Neue Modelle Opel Astra: Einer, der sich bedienen lässt
Die Kompaktklasse ist nicht mehr wirklich hip, aber sie enthält noch immer die wichtigsten praktischen Allrounder der deutschen Fahrzeugflotte. Deshalb müssen sie einfach zu handeln sein – das hat Opel verstanden.
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Warum der aktuelle VW Golf nicht performt, weiß heute fast jeder, der sich für Autos interessiert. Als der neue Opel Astra entwickelt wurde, war es noch nicht so klar, wohin der Trend in Sachen Bedienkonzepte mittelfristig läuft. Umso bemerkenswerter, dass sich die Innenraum-Spezialisten in Rüsselsheim gegen Schalterminimalismus und die große Wischfläche entschieden haben. Zumal Opel in der Vergangenheit für überfrachtete Knöpfe-Konsolen schon saftige Kritik einstecken musste.
Motorjournalisten konnten sich im Rahmen einer Presse-Fahrvorstellung in Lissabon zum Wochenbeginn ein Bild davon machen, dass eigentlich alle wichtigen Funktionen beim neuen Astra über herkömmliche Bedienelemente mit einer einfachen Aktion steuerbar sind. Dabei sind die meisten Schalter und Knöpfe auch noch hochwertig verarbeitet. Ein schöner Kontrapunkt zu vielen aktuellen Cockpit-Designs, bei denen Vieles über den Bildschirm gesteuert werden muss – das sieht zwar schick aus, lenkt aber während der Fahrt teilweise ungemein ab.
Gut anzufassen
So ist beim neuen Astra zum Beispiel die Position des gut umgesetzten Head-Up-Displays (in Top-Ausstattung inklusive, sonst mit Navi ab 1.600 Euro) über den kleinen Joystick-Knopf in der Fahrertür veränderbar. Gerade dieses Element macht bei der Bedienung Spaß, weil es mit stark gefederten Druckpunkten bei Drehung des Knopfes deutlich spürbare Rückmeldung gibt.
Auch sonst ist der Innenraum ein kleinerer „Quantensprung“, wie ein Opel-Händler auf die Frage nach seinen Highlights bei der neuen Astra-Generation sagte. Gut gesetzte farbliche Akzente (ab den mittleren Ausstattungslinien), unterschäumte oder unterfütterte Oberflächen an den richtigen Stellen und eine sehr stimmige Fahrerperspektive durch konsequente Ausrichtung der relevanten Elemente auf links vorne. Der Wechsel vom GM- auf das Stellantis-Komponentenregal hat die Opel-Ingenieure offenbar inspiriert.
Das Infotainmentsystem besticht während der Fahrt neben seiner intuitiven Bedienbarkeit und einer fähigen Spracherkennung nicht zuletzt dadurch, dass es sich mit grellen grafischen Gimmicks zurückhält. Beim Umschalten auf den Fahrmodus „Sport“ überzeugt das Auto durch unmittelbaren Druck bei den üblicherweise in dieser Funktion anpassbaren Fahraspekten, nicht durch kitschige Lichtspiele.
Entspannt bis nach Italien
Ein weiterer Pluspunkt: Opel hat sich den Fokus auf substanziellen Sitzkomfort bewahrt. Auf den zehnfach verstellbaren „ergonomischen Aktiv-Sitzen“ (Serie bei den gehobenen Linien, Paket-Bestandteil oder für 700 Euro in der Basis-Linie) findet man nach ein paar Handgriffen schnell eine Konfiguration, mit der man gut bis an die Adria kommt.
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Astra-Hochlauf
Opel braucht „ab sofort Unterstützung“
Apropos Kontinuität: Opel beziehungsweise die österreichische ZKW-Gruppe hat das LED-Matrix-Licht weiterentwickelt (Serie in der Top-Linie, sonst 1.300 Euro). Schon in der Stadt fällt die gute, homogene Ausleuchtung auf – das Abbiegelicht ist bei langsamer Fahrt immer an. Die optimale Leuchthöhe wird bei jedem Fahrzeugstart von zwei Sensoren an der Vorder- und Hinterachse gesteuert, die den Beladungsgrad aufnehmen.
