Leichtbau-Gipfel 2021 Materialleichtbau – drei neue Ansätze für die Fertigung

| Aktualisiert am 23.11.2021Von Thomas Günnel

Direct Laser Melting rechnerisch simulieren, Hybrid zu minimalen Kosten bauen und „fliegendes“ Spritzgießen: Beim „Automobil Industrie Leichtbau-Gipfel“ beschrieben Referenten von Magma, SGL Technologies und Anybrid ihre Ansätze zur Materialverarbeitung.

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Aufbringen von Kunststoffelementen auf eine Rohrstruktur – im Prozess des Laser-Tapewickelns. Das Verfahren stammt vom Dresdner Unternehmen Anybrid.
Aufbringen von Kunststoffelementen auf eine Rohrstruktur – im Prozess des Laser-Tapewickelns. Das Verfahren stammt vom Dresdner Unternehmen Anybrid.
(Bild: Anybrid)

Mit dem richtigen Werkstoff lassen sich leichtere Komponenten konstruieren; oder neue Designs umsetzen. Horst Bramann von Magma erklärte beim Leichtbau-Gipfel das Verbundforschungsprojekt „Customat3D“, in dem es um hochfunktionale, variantenreiche Strukturbauteile in der Automobilindustrie geht. Hier arbeiten Entwickler und Endanwender zusammen, um Werkstoffe, Verfahren und Simulation für Leichtbaukomponenten aus der additiven Fertigung weiterzuentwickeln. Anwender der Komponenten sind Edag und Daimler.

Bramann ging bei seinem Vortrag unter anderem auf das virtuelle Assessment ein. Er unterschied dabei zwischen dem digitalen Schatten, also einer Kopie der Realität; und dem digitalen Zwilling: „einem vorwärtsorientierten digitalen Avatar“. Dieser könne sich unabhängig von der Realität bewegen und ermöglicht es so, Dinge auszuprobieren. Der digitale Zwilling eignet sich laut Bramann eher dafür, Prozesse und Produktparameter zu überwachen oder für den Parameterabgleich.

Im Detail beschrieb Horst Bramann ein Ebenenmodell, das den Weg vom Pulver zum Bauteil zeigt. Dazu zählt unter anderem das Berechnen der Wärmeleitfähigkeit des für die additive Fertigung verwendeten Pulvers und die Modellierung des Schichtaufbaus – mit Blick auf Temperaturen, Dehnungen und Spannungen. Außerdem gab er einen Einblick in die Wärmebehandlung; und wie sich Dehnungsraten und Spannungen auf die Komponenten auswirken; und stellte erste Teilergebnisse des Projektes vor: etwa zum Ermitteln werkstoffspezifischer Daten und den verwendeten Modellen.

Hybridbauteile zu minimalen Kosten

Den zweiten Ansatz in der Session „Materialien“ stellte Michael Kropka von SGL Technologies vor. Sein Thema: „MAI HybCar“ – generischer Kfz-Unterboden aus Metall/CFK-Hybrid mit minimalen Leichtbaukosten und hohem Automatisierungsgrad in der Fertigung. „MAI“ steht dabei für „München, Augsburg, Ingolstadt“, wie Moderator Heinrich Timm erklärte. Timm war Leiter des Leichtbauzentrums bei Audi und ist derzeit Mitglied im Vorstand von Carbon Composites e.V. und Carbon Composites United e.V..

Michael Kropka beschrieb in seinem Vortrag „die intelligente Kombination thermoplastischer Verbundwerkstoffe mit Stahlwerkstoffen“. Hintergrund: Von Plattformkonzepten werden heute etliche Derivate abgeleitet.

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Diese Plattformen sind meist so ausgelegt, dass sie dem maximal zu erwarteten Lastniveau standhalten. Bei vielen Derivaten führt das zu überdimensionierten Komponenten und damit zu übermäßigen Bauhöhen der Fahrzeuge. „Vor allem wenn ein teures Leichtbaumaterial wie Carbon verwendet wird, lohnt sich das Überdimensionieren meist nicht“, sagte Kropka. Carbon sollte nur dann verwendet werden, wenn das spezifische Belastungsniveau eine höhere Widerstandsfähigkeit des eingesetzten Werkstoffes erfordert.

