Bad Münstereifel, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Stolberg: drei Standorte von Automobilzulieferern, deren Werke nach der Flut Mitte Juli nicht mehr produzieren können. Bei einem Zulieferer ist unklar, ob es überhaupt weitergeht.
Das Werk von Auto Heinen in Bad Münstereifel: Rund 1,5 Meter hoch stand das Wasser in der Fertigung.
(Bild: Vogel Communications Group)
Mit rund 250 Mitarbeitern, hoher Kompetenz in der Metallverarbeitung und einem modernen Maschinenpark gehörte Auto Heinen zu den typischen mittelständischen Automobilzulieferern, die ihren festen Platz in der Lieferkette haben. Der Spezialist für Alu-Druckguss fertigte unter anderem Getriebebauteile, Drosselklappen und Lenkgehäuse für Bosch, Continental, Ford, Jaguar Land Rover, Magna, Mercedes, Schaeffler und ZF.
Aktuell fertigt das Werk aber nichts mehr, und das wird zunächst so bleiben. Das Hochwasser am 14. und 15. Juli 2021 zerstörte den einen Werksteil komplett und den zweiten zu mehr als 50 Prozent.
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Das Werk von Auto Heinen in Bad Münstereifel: Rund 1,5 Meter hoch stand das Wasser in der Fertigung.
(Bild: Vogel Communications Group)
Mit rund 250 Mitarbeitern, hoher Kompetenz in der Metallverarbeitung und einem modernen Maschinenpark gehörte Auto Heinen zu den typischen mittelständischen Automobilzulieferern, die ihren festen Platz in der Lieferkette haben. Der Spezialist für Alu-Druckguss fertigte unter anderem Getriebebauteile, Drosselklappen und Lenkgehäuse für Bosch, Continental, Ford, Jaguar Land Rover, Magna, Mercedes, Schaeffler und ZF.
Aktuell fertigt das Werk aber nichts mehr, und das wird zunächst so bleiben. Das Hochwasser am 14. und 15. Juli 2021 zerstörte den einen Werksteil komplett und den zweiten zu mehr als 50 Prozent.
Alle Aufträge an andere Produzenten weitergegeben
Auto Heinen gehört zur Südtiroler Scherer-Gruppe. Deren Gründer Meinrad Scherer hatte das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Theodor vor zwölf Jahren aus der Insolvenz heraus erworben und seitdem konsequent modernisiert. Er äußert sich in einem Interview mit der Lokalzeitung „Dolomiten“ zu den Schäden und der Zukunft des Zulieferers: „Derzeit müssen wir alle Aufträge unserer Kunden an andere Produzenten weitergeben und können noch nicht bewerten, welche wir wieder zurückbekommen.“
60 Millionen Euro Schaden
Scherer schätzt die Schäden auf rund 60 Millionen Euro. Sie sind versichert, aber mit einer Wiederaufnahme der Produktion sei nicht vor Ende 2022 zu rechnen. Ein Trost für die Mitarbeiter, von denen viele auch privat von der Flut betroffen sind: Sie erhalten in den kommenden Monaten ihr volles Gehalt. Und: Noch im August wird, so Scherer, die Entscheidung fallen, wie es weitergeht. Immerhin hat der Standort Bad Münstereifel die Hälfte des Gruppenumsatzes erwirtschaftet.
Worst case: Bänder in der Autoproduktion stehen still
Welche Auswirkungen der Stillstand bei Auto Heinen auf die (End-)Kunden in der Automobilindustrie hat, ist noch nicht abzusehen. Die Kunden ziehen ihre Werkzeuge ab und suchen Gießereien, die einspringen können – was schon deshalb schwierig ist, weil Auto Heinen auch nachfolgende Bearbeitungs- und Montagevorgänge übernommen und einbaufertige Module mit bis zu 40 Komponenten geliefert hat.
Ein Insider, der das Unternehmen kennt, ist fest davon überzeugt, dass es nach dem Ende der Werksferien in einigen Automobilwerken zu Stillständen bei der Produktion bestimmter Modellreihen kommen wird, weil den Kunden die Umstellung auf andere Zulieferer nicht so schnell gelingen kann. Dann sind es nicht die Halbleiter, die – wie aktuell beim Ford Fiesta – fehlen, sondern Alu-Druckgussteile.
ZF: Keine Ventile für Dämpfungssysteme
Rund vierzig Kilometer weiter östlich, im ZF-Werk Bad Neuenahr-Ahrweiler, hat die Ahr ähnliche Schäden angerichtet wie die Erft bei Auto Heinen. Bis zu zwei Meter hoch stand das Wasser in den Hallen, in denen normalerweise rund 280 Mitarbeiter Ventile für elektronische, semi-aktive Dämpfungssysteme fertigen.
Zurzeit ruht die automatisierte Produktion. Wann sie wieder aufgenommen werden kann, ist noch offen, so ein ZF-Sprecher: „Wir werden Monate benötigen, bis wir die volle Kapazität des Werks Ahrweiler wieder erreichen können. Stand heute müssen alle Montageanlagen komplett wieder aufgebaut werden. Derzeit etablieren wir in Ahrweiler und mehreren weiteren Standorten manuelle Montagen.“
Zusätzlich arbeitet ZF daran, Ersatzfertigungen mit unterschiedlichen Automatisierungsgraden aufzubauen. Ziel dabei ist es – so der Sprecher –, diese Phase in enger Abstimmung mit den Kunden zu überbrücken, ohne die Produktion von Fahrzeugen einzuschränken.
Stillstand auch bei Aurubis Stolberg
Stark betroffen vom Hochwasser ist auch die Aurubis Stolberg in Stolberg bei Aachen. Sie stellt mit rund 400 Mitarbeitern hochpräzise Bänder und Drähte aus Kupfer her und die Automobilindustrie gehört zu den wichtigsten Abnehmerbranchen. Aktuell ruht der Betrieb, die Schäden werden beseitigt und die Produktion am Standort soll so schnell wie möglich wieder anlaufen. Wann das sein wird, ist allerdings – Stand Mitte August – genau wie bei ZF noch offen.
Immerhin: Niemand verletzt
Drei positive Aspekte sind immerhin noch zu erwähnen: In allen drei betroffenen Werken wurde niemand durch das Hochwasser verletzt. Die Hilfsbereitschaft, so die Geschädigten, ist ebenso groß wie das Engagement der Belegschaft beim Bemühen, die Schäden zu beseitigen. Und die drei Produktionsstätten sind offenbar die einzigen, die Zulieferteile für die Automobilindustrie herstellen und die flutbedingt ihre Produktion einstellen mussten.