Im Jahr 2015 startete im Astra das Matrix-Licht mit 2 x 8 Leuchtelementen – heute sind es 2 x 84 in jeweils 3 Reihen in der Leuchte angeordnet. Durch die Vielzahl an Segmenten wird der Vorausfahrende oder der Gegenverkehr sehr exakt ausgeblendet. Das Umfeld bleibt stets hell erleuchtet. Dabei reichen die Scheinwerfer bis zu 350 Meter weit – weiter reicht auch das menschliche Auge bei Nacht nicht.
Bei der Integration der Technik hatten die Ingenieure auch das Schaden-Potenzial im Blick. „Bei leichteren Unfällen lösen sich Sollbruchstellen an den Haltepunkten des Gehäuses und die Lichteinheit taucht nach hinten ab“, erläuterte Opel-Lichttechnik-Chef Ingolf Schneider, der im Rahmen des Pressetermins eine Nachtfahrt begleitete. „Die Zahl an Rückläufern, die komplett ausgetauscht werden müssen, ist sehr gering.“
Ziel ist Platz 1, 2 oder 3
Zum deutschen Vertriebsziel für die Neuauflage des Kompakt-Klassikers ließ sich Opel-Deutschland-Chef Andreas Marx am Rande der Fahrzeugpräsentation keinen konkreten Hinweis auf das geplante Volumen entlocken. Zur Größenordnung der anvisierten Stückzahlen sagte er im Gespräch lediglich: „Grundsätzlich ist unser Ziel für alle Modelle, im jeweiligen Segment aufs Podium zu kommen.“
Im vergangenen Jahr kletterte der Astra K mit gut 31.000 Einheiten im Auslauf auch tatsächlich auf Position drei des Kompaktsegmentes. Dabei verkauften die Partner sogar ein paar Astras weniger als ein Jahr zuvor (siehe Grafik oben). Da der Seat Leon – der den Astra im Jahr 2020 erstmals überholt hatte – jedoch schwächelte und hinter den Rüsselsheimer Konkurrenten zurückfiel, konnte der Astra seinen Marktanteil und seinen Rang im Segment trotzdem steigern.
In Sachen Verfügbarkeit des so wichtigen neuen Modells in der Einführungsphase stehen die Ampeln derzeit auf grün. In den Bestellsystemen ist für den Fließheck-Astra nach Aussage von Handelspartnern eine Lieferzeit von vier Monaten hinterlegt. Für die Plug-in-Hybrid-Variante ist es etwas mehr. Der Kombi soll innerhalb von sechs Monaten lieferbar sein.
Zweite Schicht soll kommen
„Die Liefertermine sind realistisch. Wir haben in Rüsselsheim eines der modernsten Werke im Konzernverbund und im Zuge des Hochfahrens der Astra-Produktion gehen wir davon aus, auch die angekündigte zweite Schicht zu starten“, zeigte sich Andreas Marx optimistisch im Hinblick auf ausreichende Kapazitäten. „Ich sehe da keine Herausforderungen, warum die als Planungsgrundlage gesetzten Fristen nicht eingehalten werden sollten.“
Einen Termin für den Verkaufsstart bei den deutschen Vertragspartnern gibt es allerdings noch nicht. Was etwas irritiert, denn im Hinblick auf den möglicherweise zum Jahresende auslaufenden Umweltbonus muss Opel jetzt Gas geben, um insbesondere die Chancen im Geschäft mit Dienstwagennutzern über die PHEV-Variante des Astra maximal mitnehmen zu können. Zumal der Plug-In-Hybrid schon ab 36.700 Euro vor Förderung kommen wird.
