6,3 Prozent über dem Niveau von 2019; allerdings deutlich unter den Margen der Automobilhersteller. Zentrale technologische Wachstumsbereiche waren wieder einmal Komponenten für den elektrischen Antriebsstrang sowie das automatisierte Fahren.

Insgesamt lässt sich zusammenfassen: Die Automobilindustrie hat sich im vergangenen Jahr zunehmend besser auf die Unsicherheiten und Krisen eingestellt. Und das Jahr 2021 stand unter dem Zeichen der wirtschaftlichen Erholung.

Transformationsbedarf unverändert hoch

Zwar gibt diese Entwicklung auf den ersten Blick Anlass zur Freude und verdeutlicht die Belastbarkeit der Automobilindustrie. Doch man darf sich nicht täuschen lassen: Der Transformationsbedarf bleibt für die gesamte Industrie unverändert hoch. Mit dem Einstieg in das Zeitalter der Elektromobilität geraten Zulieferer und Hersteller zunehmend unter Kostendruck.

Zeitgleich müssen sie massiv ihre Produktionskapazitäten ausbauen, um dem stark wachsenden Bedarf an batterieelektrischen Fahrzeugen gerecht zu werden. Ferner gilt es, Lieferketten für beschaffungskritische Komponenten und Rohstoffe im Einklang mit den ESG, den Kriterien zu Environment, Social und Governance, abzusichern.

Die skizzierten Herausforderungen lassen sich eindrucksvoll und anschaulich am Beispiel der Batteriezelle verdeutlichen. Zulieferer und Hersteller bauen derzeit weltweit Produktionskapazitäten für die Zellherstellung auf. In Europa zum Beispiel werden die Fertigungskapazitäten bis Ende des Jahrzehnts jährlich um 1.300 Gigawattstunden zunehmen. Zeitgleich sollen die Kosten für die Batterie um 30 Prozent sinken, um den Umstieg auf Elektroautos für den Endkunden attraktiv zu gestalten.

Verfügbarkeit von Grünstrom wird entscheidendes Kriterium

Damit das gelingt, müssen neue Zellchemien entwickelt und erprobt werden sowie Zelldesign und -produktion optimiert werden. Zudem ist die Herstellung von Batteriezellen derzeit noch ein wahrer Energiefresser: Sie beträgt 30 Prozent der Gesamtenergie, die für die Herstellung eines Elektroautos erforderlich ist. Die Verfügbarkeit von Grünstrom wird aus ESG-Sicht neben den Energiekosten damit zu einem entscheidenden Kriterium beim Aufbau neuer Produktionsstandorte.

Für die Zellherstellung werden zudem Kobalt und Nickel benötigt – beides Rohstoffe mit einem hohen Beschaffungsrisiko. Der größte Nickelproduzent weltweit ist Russland und der Bedarf an Kobalt wird bis 2030 um atemberaubende 400 Prozent steigen, sodass die weltweiten Nickelvorkommen zu Beginn des neuen Jahrzehnts aufgebraucht sein werden.

Weitere Herausforderungen ergeben sich bei der Softwareentwicklung und -validierung für Batteriemanagementsysteme, um über die Fahrzeuglebensdauer die gewünschten Reichweiten und Leistungseigenschaften realisieren zu können.

Fazit: Die Automobilindustrie befindet sich in einem massiven Umbruch, der die Branche die nächsten Jahre begleiten wird. Dies verdeutlicht auch die reduzierte Investitionsbereitschaft von Private-Equity-Investoren: 73 Prozent sind der Auffassung, dass Investitionen in die Autobranche an Attraktivität verloren haben.

Aber Zeiten des Umbruchs und der Veränderung bieten Herstellern wie Zulieferern gleichermaßen die Chance, die Zukunft der Automobilindustrie aktiv mitzugestalten. Dazu gilt es, die eigene Wertschöpfungstiefe anzupassen, strategische Kooperationen und Partnerschaften zu stärken und technologische Innovationen weiterzuentwickeln.

* Alexander Timmer ist Partner bei Berylls Strategy Advisors.

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