Fahrbericht Audi A6 Avant 50 TDI Quattro: Technikträger mit Wow-Effekt

Von Thomas Günnel

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Der neue Audi A6 Avant ist seit rund anderthalb Jahren auf dem Markt. Wie fährt er sich, dick motorisiert und fast voll ausgestattet?

Audi hat den neuen A6 Avant vor rund anderthalb Jahren auf den  Markt gebracht. Wie schlägt sich der große Kombi im Test?
Audi hat den neuen A6 Avant vor rund anderthalb Jahren auf den Markt gebracht. Wie schlägt sich der große Kombi im Test?
(Bild: Thomas Günnel/Automobil Industrie)

Wir müssen über Geld reden. Genauer: über 94.539,97 Euro. So viel will Audi für seinen A6 Avant – zugegeben: nahezu mit Vollausstattung, und die hat es in sich. Kleiner Auszug: Leder Valcona perforiert mit Biese, Bang & Olufsen Premium Sound System mit 3-D-Klang, Akustikverglasung für Tür- und Seitenscheiben, Holz Birkenmaser achatgraunaturell, HD Matrix LED-Scheinwerfer, 20-Zoll-Räder – das klingt schon gut.

Im Grundpreis von 63.499,99 Euro ist das alles nicht enthalten. Der Käufer hat bei der Differenz von rund 31.000 Euro außerdem die Wahl: Entweder das „Alles was geht“-Feeling oder zum Beispiel einen A3 als Zweitwagen. Der ist ganz neu, gelungen; und kostet als Sportback ab 26.800 Euro. Da bliebe sogar noch was übrig.

Wie früher: Sechs Zylinder, Diesel, Drehmoment

Aber gut, lassen wir uns auf darauf ein: All-in für ein gehobenes Familienauto. Dann bekommt der Käufer geballte Technik im schicken Gewand und kann damit sehr entspannt auch lange Strecken angehen. Im Testwagen sorgt ein Sechszylinder-Diesel für Vorschub. Er leistet 210 Kilowatt, also 286 PS, und hat mit einem Drehmoment von 620 Newtonmetern zwischen 2.250 und 3.000 Umdrehungen leichtes Spiel mit dem großen Kombi.

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Einsteigen. Dabei fällt auf, dass die Türe deutlich leichter öffnet, als bislang. Der Grund dafür sind Mikrotaster im Griff und ein elektrisches Schloss in der Tür – den Kraftaufwand für das eigentliche Öffnen übernimmt ein elektromechanischer Steller.

Sehr gute Sitze, viel Platz

Der Sitzkomfort der „Individualkontursitze“ ist sehr gut, sie lassen sich in allen möglichen Richtungen einstellen. Oberschenkelauflage und die Seitenlaschen von Sitz und Lehne sind separat einstellbar, auch mit 1,97 Metern sitzt es sich bequem. Die Massagefunktion hat diverse Modi, die auf so klangvolle Namen hören wie „Welle“, „Klopfen“ oder „Stretch“. Das Ganze gibt es in drei Intensitäten. Beheizt und belüftet sind die Sitze ebenfalls.

Reichlich Platz gibt es auch auf der Rücksitzbank, auf der auch wirklich große Menschen ohne Kopf-Kontakt mit dem Dachhimmel aufrecht sitzen können und genug Beinfreiheit haben; die rund fünf Meter Fahrzeuglänge wirken sich hier positiv aus. Das Klima lässt sich hinten natürlich separat für die äußeren Sitzplätze einstellen. In den Gepäckraum passen zwischen 1.050 und 1.680 Liter, Verzurrösen und Netze halten die Ladung an ihrem Platz.

Fahrerorientiertes, digitales Cockpit

Aber wieder zurück auf den Fahrersitz. Wirklich gelungen ist die Kombination aus den beiden Displays in der Mittelkonsole. Sie sind sehr gut integriert und ergonomisch sinnvoll leicht zum Fahrer hin gedreht – was ihre Bedienung während der Fahrt deutlich vereinfacht. Das obere Display hat eine Diagonale von 10,1 Zoll, beinhaltet die üblichen Funktionen von Infotainment und Navigation und lässt sich deaktivieren; was hier aber nicht notwendig ist.

In anderen Fahrzeugen mit zumeist auf der oberen Kante des Cockpits montierten Bildschirmen suche ich in aller Regel nach einem Ausschalter, weil viele der Displays nachts zu „Lampen“ mutieren und auf bekannten Strecken Informationen zeigen, die nicht benötigt werden und die schlimmstenfalls ablenken. Wer erinnert sich noch an Saabs „Black Panel“?

