Fahrverbote in Städten Reaktionen: Leipziger Diesel-Urteil schürt Unsicherheit
Welche Auswirkungen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu den Fahrverboten haben wird, bleibt noch unklar. Doch die Interessengruppen sehen zum Teil schwerwiegende Folgen. Laut einer EY-Hochrechnung drohen finanzielle Verluste in Milliardenhöhe.
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Das Leipziger Verwaltungsgericht hat mit seinem Urteil nun Rahmenbedingungen geschaffen, an denen sich die von erhöhten Emissionswerten betroffenen Städte mit ihren Maßnahmen orientieren müssen. Doch deren Ausgestaltung bleibt weiterhin offen. Entsprechend setzt sich die Phase der Unsicherheit für die von möglichen Fahrverboten betroffenen Dieselfahrzeuge fort. Bundesweit betrifft das laut der Wirtschaftsberatung EY gut zehn Millionen Pkw und zwei Millionen Nutzfahrzeuge.
„Unabhängig davon, in welchem Umfang Fahrverbote tatsächlich umgesetzt werden: Allein die Möglichkeit von Fahrverboten wird das Vertrauen in die Technologie weiter schwächen und die Gebrauchtmarktpreise purzeln lassen“, erwartet EY-Partner Peter Fuß. Die entsprechenden finanziellen Verluste für Privatpersonen, Gewerbetreibende und Kommunen werden in die Milliarden gehen. Als weitere Folge könnte Dieselmarktanteil laut Fuß im Lauf des Jahres noch unter die 25-Prozent-Marke fallen.
Auch Restwertspezialist Schwacke geht davon aus, dass die Preise gebrauchter Diesel weiter nachgeben. Solange keine klaren politischen Entscheidungen gefällt werden würden, wie beispielsweise verpflichtende Nachrüstung oder bundesweite Fahrverbote, bleibe es bei Einzelfallentscheidungen von Gerichten wie in Stuttgart und Düsseldorf mit unterschiedlichen Auswirkungen und Konsequenzen, befürchtet Schwacke-Geschäftsführer Thorsten Barg.
Entsprechend fordert das Kfz-Gewerbe, endlich für Klarheit zu sorgen. „Dringender denn je brauchen wir jetzt eine Nachrüstverordnung für ältere Dieselfahrzeuge“, forderte ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. Nun müsste auf Bundesebene so schnell wie möglich eine Verordnung mit Nachrüstungskriterien auf den Weg gebracht werde. Die Nachrüstung durch private wie gewerbliche Halter müsse – nach dem Vorbild der Rußpartikelfilter – öffentlich gefördert werden. Die Automobilhersteller sehe man in der zumindest moralischen Pflicht, gleichfalls Mittel für die Nachrüstung ihrer Produkte beizusteuern.
Masterplan ist notwendig
Diese Nachrüstverordnung könnte ein wesentlicher Bestandteil des vom baden-württembergischen Kfz-Gewerbe geforderten Masterplans zur Luftreinhaltung sein, der klar regelt, wie es mit der Schadstoffverringerung weitergeht. „Ein Flickenteppich von unterschiedlichen Fahrverbotsregelungen, die zudem kaum kontrollierbar wären, muss verhindert werden, denn das führt zu weiterer Verunsicherung der Fahrzeugkäufer“, betont Carsten Beuß, Hauptgeschäftsführer des Verbandes. „Der Bund muss stattdessen schnell einen verbindlichen Rahmen schaffen.“
Ein solcher Masterplan müsste aus Sicht des Landesverbandes vor allem drei Aspekte regeln:
- Wie erreicht man eine schnelle Modernisierung der Fahrzeugflotte hin zu schadstoffärmeren Fahrzeugen? Dabei sei vor allem die Hardware-Nachrüstung das Mittel der Wahl.
- Wie wird das Sonderproblem der Euro-5-Diesel gelöst, bei denen nachweislich manipuliert wurde, und die deshalb die Grenzwerte nicht einhalten?
- Wie kann bei lokalen Verkehrsbeschränkungen durch lokale Luftreinhaltepläne dafür gesorgt werden, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt?
Beuß erneuerte in der Euro-5-Frage die Forderung nach einem Nachrüstfonds, der über Hersteller und Importeure entsprechender Fahrzeuge mitfinanziert wird. Im Übrigen sei man auch für eine geförderte Nachrüstung auf freiwilliger Basis offen. „Dies wäre ein pragmatischer Ansatz, schnell zu Lösungen kommen zu können.“
Wirtschaftsverbände melden sich zu Wort
In der Politik geht dagegen das Gezerre um den Umgang mit den Emissionsgrenzwerten weiter. Die bayerische Staatsregierung bleibt bei ihrem Nein zu pauschalen Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in Großstädten. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet will „alles tun", um die Richtwerte für Stickoxid möglichst ohne Fahrverbote für Diesel zu erreichen“. FDP-Chef Christian Lindner sieht in dem Urteil einen „Schlag gegen Freiheit und Eigentum“ und eine „kalte Enteignung“ der Dieselbesitzer.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) sieht durch das Urteil viele kleinere und mittlere Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet. Damit es nicht zu einem „faktischen Berufsverbot“ komme, fordert auch der BVMW eine Hardware-Nachrüstung der betroffenen Fahrzeuge auf Kosten der Autobauer. Auch der ADAC fordert von den Herstellern eine Nachrüst-Offensive ohne dass die Autofahrer dafür zahlen müssen.
Naturgemäß auf Zustimmung stieß das Urteil bei den Verbänden, die sich für den Umweltschutz und alternative Energien einsetzen. Gleichzeitig forderten etwa Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe, Naturschutzbund und Verkehrsclub Deutschland die Einführung der blauen Plakette, um dem Verbotsflickenteppich entgegenzuwirken. Der Zukunft Erdgas e.V. wies einmal mehr auf die „gute Alternative zum Diesel“ hin, dem Erdgas. Als Kraftstoff verbrannt, setzt es 23 Prozent weniger CO2, 50 Prozent weniger Staub als Diesel und nahezu keine Stickoxide frei. Und der Deutsche Verband Flüssiggas fordert eine breit angelegte Mobilitätsstrategie, die „schadstoffarme Alternativen wie Autogas effektiver einbindet“.
Interessant ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf jeden Fall für die Juristen. Angesichts des drohenden Wertverlusts durch die Fahrverbote raten die Kanzleien Hahn Rechtsanwälte (Stuttgart), Stoll & Sauer (Lahr) und Kraus Ghendler Ruvinskij (Köln) bei Abschalteinrichtungen Schadenersatzansprüche geltend zu machen, eine Rückabwicklung zu fordern und insbesondere bei Finanzierungen den Kreditvertrag auf formale Fehler hin zu prüfen.
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