Automobilzulieferer Licht aus Fasern für mehr Individualität im Innenraum

Autor / Redakteur: Gerald Scheffels / Sven Prawitz

Ein Zulieferer für Interieurtextilien und ein Spezialist für Innenraumbeleuchtung haben ihr Know-how gebündelt und ein Joint Venture gegründet, das mit textilen Lichtleitern neue Designfreiheiten in den automobilen Innenraum bringt.

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Künftig sollen nicht nur LEDs, sondern auch textile Fasern Stimmung ins Interieur bringen.
Künftig sollen nicht nur LEDs, sondern auch textile Fasern Stimmung ins Interieur bringen.
(Bild: Salewski/Munda)

Entwicklung, Herstellung und Lieferung von textilen Lichtsystemen: Das ist der Geschäftszweck der neu gegründeten Munda Textile Lichtsysteme GmbH. Gleichberechtigte Teilhaber des Joint Ventures sind Aunde und Mentor, die Freigabe des Bundeskartellamtes liegt bereits vor.

Aunde bringt sein Know-how im Bereich technischer Textilien in das neue Unternehmen ein – und sein Netzwerk in der Prozesskette der Innenraumkomponenten. Denn das 1899 gegründete Unternehmen, das sich jahrzehntelang auf Garne, technische Textilien und Sitzbezüge konzentriert hat, ist durch Zukäufe stark gewachsen. Insbesondere durch die Integration der Marken Isringhausen und Fehrer hat Aunde heute eine gute Marktposition als Hersteller von Komplettsitzen und Interieurmodulen. 115 Werke in 29 Ländern sowie über 24.000 Mitarbeiter sorgen für weltweite Präsenz in der Nähe der Automobilhersteller.

Der andere Partner, Mentor, ist in der Automobilindustrie als Spezialist für Lichtlösungen im Interieur bekannt. Ob Ablagefächer, Armlehnen, Türeinstiegsleisten, Konsolen oder Instrumententafeln: LED-basiertes Farblicht von Mentor kommt als Flächen-, Linien- oder Punktlicht zum Einsatz und wird über die dazugehörigen RGB-Basismodule angesteuert.

Wunsch nach individueller Beleuchtung

Ursprünglich diente Licht im Interieur ausschließlich der Orientierung. Heute geht es nicht nur um Funktion, sondern auch um emotionale Aspekte wie Wohlfühlen und Wertigkeit. Auch der Wunsch nach individueller Beleuchtung, die der Fahrer zum Beispiel an seine Vorlieben anpassen kann, gewinnt an Bedeutung. Zudem sind dynamisch anpassbare Farblichtszenarien gefragt, deren Farbwelt einen möglichst großen Bereich im RGB-Farbspektrum (Farbmischungen aus Rot, Grün und Blau) abdecken soll. Für diese Anwendungen hat Mentor eine „automobilgerechte“ RGB-LED-Lösung entwickelt, die auf einem intelligenten RGB-Basismodul mit integriertem Mikrocontroller beruht.

Restriktionen gibt es hier jedoch noch durch den Lichtleiter. Benjamin Mohr, Entwicklungsleiter von Munda: „Standard sind zurzeit noch Leiter aus Kunststoff-Spritzguss, die nur eingeschränkt flexibel sind. Dazu benötigt man teure Werkzeuge, die nur bei hohen Stückzahlen rentabel sind, und auch die Entfernung zwischen Lichtquelle und -austritt ist ein limitierender Faktor.“

Lichtleiter in Faserform

Diese Nachteile entfallen bei den textilen Lichtleitern, die Munda einsetzen wird. Benjamin Mohr: „Sie sind ganz ähnlich aufgebaut wie die Glasfasern für die Datenübertragung. Ein Faserkern aus PMMA wird von einem Cladding umhüllt. Die Faser leitet das Licht nach dem Prinzip der Totalreflexion. Wo das Cladding abgetragen wird, tritt Licht aus.“

Solche Lichtleiter können an mehrere Quellen angeschlossen werden. So entstehen Lauflichter und Farbszenarien. Weil sie flexibel sind, lassen sie sich in weiche Materialien einbinden und in nahezu beliebige Konturen integrieren: „Wir können zum Beispiel textile Flächen hinterleuchten und bei der Flächenbeleuchtung Licht bis in die letzte Kante bringen“, so Benjamin Mohr. Damit eröffnen die lichtleitenden Fasern den Designern neue Gestaltungsmöglichkeiten und den Entwicklern einen flexiblen Umgang mit den oft knapp bemessenen Bauräumen im Interieur – und das ohne bauteilspezifische Werkzeugkosten. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Kopplung der Lichtsteuerung mit – um nur Beispiele zu nennen – Soundsystemen oder Fahrzeugdaten. Auch funktionale Signale wie z. B. die des Spurwechselassistenten können ganz einfach vom Außenspiegel ins Fahrzeuginnere verlegt werden.

Die Arbeitsteilung beider Unternehmen soll so aussehen: Aunde liefert die lichtleitenden Fasermatten als Rollenware, Mentor die RGB-Module. Bei Munda in Erkrath werden die Fasern gebündelt, mit dem Lichteinkopplungsmodul verbunden und zum funktionsfähigen System komplettiert. Die Lichtsysteme können dann entweder bei einem Zulieferer der Aunde-Gruppe wie Fehrer oder bei einem externen Kunden der Interieurbranche ins Bauteil integriert werden.

Interieur erheblich verändern

Mit der Gründung des Gemeinschaftsunternehmen nehmen Aunde und Mentor auch den Markt des autonomen Fahrens in den Blick. Rolf Königs, CEO der Aunde-Gruppe: „Dieser Megatrend und andere Entwicklungen werden das Fahrzeuginterieur erheblich verändern. Mit textilen Lichtsystemen werden wir diesen neuen Anforderungen gerecht und helfen, ganz neue Kundenerlebnisse zu kreieren.“ Damit bauen die beiden Unternehmen auf Wachstum. Wido Weyer, geschäftsführender Gesellschafter von Mentor: „Die bei Munda entstehende Technologie eröffnet uns neue Einsatzfelder – nicht nur in der Automobilindustrie.“

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