Fahrbericht Skoda Kamiq: Kleines City-SUV überragt

Autor Jens Scheiner

Der Kamiq ist das dritte und kleinste SUV im Skoda-Portfolio. Dennoch überzeugt der Tscheche mit seiner Größe sowie dem durchzugsstarken Vierzylinder.

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Der Kamiq ist das kleinste SUV im Skoda-Portfolio, zeigt im Test aber wahre Größe.
Der Kamiq ist das kleinste SUV im Skoda-Portfolio, zeigt im Test aber wahre Größe.
(Bild: Jens Scheiner/»Automobil Industrie«)

Bei Daimler fangen die Namen aller SUV mit GL und bei Audi mit Q an, und tragen damit zu einer verständlichen Modellpolitik bei. Bei Skoda beginnen alle SUV mit einem K und enden mit einem Q: Kodiaq und Karoq machten den Anfang. Der Kamiq, das dritte und bislang kleinste SUV, führt die Nomenklatur der VW-Tochter nahtlos weiter. Wie bei seinen großen Brüdern, stammt auch der Name des Mini-SUV aus der Sprache der Inuit und bedeutet so viel wie „etwas, das perfekt passt.“

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Luftiger Innenraum mit guter Verarbeitung

Und irgendwie trifft dieser Marketingslogan tatsächlich auf den Kamiq zu, besonders für die Fondpassagiere: Wie seine Schwestermodelle VW T-Cross und Seat Arona basiert auch der Skoda Kamiq auf der MQB-A0-Plattform des VW-Konzerns, will aber von der Bezeichnung Mini-SUV nichts wissen. Mit einem Radstand von 2,65 Metern und einer Länge von 4,24 Metern überragt er nicht nur den VW T-Cross (2,55 Meter/4,11 Meter), sondern übertrifft sogar den höher positionierten VW T-Roc um einen Zentimeter in der Karosserielänge.

Spürbar wird das Wachstum vor allem im Fond: Selbst wenn ein überdurchschnittlich großer Fahrer mit 1, 90 Metern den Sitz weit nach hinten schiebt, freuen sich ebenso große Heckpassagiere über unendliche Weiten für die Knie. Und auch der Kopf lässt sich ohne Dachkontakt in luftige Höhen strecken. Abgerundet wird das Raumgefühl mit dem großflächigen Panoramaglasdach (für 780 Euro Aufpreis), das sich zwar nicht öffnen lässt, aber den Innenraum mit Licht flutet.

Raum nicht optimal genutzt

Bei so viel Raumgefühl haben die Ingenieure wohl vergessen die verschiebbare Rücksitzbank aus dem T-Cross zu übernehmen, nicht so „simply clever“. Dafür sind gegen Aufpreis ein doppelter Ladeboden, Wendematte und Gepäckhaken im Kofferraum unseres Testwagens dabei. Mit 400 bzw. 1.395 Litern befindet sich der Kamiq im klassenüblichen Durchschnitt.

Überdurchschnittlich bequem sind die optionalen Sportsitze sowohl im Fond, und besonders für Fahrer und Beifahrer. In schnellen Kurvenpassagen und abrupten Richtungswechseln halten sie fest im Sattel und auch auf längeren Strecken ist das Gestühl dank der guten Polsterung erstaunlich komfortabel. Selbst das Erklimmen der Sitze gelingt dank der erhöhten Bodenfreiheit spielend einfach.

Insgesamt ist die Materialauswahl und Verarbeitung im Innenraum tadellos: Die Sportsitze sind mit einem hochwertigen Stoffbezug in Rautenmuster sowie Alcantara-Einsätzen überzogen und das Cockpit besteht aus unterschäumten Kunststoff sowie Alu- und Chrom-Applikationen. Insgesamt wirkt es übersichtlich und aufgeräumt. Der 9,2 Zoll große Touchscreen thront mittig auf der Armatur und liegt damit gut im Blickfeld des Fahrers. Gleiches gilt für das frei konfigurierbare digitale Kombiinstrument des Kamiq.

