Digitalisierung Plattformanbieter Wunder: Neue Mobilität, neue Zulieferer
Wunder Mobility ist zurück auf dem deutschen Markt – nun als Technologiezulieferer und nicht mehr als Fahrdienstbetreiber. Über die Pläne des Hamburger Start-ups.
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Die orangen Leihroller von Emmy kennt man in einigen deutschen Großstädten längst. Und in Berlin und Hamburg hat wohl schon so mancher das Carsharing des Betreibers Driveby genutzt. Was die Angebote gemeinsam haben: Beide laufen mit einer Software von Wunder Mobility.
Wunder wurde 2014 von Gunnar Froh in Hamburg gegründet und bietet Start-ups, Herstellern, Zulieferern, Städten und anderen Betreibern von Mobility Services die nötige Software. Das ist ein Kurswechsel. Denn anfangs wollten die Hanseaten Mitfahrgelegenheiten anbieten. Dieses Geschäftsmodell hat in Deutschland gegen die strengen Personenbeförderungsgesetze verstoßen; und daher hat sich Wunder vor zwei Jahren vom Markt hierzulande verabschiedet: Richtung Osteuropa, Philippinen oder Indien beispielsweise.
Schnelles Wachstum geplant
Nun, um viele Erfahrungen reicher, hat sich Wunder zurückgemeldet – nicht ohne Aufsehen. 26 Millionen Euro hat das 2014 gegründete Hamburger Unternehmen vor Kurzem eingesammelt. Die Finanzspritze nutzt Wunder, um schnell zu wachsen. Das Mobility-Start-up will sich bis Sommer verdoppeln: Rund hundert Mitarbeiter beschäftigt das Mobility-Start-up aktuell, im Sommer sollen es schon 150 bis 200 sein. „Wir werden primär Entwickler einstellen“, sagt Gunnar Froh.
Die rekrutiert er vor allem von anderen Mobilitätsfirmen. „Dafür durchsuchen wir unter anderem Profile auf Programmierer-Plattformen, sprechen Personen über Empfehlungen an und schauen uns in der Branche um. Wir stellen ein Team zusammen, das bereits in der Industrie Erfahrung hat.“ Und erst kürzlich kauften die Hanseaten den Carsharing-Software-Anbieter Fleetbird aus Dortmund.
Shuttles sollen die Mobilität in Städten von Grund auf verbessern. Viele Hersteller und Zulieferer arbeiten an Transportfahrzeugen, die bestenfalls automatisiert Fahren und Gäste transportieren. Auch auf der CES in Las Vegas zeigen aktuell viele Zulieferer ihre Technik – oft schon seriennah und konkret. Und erst gestern hat der E-Sammeltaxi-Anbieter Moia sein eigens entwickeltes E-Fahrzeug in Hamburg für die letzte Testphase auf die Straße gebracht. Ab April sollen zunächst 100 Fahrzeuge, die über eine App gesteuert bis zu sechs Fahrgäste mit ähnlichen Fahrtrouten gemeinsam transportieren können, eine Ergänzung zu bestehenden Angeboten wie Bus und Bahn, Taxis und Carsharing bieten. In Hannover gehört Moia schon seit dem Sommer zum öffentlichen Betrieb.
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Hannover Messe 2018
Volkswagen stellt elektrisches Moia-Fahrzeug vor
Wunder will kein Betreiber mehr sein
Wunders Portfolio umfasst Software, Hardware sowie operative Dienstleistungen für Rufbusse, Car-, Bike- und Scooter-Sharing sowie Carpooling, also Mitfahrzentralen in 35 Städten auf vier Kontinenten. Weltweit gibt es sechs Büros, Hamburg und Dortmund sind die deutschen Standorte. Hierzulande will das Unternehmen kein Betreiber sein, sondern als Technologiezulieferer Whitelabel-Plattformen konzeptionieren. „Die Spezialisierung bei den Mobilitätsdiensten nimmt in den letzten Jahren zu“, sagt Gunnar Froh. Während früher einzelne Teams alles „aus einer Hand“ auf den Markt gebracht haben, teilen sich jetzt verschiedene Akteure die Rollen von Betreiber, Hardwarehersteller und Softwareanbieter. Denn die Mobility Services würden zunehmend komplexer und müssten viel mehr Fahrten abwickeln können.
„Etwa 80 Prozent der Wertschöpfung in der Autoindustrie kommen von Zulieferern. Das wird bei den neuen Mobilitätsdiensten genauso sein“, sagt Froh. Wunder beliefert beispielsweise BMW, Daimler, den japanischen Zulieferer Marubeni und das Transportunternehmen VB Bachstein. Umsatz generiert der Tech-Zulieferer über Lizenzgebühren. Die Shuttle- und Flottendienste tragen etwa gleich zu 80 Prozent des Umsatzes bei, das Carpool-Geschäft liefert den Rest. Etwa zehn deutsche Stadtwerke hätten im letzten halben Jahr angeklopft, sie alle wollen ihr Angebot verbessern und dabei Kosten senken. Die Lösung soll ein dynamischerer ÖPNV sein.
Wunder Mobility setzt auf neue Wege der Monetarisierung
„Wir glauben, dass die Rolle der Städte bei den Mobilitätsservices insgesamt noch unterschätzt wird“, sagt Froh. Momentan würden diese die vielen Aktivitäten eher beobachten, doch langfristig würden sie selbst als Betreiber oder Regulierer auftreten wollen.
Glaubt man Gunnar Froh, wird es künftig auch nur eine große Plattform geben statt vieler Apps. Wunder selbst will sie bauen und plant gerade Projekte mit zwei nordamerikanischen Städten. Jeder Betreiber eines Mobilitätsservices soll sein Angebot – ob Carsharing, Taxifirma oder Mitfahrzentrale – in diese Plattform integrieren. Das bringt nicht nur dem Nutzer Erleichterung: Durch die Daten kann der Verkehr besser geplant werden, und auch eine Besteuerung der Dienste wäre einfacher.
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Mobilität
Gunnar Froh: „Die Mobilitätswende gemeinsam vorantreiben“
Könnten nicht Anbieter wie Uber, Lyft oder Daimlers Mobilitätsmarke Moovel diese Plattform liefern? Das findet Froh schwierig: durch ihre Rolle als Betreiber fehle die Neutralität. Auch aus diesem Grund will Wunder keine eigenen Mobilitätsservices betreiben.
Die Monetarisierung, glaubt Gunnar Froh, werde künftig nicht mehr ausschließlich über einen Fahrpreis gehen. Stattdessen könnten zusätzlich werbefinanzierte Modelle oder Daten den Transport bezahlen. Als Betreiber, sagt Froh, sollte man sich nicht mehr nur auf den Fahrpreis verlassen, sondern auch andere Wege der Monetarisierung finden.
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