Leichtbau-Gipfel 2016 „Leichtbau ist mehr, als leicht zu bauen“
Am 14. März hat in Würzburg der 5. Leichtbau-Gipfel begonnen. Florian Schek, BMW-Leichtbauchef, eröffnete die Veranstaltung mit seiner Keynote – am Beispiel der Karosserie des aktuellen BMW 7er verdeutlichte er die neuen Anforderungen an den Leichtbau, die nicht mehr nur Gewichtsverlust zum Ziel haben.
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„Willkommen auf dem Leichtbau-Gipfel und vielen Dank für die Möglichkeit hier zu sprechen – es ist für uns inzwischen eine etablierte Veranstaltung mit sehr kompetenten Partnern“, eröffnete Florian Schek den Leichtbau-Gipfel am heutigen Montag (14. März). Schek ging in seinem Vortrag auf die faserverstärkten Kunststoffe ein und darauf, „wie Carbon den Leichtbau tatsächlich auch verändert.“ Als Beispiel verwies er auf den BMW 7er, bei dem die Leichtbau-Herausforderungen nochmals anders sind, „denn sie verkaufen eine Luxuslimousine nicht deshalb, weil sie besonders leicht ist.“
„Eine Herausforderung die wir heute in der Automobilindustrie sehen ist, dass man nicht mehr ein Fahrzeug singulär betrachten und es hinsichtlich Leichtbauthemen optimieren kann, sondern es geht um Architekturen. Über mehrere Sequenzen hinweg hat man ein technisches Gerüst und muss dort von kleinen, sehr kostensensitiven Fahrzeugen bis hin zu Fahrzeugen die wesentlich über ihre Eigenschaften geprägt sind, ein technisches Konzept finden. Leichtbau wird außerdem nicht mehr zum Selbstzweck entschieden: Es ist ganz klar so, dass wir im Hinblick auf die CO2-Flottenzielsetzungen agieren müssen. In den unterschiedlichen Ländern müssen wir dabei auf die so genannten Zielsysteme achten: In Europa haben wir zum Beispiel ein gewichtsbasiertes Zielsystem, in den USA ein footprint-basiertes Gewichtssystem für die Flotten der OEMs – und da wirkt Leichtbau natürlich ganz anders“, sagte Schek.
Lieferanten sind die Experten
Es gehe aber nicht mehr nur darum, das Karosseriegerippe leichter zu bauen, erklärte Schek, man muss am Gesamtfahrzeug arbeiten. Einen großen Anteil der Optimierungen könne man mit kleinen Teilen holen – und indem man gut mit seinen Lieferanten zusammenarbeite. „Gewichtsseitig kaufen wir gut die Hälfte des Fahrzeugs zu und bei diesen Bauteilen sind die Lieferanten die Experten. Den Weg zur Konzeptentscheidung illustrierte Schek ebenfalls am Beispiel des aktuellen 7er – dem ersten Großserienfahrzeug mit einer Carbon-Mischbauweise: „Warum wollen wir Carbon einsetzen, was bringt das?“, sei eine wichtige frühe Frage gewesen. Mit Blick auf die Struktur könne man die Karosserie unterteilen in den Bauklassenbereich und den flächigen Bereich. Beide Bereiche haben sehr unterschiedliche Anforderungen an die Konzepte und vor allem an die Materialien. So seien große Flächen in Carbon ausgeführt akustisch schwierig – in der Folge müssten dann wieder Materialien zur Schallisolation zum Einsatz kommen und es sei fraglich, ob das Bauteil am Ende tatsächlich leichter ist.
