Mercedes-Benz Neue A-Klasse: radikal selbstbewusst

Redakteur: Michael Ziegler

Es ist wohl die größte Veränderung, die ein Mercedes-Modell je durchlaufen hat. Groß ist auch das Selbstbewusstsein, mit dem die Schwaben ihre neue A-Klasse präsentieren. Sie soll nicht weniger als der beste Premium-Kompakte werden.

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Dr. Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG und Leiter Mercedes-Benz Cars, bei der Weltpremiere der neuen A-Klasse in Genf.
Dr. Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG und Leiter Mercedes-Benz Cars, bei der Weltpremiere der neuen A-Klasse in Genf.
(Mercedes-Benz)

Die A-Klasse: Im Jahr 1997 erstmals als eine Art kompakter Minivan eingeführt, konnte sie bisher eher Fahrer älteren Semesters mit Vorliebe für eine hohe Sitzposition begeistern. Eine echte Konkurrenz für die bekannten Spieler im Premium-Kompaktsegment, wie den Audi A3 oder BMW 1er, war sie nicht. Dies will Mercedes nun ändern – und zwar radikaler als man es von der gediegenen Marke mit dem Stern erwartet hätte.

Völlig neues Erscheinungsbild

Wie schon bei der Neuauflage der B-Klasse sitzt der Fahrer jetzt deutlich näher an der Straße. Während es bei dem großen Bruder nur etwa 8 Zentimeter sind, schrumpft der Gesäß-Asphalt-Abstand in der A-Klasse um satte 17 Zentimeter.

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Im Zuge dieser Maßnahme verabschiedete man sich auch von dem Sandwichboden-Konzept. Spitzfindige Zeitgenossen könnten dabei anmerken, dass mit dem gleichzeitig abgesenkten Schwerpunkt (minus 24 Zentimeter) nun auch die Elchtest-Problematik endgültig vom Tisch ist. Der augenscheinlichste Effekt ist aber das völlig neue Erscheinungsbild: Der Kompakt-Benz liegt satt auf der Straße und verspricht dynamischen Fahrspaß, und das Design spricht eine sportlich-aggressive Sprache. In die Version A 250 Sport hat die AMG-Abteilung zudem 18-Zoll-Räder, Sportfahrwerk und einen optisch aufgewerteten „Diamantgrill“ einfließen lassen.

„Ab 2020 Nummer Eins im Premiumsegment“

Daimler-Chef Dieter Zetsche formuliert die Strategie eindeutig: „Wir wollen ab 2020 weltweit die Nummer Eins im Premiumsegment sein, und bei dieser Offensive gehören die neuen Kompakten zu unseren schärfsten Waffen. Es wird über die nächsten zehn Jahre im Premium-Kompaktsegment ein Wachstum von circa vier Millionen Einheiten prophezeit. Wir wollen an diesem Wachstum überproportional teilhaben.“ Erste Prognosen sehen für die neue A-Klasse einen durchaus hohen Marktanteil voraus: Laut dem Informationsunternehmen IHS Automotive sollen 2013 etwa 174.000 Einheiten gefertigt werden. Zum Vergleich: Audi wird mit dem A3 voraussichtlich bei 226.000 Stück liegen, der BMW 1er bei zirka 206.000. Ob der neue Stern die Platzhirsche aus Ingolstadt und München gar überholen kann, bleibt abzuwarten. Audi hat zuletzt mit der Neuauflage des A3, die sich gerade bei den inneren Werten schon fast auf Oberklassen-Niveau bewegt, die Messlatte ein gutes Stück höher gelegt.

Vor allem für jüngere Käuferschichten

Nach der Neupositionierung richtet sich die A-Klasse verstärkt an jüngere Käuferschichten, für die besonders das Infotainment-Angebot ein wichtiges Kaufkriterium darstellt. Mercedes schreibt sich dieses Thema von Beginn an auf die Fahne und wirbt mit nahtloser iPhone-Integration. Mit dem sogenannten „Drive Kit Plus“ (lieferbar als Zubehör ab September und als Sonderausstattung voraussichtlich ab erstem Quartal 2013) sollen mithilfe einer eigenen App die wesentlichen Fähigkeiten des beliebten Apple-Device und künftig auch anderer Smartphones im Fahrzeug genutzt werden können.

Maximal 17,8 Zoll großes Display

Dazu wird das Gerät per Kabel verbunden; zur Darstellung dient ein Farbdisplay mit 14,7 Zentimetern Diagonale, das exponiert in der Mitte des Armaturenbretts thront und optisch einem iPad gleicht. Wer sich das große Infotainment-System „Command Online“ gönnt, erhält das Display mit 17,8 Zentimetern Durchmesser.

In der Mitte des Armaturenbretts dominiert ein Display in iPad-Optik den Innenraum – je nach Ausstattung in 5,8- oder 7-Zoll-Ausführung.
In der Mitte des Armaturenbretts dominiert ein Display in iPad-Optik den Innenraum – je nach Ausstattung in 5,8- oder 7-Zoll-Ausführung.
(Mercedes-Benz)

Damit bietet Mercedes als einer der ersten Hersteller eine noch intensivere Nutzung der Smartphone-Funktion über das bordeigene Infotainment-System an und vermarktet die A-Klasse gezielt mit dem Slogan, „Wir haben dem iPhone Räder verliehen“. Die Bedienung erfolgt allerdings – anders als es die Touchscreen-Generation vielleicht erwartet – nicht über das Display selbst, sondern per Dreh-Drück-Regler in der Mittelkonsole.