Stimmiges Zusammenspiel
Schließlich noch der Fahreindruck: Grundsätzlich wirkten alle Antriebsarten auf den Testfahrten im portugiesischen Hinterland überzeugend, wobei der spritzige Hybrid, der im reinen E-Modus bis 135 km/h schnell läuft, eindeutig die Nase vorn hatte. Das Zusammenspiel von Verbrenner und E-Motor wirkte immer stimmig – lediglich die manchmal unplausible Stufenwahl der Automatik in hügeligem Gelänge sorgte ab und zu für einen emotionalen Downswing, zumal manuelle Eingriffe über die Schaltwippen durch die Elektronik rasch wieder überstimmt werden.
Zu wenig Rückmeldung
Das Fahrwerk mit McPherson-Federbeinen vorne und Verbundlenkerachse hinten ist Opel-typisch straff ausgelegt und hält die Karosserie in jeder Situation auf Linie. Die Lenkung ist direkt, könnte aber etwas feedbackfreudiger sein.
Auch beim sechsten Astra ist offensichtlich zu sparsame Dämmung zum Motorraum hin verlegt – die Arbeit der Bremsen ist schwach, die der Motoren etwas zu deutlich zu hören.
Suboptimal auch der Handschalter: Die Pedalstellung und ein langer Kupplungsweg in Verbindung mit einer etwas unpräzise geführten Schaltung lassen bei ambitionierter Fahrweise und schnellem Durchschalten keine Freude aufkommen. Dazu kommt der nicht angenehm zu fassende Schaltknauf. Dinge, nach denen man andauernd greift, sollten detailverliebter ausgestaltet werden. Das gilt im übrigen auch für die inneren Türgriffe.
Nichtsdestotrotz überwiegen die positiven Aspekte bei weitem: Der neue Astra kommt in zeitgemäßem Design mit einem wohltuend geerdeten Bedienkonzept. Die Motorenpalette ist ausreichend breit und die Preise angemessen. Jetzt müssen nur noch Verfügbarkeit und Verkaufsprogramme passen, dann steht einem Peak bei den Zulassungszahlen nichts mehr im Weg.
Astra-L-Zahlen
Der sechste Astra ist 4,37 Meter lang, 1,86 Meter breit und bis zu 1,47 Meter hoch.
Radstand: 2,68 Meter
Kofferraumvolumen: 422 bis 1.339 Liter (Plug-in-Hybrid: 352 bis 1.268 Liter)
1.2 Turbo
1,2-Liter-Dreizylinder-Turbo mit 81 kW/110 PS
Maximales Drehmoment: 202 Nm bei 1.750 U/min
0-100 km/h: 10,5 s
Vmax: 199 km/h
Durchschnittsverbrauch: 5,4-5,5 l
CO2-Ausstoß: 123-26 g/km (WLTP)
Abgasnorm: Euro 6d
Preis: ab 22.465 Euro
1.2 Turbo
1,2-Liter-Dreizylinder-Turbo mit 96 kW/130 PS
Maximales Drehmoment: 230 Nm bei 1.750 U/min
0-100 km/h: 9,7 s
Vmax: 210 km/h
Durchschnittsverbrauch: 5,4-5,7 l
CO2-Ausstoß: 123-29 g/km (WLTP)
Abgasnorm: Euro 6d
Preis: ab 25.560 Euro
1.5 Diesel
1,5-Liter-Vierzylinder mit 96 kW/130 PS
Maximales Drehmoment: 300 Nm bei 3.750 U/min
0-100 km/h: 10,6 s
Vmax: 209 km/h
Durchschnittsverbrauch: 4,3-4,5 l
CO2-Ausstoß: 113-19 g/km (WLTP)
Abgasnorm: Euro 6d
Preis: ab 28.660 Euro
Plug-in-Hybrid
1,6-Liter-Vierzylinder-Otto mit Turboaufladung plus Elektromotor vorne
Systemleistung 133 kW/180 PS
Maximales Drehmoment: 360 Nm bei 1.750 U/min
0-100 km/h: 7,6 s
Vmax: 225 km/h (135 km/h elektrisch)
Durchschnittsverbrauch: 1,0-1,1 l sowie 14,2-15,1 kWh/100 km
CO2-Ausstoß: 22-26 g/km (WLTP)
Abgasnorm: Euro 6d
Preis: ab 36.710 Euro
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