Deshalb müssen die unterschiedlichen Materialien an den diversen Stellen einsetzbar sein – „und das gelingt nur, wenn man heute mit den Fügetechniken in den Werksstrukturen sehr weit ist“, erklärte Schek. „Entsprechend haben wir viele technische Konzepte verglichen, bei denen man auch klassisch mit Vollstahl startet. Neue Legierungen bringen hier bereits große Leichtbaupotenziale mit. Wir haben dann die Möglichkeiten durchgespielt, bis hin zu einem selbsttragenden CFK-Gerippe – nach unseren Erfahrungen mit i3 und i8 eigentlich die erste Wahl. Wir mussten jedoch beachten, dass die neue Fahrzeugstruktur vom 3er bis zum 7er und über die X-Modelle gespreizt ist und wir in einem Werksverbund mehrere Fahrzeuge auf der gleichen Linie fertigen wollen. Außerdem ist der Voll-CFK-Ansatz eher für Fahrzeuge wie den i3 interessant, bei dem es keinen Verbrennungsmotor gibt und somit zum Beispiel auch keine Abgasgeräusche.“
Diese Randbedingungen bestimmen den Materialeinsatz: „In einigen Bereichen ist es sinnvoll, diese in Stahl zu belassen, besonders belastete Bereiche sollten hingegen durchaus mit High-Tech-Materialien verstärkt werden“, erläuterte Schek das Vorgehen beim aktuellen 7er, dessen Karosserie aus einem Mix aus drei wesentlichen Materialien besteht: Stahl, Carbon und Aluminium.
Rahmenbedingungen beachten
Um die Herausforderung der Fertigung im Werksverbund zu verdeutlichen, ging Schek zudem auf weitere Randbedingungen ein, die nichts mit dem Fahrzeug als solchem zu tun haben: „Bei der Fertigung etwa in Indien oder China muss man schon genau schauen, wie man diese High-Tech-Materialien qualitätssicher umgesetzt bekommt. Diese Anforderungen die aus dem gesamten Netzwerk kommen, aus Einkaufsstrukturen oder Länderforderungen – all das bestimmt die Materialauswahl und führt zu den Mehrmaterial-Strukturen, die wir heute einsetzen.“ Um die Herausforderungen und Erfahrungen beim Verarbeiten faserverstärkter Materialien zu bündeln, setzt BMW auf eine „Prozesskette Carbon“. Dort arbeiten alle wichtigen Bereiche wie Einkauf, Produktion und Entwicklung mit, um die interdisziplinären Aktivitäten zu koordinieren – projektunabhängig. Dort entscheiden sich die Konzepte, die den Fahrzeugprojekten angeboten werden. „Diese Prozesskette hat bereits dabei geholfen, Carbon jetzt in die Großserie zu bringen“, sagte Schek.
Leichtbauzentrum in Landshut
Zusätzlich errichtet BMW am Standort Landshut ein Leichtbauzentrum. Bis zum Ende dieses Jahres soll es fertiggestellt sein. In Verbindung mit dem Standort Wackersdorf sollen dort bis zu 160 Ingenieure interdisziplinär und strukturübergreifend an künftigen Leichtbau-Konzepten arbeiten – und zwar nicht nur an Faserverbundwerkstoffen sondern auch an konventionellen Leichtbau-Ansätzen, „die oft die bezahlbaren sind“. Das Leichtbauzentrum beinhaltet ein Technikum mit Anlagen für carbonfaserverstärkte Kunststoffe und textile Halbzeuge sowie eine Prototypenfertigung. Daneben will der Automobilhersteller klassische Werkstoffe weiterentwickeln, etwa Kunststoffe, die laut Schek faserverstärkt künftig großes Potenzial haben. Hinzu kommen Themen wie der 3D-Druck und das Flechten, „das aus unserer Sicht das größte Potenzial bei Carbonfaseranwendungen hat“, sagte Schek. Im Mittelpunkt künftiger Leichtbaukonzepte steht der spezifische Produktnutzen, es kommt darauf an, welches Ziel man erreichen will. „Wir sind nicht mit bestimmten Materialkonzepten fest verbunden – es kommt im jeweiligen Fall darauf an, was sinnvoll ist.“
Live-Demonstration „xFK in 3D“
Die Eröffnung des Leichtbau-Gipfels übernahmen traditionell Florian Fischer, Geschäftsführer des Verlagsbereichs Automedien, und Claus-Peter Köth, Chefredakteur der Fachzeitschrift »Automobil Industrie«. „Herzlich willkommen zum 5. Leichtbau-Gipfel – in diesem Jahr erstmals mit einer Live-Demonstration der neuen Prozesstechnik „xFK in 3D“, begrüßte Köth die rund 250 Teilnehmer am Morgen, und verwies auf die schon im vergangenen Jahr sehr positiv angenommene „Meet & Talk“ Area, eine Möglichkeit, sich mit den Referenten nach deren Vorträgen in kleiner Runde auszutauschen.
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