Bordnetz Chinesisches Start-up entwickelt neuartigen Zentralrechner

Von Henrik Bork* Lesedauer: 3 min |

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Das Auto-Start-up Leapmotor hat eine Steuerung für zentrale Funktionen entwickelt, die das Bordnetz stark vereinfachen soll. Medien Berichten, das Volkswagen bereits Interesse an der Technik hat.

Fahrerassistenzsysteme, Motorsteuerung, Unterhaltungssysteme und mehr: Für viele Funktionen in modernen Autos sind separate Steuerungen zuständig. Leapmotor will diese nun in einer zentralen Plattform zusammenführen.
Fahrerassistenzsysteme, Motorsteuerung, Unterhaltungssysteme und mehr: Für viele Funktionen in modernen Autos sind separate Steuerungen zuständig. Leapmotor will diese nun in einer zentralen Plattform zusammenführen.
(Bild: Volkswagen AG)

Eine radikale Vereinfachung der E/E-Architektur in „Smart Cars“: Das verspricht eine neue Plattform, die das chinesische E-Auto-Start-up Leapmotor entwickelt hat. Vier bislang getrennte Domänen für Autochips werden darin in einer zentralen „Box“ zusammengeführt, womit nach Angaben des Unternehmens unter anderem mehrere hundert Meter an Kabeln pro Auto eingespart werden können. Das Start-up hat die Architektur auf den poetischen Namen „Vierblättriges Kleeblatt” getauft.

Experten halten diese Plattform mit dem offiziellen Namen „LPEE 3.0“ von Leapmotor für einen wichtigen Entwicklungsschritt hin zu einer zentralisierten E/E-Architektur, von der die Autoindustrie seit Jahren träumt und an der eine Reihe von Entwicklungsteams in verschiedenen Ländern arbeiten.

Medien: VW verhandelt mit Leapmotor

Noch unbestätigten Medienberichten in China zufolge soll Volkswagen bereits mit Leapmotor über einen Kauf dieser Plattform für das Modell Jetta verhandeln. Es gebe Gespräche zwischen einem Gemeinschaftsunternehmen von VW und der chinesischen FAW-Gruppe, diese neue Elektronik für smarte E-Autos per Lizenznahme von Leapmotor zu erwerben, berichtete die Finanzwebseite Cailianshe. Die Unternehmen wollten dies aber noch nicht kommentieren, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

So oder so hat das Konzept des kleinen E-Auto-Herstellers in China große Aufmerksamkeit erregt. Ihr Kernstück sind ein System-on-Chip (SoC) und eine Microcontroller-Unit (MCU), die vier bislang getrennte Domänen in einem zentralen „Hirn“ des Autos zusammenführen: Kabine, intelligentes Fahren, Powertrain und Karosseriesteuerung.

Leapmotor erwartet enormes Einsparpotenzial

Dadurch könne die Rechenleistung optimal genutzt und ein schnelleres und besser abgestimmtes Zusammenspiel der verschiedenen Funktionen im Auto erreicht werden. Insbesondere sei so eine bessere Kommunikation zwischen autonomen und vernetzten Funktionen und dem Cockpit und seinen Displays und Steuerungen möglich. Die Anzahl der Controller ließe sich von 42 auf 28 reduzieren.

Die Zahl der Steuergeräte hatte sich in modernen E-Autos mit ADAS-Funktionen und elektronisch vollgestopften „smarten Cockpits“ immer weiter zugenommen. Je teurer und komplexer die Autos, desto mehr Chips werden derzeit verbaut – von mehreren Hundert bis hin zu mehreren Tausend. Eine Verschlankung verspricht der Autoindustrie hier große Einsparungen bei den Produktionskosten.

Allein bei den Kabeln, die moderne E-Autos wie ein kompliziertes und störanfälliges Wurzelgeflecht durchziehen, winken Einsparungen von mehreren hundert Metern, von etwa 1.800 auf 1.500 Meter. Auch damit können die Produktionskosten reduziert werden.

Forschung an Zonen-Gateways

Andere Autohersteller in China wie BYD, Xpeng und Great Wall Motor arbeiten gerade an ähnlichen, hochintegrierten Lösungen, die mit der in der Industrie bislang noch vorherrschenden dezentralen Elektronikarchitektur aufzuräumen versuchen. Auch bei Zulieferern wie Bosch, Nvidia, Continental oder Horizon ist neuerdings stets von einer zentral integrierten E/E-Architektur die Rede, wenn über die nächste Generation von Komponenten gesprochen wird.

In Deutschland forscht man am Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme an „Zonen-Gateways“ und Zentralrechnern für Autos – mit recht ähnlichen Zielen. Man sucht nach einer besser vernetzten E/E-Architektur, mit der sich die Anzahl von Steuergeräten und Kabeln in den Fahrzeugen reduzieren lässt. Auch der Zulieferer Leoni arbeitet an einem vereinfachten Bordnetz.

Leapmotor strebt Lizenzmodell an

Die „1 SoC + 1 MCU“-Lösung von Leapmotor soll 15 verschiedene Modulfunktionen von einer zentralen Box aus steuern. Sie unterstützt demnach zwei verschiedene SoC-Mainboard-Lösungen: Qualcomm 8155 und Qualcomm 8295. Bei den Interfaces gibt es drei verschiedene Level, je nach Komplexität des Fahrzeugs und der Anzahl der notwendigen Schnittstellen. Die Bandbreite wächst von den derzeit weit verbreiteten 100 MBit/s auf 1.000 MBit/s.

Das erste Auto mit der neuen Elektronik soll bereits im kommenden Monat auf den Markt kommen. Leapmotor könnte einen Erfolg dieses Produktes dringend gebrauchen, denn der Absatz seiner E-Autos ist in China momentan rückläufig. „Wir hoffen, dass Leapmotor künftig nicht nur eine E-Auto-Marke sein wird, sondern auch ein Lizenzgeber für Schlüsseltechnik“, sagte der Leapmotor-CEO Zhu Jiangming Ende Juli bei der Vorstellung seiner neuen E/E-Architektur in Schanghai. (me/sp)

* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking.

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