Angesichts der gut erreichbaren Positionierung des Bildschirms könnte dies in der Zielgruppe als „nicht sehr smart“ empfunden werden. Andererseits entstehen so keine Fingerabdrücke auf der Oberfläche, die die Innenraum-Ästhetik stören könnten. Diese mutet Mercedes-typisch hochwertig an, ist zugleich aber in einem modernen, sportlichen Design gehalten – ein weiteres Bekenntnis zum neuen Image.

Motoren und Getriebe

Der Antriebsstrang der A-Klasse kann aus vier Benzinern (90 bis 155 kW) und drei Selbstzündern (80 bis 100 kW), wahlweise mit einem Sechsgang-Handschaltgetriebe oder dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe 7G-DCT kombiniert werden. Bei den Topmodellen A 250 und A 250 Sport ist die Automatik obligatorisch. Ein Novum: In der sparsamsten A-Klasse, dem handgeschaltetem A 180 CDI, verrichtet ein Renault-Motor seinen Dienst. Das leichte 1,5-Liter-Aggregat verringert das Gewicht um 30 Kilogramm und beschert der Modellreihe einen CO2-Bestwert von 98 g/km.

Weltpremiere Camtronic

Mit der sogenannten Camtronic feiert eine Innovation ihre Weltpremiere beim 1,6-Liter-Benziner: Durch die Verstellung des Ventilhubs auf der Einlassseite wird die Frischgasmenge im Teillastbereich begrenzt, wodurch der Verbrauch gesenkt werden soll.

Den 1,6-Liter-Benziner stattet Mercedes als erster Automobilhersteller mit der einlassseitigen Ventilhubverstellung „Camtronic“ aus. Diese reduziert die Frischgasmenge und soll so den Verbrauch senken.
Den 1,6-Liter-Benziner stattet Mercedes als erster Automobilhersteller mit der einlassseitigen Ventilhubverstellung „Camtronic“ aus. Diese reduziert die Frischgasmenge und soll so den Verbrauch senken.
(Mercedes-Benz)

Der im A 180 und A 200 erhältliche Motor soll einen kombinierten Verbrauch von bis zu 5,4 Litern pro 100 Kilometer ermöglichen.

Zentrale Rolle: Fahrerassistenz

Die Fahrerassistenz spielt, wie mittlerweile bei zahlreichen Kompaktfahrzeugen, auch bei der A-Klasse eine zentrale Rolle. Der serienmäßige „Collision Prevention Assist“ warnt den eventuell abgelenkten Fahrer optisch und akustisch vor erkannten Hindernissen und bereitet den Bremsassistenten auf eine möglichst punktgenaue Bremsung vor. Diese wird eingeleitet, sobald der Fahrer das Bremspedal deutlich betätigt. Im Unterschied zu auf dem Markt befindlichen Systemen in der Kompaktklasse ist der Assistent nicht nur für den Stadtverkehr optimiert: Laut Mercedes schützt er vor Auffahrunfällen zwischen 30 und 250 km/h. Stehende Hindernisse kann er bis zu einer Geschwindigkeit von circa 70 km/h erkennen und entsprechende Warnungen ausgeben. Ebenfalls serienmäßig ist der „Attention Assist“, der anhand verschiedener Parameter die Aufmerksamkeit des Fahrers überwacht und bei Bedarf vor Übermüdung warnt.

Als Extra verfügbar sind unter anderem Totwinkel-, Fernlicht-, Spurhalte- und Parkassistent. Außerdem erkennt eine Kamera unter der Frontscheibe Geschwindigkeitsbegrenzungs-Schilder; eine Rückfahrkamera hilft beim Rangieren.Abstandsregeltempomat und Geschwindigkeitsregelanlage können ebenfalls geordert werden. Beim Doppelkupplungsgetriebe 7G-DCT ist letztere serienmäßig.

AMG-Version im Jahr 2013

Vor dem offiziellen Marktstart im September verzeichnet Mercedes nach eigenen Angaben mehr als 40.000 Bestellungen für die neue A-Klasse. Für März 2013 ist bereits eine AMG-Version angekündigt, die es in sich hat: der A 45 AMG mit Zweiliter-Turbo, 320 PS und variablem Allradantrieb. Mit einem Anschaffungspreis von gut 50.000 Euro richtet sich der Bolide an betuchte Fahrer mit sportlichen Ambitionen, die bisher bei Audi S3 und Co. fündig wurden.

Weitere Karosserieformen

Außerdem stehen weitere Karosserieformen auf der Agenda, für die bisher noch kein fester Termin bekannt ist. So wird es voraussichtlich ein viertüriges Coupé – CLA genannt – geben, das wie beim größeren CLS auch in der Kombivariante Shooting Break denkbar ist; darüber hinaus einen Dreitürer, ein kompaktes SUV und ein Cabrio. Speziell für den chinesischen Markt wird über eine Stufenheck-Version der A-Klasse gesprochen.

Inwieweit Mercedes seine ambitionierten Ziele im Premium-Kompaktsegment erreichen kann, wird die Zeit zeigen. Auf jeden Fall kann den Schwaben kein fehlender Mut zu Neuem unterstellt werden. Selbstbewusstsein alleine reicht jedoch nicht gegen die starke Konkurrenz. Im Moment sieht es noch nach einem ausgewogenen Mercedes-Audi-BMW-Dreikampf aus.

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