Infotainment und Assistenten mit Schwächen

Das Infotainmentsystem nutzt den aktuellen MIB3 (Modularer Infotainmentbaukasten der dritten Generation) aus dem Hause Volkswagen. Die Menüführung ist simple und nicht unnötig verschachtelt; man findet sich schnell zurecht. Gleiches gilt für die Navigation, die sich auch zuverlässig per Sprachsteuerung aktivieren lässt. Wer lieber mit Google Maps unterwegs sein will, der kann sein iPhone kabellos und einfach über Apple CarPlay verbinden und starten. Ganz ohne Touchfunktion kommt auch die Klimaanlage nicht aus: Zwar lässt sie sich klassisch mit Drehreglern und Tasten bedienen, dennoch muss man die Lüftungsstärke über einen Knopf aktivieren, um dann etwas kompliziert im Touchscreen-Menü einen Regler hoch- und runterfahren. Nicht ganz so benutzerfreundlich.

Problemlos hingegen arbeiten die Assistenzsysteme mit ein paar kleinen Ausnahmen: Die Verkehrszeichenerkennung beispielsweise hat hin und wieder das falsche Tempolimit vorgegeben und der Fernlichtassistent hat beim Abschalten des Fernlichts teilweise etwas träge funktioniert und so den Gegenverkehr geblendet. Dafür hat der Spurhalteassistent zuverlässig die Fahrbahnmarkierungen erkannt und das Fahrzeug sanft in der Spur gehalten.

Auch die Distanzregelung hat ihren Dienst tadellos verrichtet, besonders auf der Autobahn: Selbst bei unserem Testwagen mit knackig schaltendem 6-Gang-Getriebe hat das System das Tempo an den Vordermann angepasst. Sogar ein Gangwechsel war ohne Funktionsverlust möglich, denn auch im ausgekuppelten Zustand bleibt der Geschwindigkeitsregler in Betrieb und das bis zu einer Geschwindigkeit von 210 km/h.

Durchzugsstarker Vierzylinder mit Zylinderabschaltung

Auf dieses Tempo haben wir das Crossover-SUV zwar nicht getrieben, aber selbst bei 170 km/h ist dem 1.5 TSI deutlich anzumerken, dass er noch über Reserven verfügt. Der Top-Benziner mit 110 kW/150 PS treibt den Kamiq zu jederzeit kraftvoll und souverän an, dafür stehen dem Crossover das maximale Drehmoment von 250 Newtonmetern bereits ab 1.500 Touren zur Verfügung. Bei zügiger Fahrt pendelt sich der Kraftstoffverbrauch knapp unter zehn Liter ein. Bei gemütlicher Fahrt schaltet der Vierzylinder im Teillastbetrieb unbemerkt zwei Kolben ab. Lediglich eine kleine grüne „Eco“-Anzeige im optionalen Digital-Kombiinstrument weist auf den Zweizylinder-Betrieb hin. Der Verbrauch sinkt im Stadt- und Überlandverkehr auf rund 5,9 Liter. Dafür braucht der Antriebsstrang im „Eco-Modus“ beim Kick-down ein paar Sekunden um sich zu sortieren, bevor er unter lautem Johlen Fahrt aufnimmt.

Grundsätzlich verhält sich das Triebwerk akustisch aber zurückhaltend auch dank der guten Innenraumdämmung. Fahrwerk und Lenkung sind komfortabel ausgelegt, insgesamt aber nicht zu weich, schwammig oder indirekt. Der Kamiq federt Fahrbahnunebenheiten geschmeidig weg und hat selbst in steilen Kurven wenig Seitenneigung. Die Lenkung ist leichtgängig genug, ohne dass es an Präzision fehlt.

Crossover SUV für die Masse?

Im „Sport-Modus“ muss das Volant mit etwas mehr Kraft bewegt werden; die Lenkung wirkt deutlich straffer. Auch hängt der 1,4 Tonner deutlich lebhafter am Gas und spricht sofort auf die kleinste Fußbewegung am rechten Pedal an. Genau wie die Abstimmung der beiden Fahrmodi, ist den Tschechen das Kompakt-SUV insgesamt gut gelungen: moderne Infotainment- und Fahrassistenzsysteme sowie großzügige Platzverhältnisse könnten den Kamiq zu einem Verkaufsschlager machen. Unser Testwagen mit der Style-Ausstattung bekommt man ab etwa 28.000 Euro; mit einigen Extras knackt man allerdings schnell die 30.000-Euro-Marke.

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