Ein Werkzeugsatz für Bauteile mit variierenden Lastanforderungen

Mit dem „HybCar“-Konzept sollen Unterbodenbauteile mit variierenden Lastanforderungen mit einem einzigen Werkzeugsatz entstehen. Der Kern des Verfahrens ist die Hybridisierung der Platine (Metall/thermoplastisches CFK). Das vereint das Umformen, Fügen und Konsolidieren des Polyamid-6-basierten Faserverbundwerkstoffes in einem Prozess.

Die lokale Verstärkung mit Faserverbundwerkstoffen ermöglicht es, die Stahlblechdicke von 2,5 mm auf 0,7 mm zu verringern; und so den gesamten Fahrzeugboden weniger hoch zu bauen. Außerdem lässt sich die Bodengruppe durch die Flexibilität in der Dicke des Faserverbund-Einlegers bedarfsgerecht gestalten und skalieren. Im Projekt gewann der vordere Fußraum über 18 Millimeter Höhe.

„Das Gewicht des Unterbodenbauteils sank um über zehn Kilogramm verglichen mit dem Benchmark“, beschrieb Kropka, „etwa 40 Prozent.“ Ein vollautomatisierter Fertigungsprozess senkt zudem die Zykluszeit für die Herstellung auf unter 90 Sekunden. Auf Rückfrage nach einem Recyclingkonzept erklärte Michael Kropka, „dass das kein Projektinhalt war, Verbund und Stahlblech lassen sich aber trennen“.

„Fliegendes Spritzgießen“

Michael Krahl, Geschäftsführer des in Dresden ansässigen Unternehmens Anybrid, stellte seinen Vortrag unter den markanten Titel „Das Spritzgießen lernt fliegen“. Krahl beschrieb den aktuellen Stand, „Spritzgießen kommt häufig bei Materialkombinationen zum Einsatz, etwa in der Metallverarbeitung, dem Thermoformen oder der Extrusion. Die Anlagen stehen im Zentrum der Produktion. Warum können wir diese beiden Bauweisen nicht direkt kombinieren?“, leitete Krahl zum Kern seines Vortrags über.

Sein Unternehmen hat dafür „Robin“ entwickelt, das „Robotised Injection Moulding“, eine bewegliche Spritzgießmaschine. Sie besteht aus einer Injektionseinheit, einem Spritzgießwerkzeug und einem Leichtbau-C-Bügel – das System war im Beispiel an einem Roboterarm montiert. Der deutlichste Vorteil: Es lässt sich in bestehende Prozesslinien integrieren.

An großen Bauteilstrukturen lassen sich damit zum Beispiel lokal Funktionselemente aufbringen oder Baugruppen funktionalisieren. „Wir wollen mit unserem System in andere Prozesse hinein“, beschrieb Krahl das Ziel. Denkbar sind Materialkombinationen, zum Beispiel Holz/Kunststoff, Metalle, Stahl und Aluminium. „Es können dabei ganz neue Produkte möglich sein, die anders nicht umsetzbar waren.“ Ein konkretes Beispiel, das Michael Krahl zeigte, war das Aufbringen von Kunststoffelementen auf eine Rohrstruktur – im Prozess beim Laser-Tapewickeln.

Was ist der Automobil Industrie Leichtbau-Gipfel?

Der »Automobil Industrie« Leichtbau-Gipfel ist das hochkarätige Netzwerkevent für und mit Wegbereitern des Leichtbaus. Diskutiert werden Themen wie E-Mobilität und Leichtbau, neue Fahrzeug- und Designkonzepte, Innovationen für den Antrieb, urbane Mobilität mit neuen Mobilitätskonzepten für Public Transportation und vieles mehr.

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