Keine mechanischen Schalter, keine Menü-Untiefen

Das untere Display ist 8,6 Zoll groß und hat zwei Funktionen. Eine ist das Bedienen der Klimaanlage. Fahrer die nach dem Kauf einmalig die beiden Einstellungen „21 Grad“ und „Auto“ vornehmen fragen zurecht, ob es dafür ein eigenes Display braucht. Andererseits ist das Konzept konsequent: keine mechanischen Schalter und die wichtigsten Funktionen sind so ohne Menü-Untiefen erreichbar, was in geringer Ablenkung resultiert.

Sollte der Fahrer doch abgelenkt sein, passt eine Armada von Assistenzsystemen auf: Je nach Ausstattung sind bis zu fünf Radarsensoren, fünf Kameras, zwölf Ultraschallsensoren und ein Laserscanner an Bord. Die entsprechenden Assistenten helfen beim Halten der Spur, beim Ausparken quer zur Fahrbahn, beim Bremsen, Ausweichen oder Abbiegen und in Engstellen, zum Beispiel in Autobahnbaustellen. Kurz: Der Fahrer ist nie alleine.

Suchbegriffe ins Display schreiben

Die zweite Funktion des Displays erscheint, wenn der Fahrer zum Beispiel nach einem Musiktitel oder einem Radiosender sucht. Diesen kann er ins Display schreiben – und zwar auf der gesamten Displayfläche und auch mit Buchstaben übereinander. Das System erkannte im Test zuverlässig auch provoziertes „Durcheinander“ auf dem Screen. Suchen lässt sich auch per Spracheingabe, die Trefferquote, also das Verstehen des Systems, ist sehr gut. Das dritte Display ist das hinter dem Lenkrad. Es ist 12,3 Zoll groß und wie gewohnt konfigurierbar.

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Nochmal zurück zu den mechanischen Schaltern. Ein paar gibt es noch: um die Lautstärke des Infotainments zu regeln, Taster für Licht und den Parkassistenten, eine Schnellwahltaste für die Assistenzsysteme und am Lenkrad. Alle anderen „Tasten“ sind auf den Touchdisplays simuliert: Mittels haptischer und akustischer Rückmeldung entsteht der Eindruck, auf einen echten Taster zu drücken. Das erleichtert die Bedienung ungemein. Herkömmliche Displays fordern häufig mehr Aufmerksamkeit als während der Fahrt gut ist, um zum Beispiel per Aufblinken mitzuteilen: „Ja, Sie haben das Icon getroffen“.

Raumschiff-Feeling bei Nacht

Anderes Thema: Der Innenraum bei Dunkelheit: Wow! Die Anordnung der Displays, Ambientelicht – nur wenige Innenräume wirken so modern. Farbe und Helligkeit der stimmungsvollen Beleuchtung lassen sich natürlich regeln, getrennt für LED-Leisten und Flächen und für den Fußraum natürlich auch. Da nur ohne Farbe. Macht nichts – Raumschiff-Feeling kommt auch so auf.

Für einen entspannten Flug durch die Nacht sorgen das Luftfederfahrwerk und die Allradlenkung. Das bedeutet: adaptive Dämpfer und mitlenkende Hinterachse. Über 60 km/h lenken die Hinterräder dabei mit den Vorderrädern ein, unter 60 km/h lenken die Hinterräder bis zu fünf Grad entgegen der Vorderräder.

So kommt der große Kombi zu seinem kleinen Wendekreis von nur elf Metern; und kann sportlich durch die Kurve. Der Modus „Sport“ ist dabei nicht zu heftig, im Modus „Komfort“ bügelt das Fahrwerk so gut wie alle auf normalen Straßen zu findenden Unebenheiten souverän aus. Die meisten Fahrgeräusche verlieren sich in der Dämmung, lediglich die Lüftung – und hier die beiden mittleren Ausströmer in der Mittelkonsole – rauschen etwas lauter, auch bei niedriger Gebläsestufe.

Sparsam – bei Bedarf

Der Verbrauch: Tempo 130 wird gerade wieder lauter diskutiert, also probieren wir das doch mal. Es tut natürlich weh, der Drei-Liter Diesel würde doch locker 250 Kilometer pro Stunde schaffen. Dann würden aber wohl deutlich mehr als 6,7 Liter Diesel durch die Einspritzdüsen in die Brennräume gelangen. Ein guter Wert für ein 1.890 Kilogramm schweres Auto mit Allradantrieb, rundum 255er Bereifung und sechs Zylindern. Unter sechs Liter sind auch kein Problem, wenn die Geschwindigkeit nicht weit über 120 km/h steigt. Es gibt den A6 ja auch außerhalb von Deutschland.

Zum geringen Verbrauch tragen das Mildhybrid-System und das Achtstufen-Automatikgetriebe bei. Der Riemen-Starter-Generator wandelt beim 48-Volt-System beim Verzögern bis zu zwölf Kilowatt Leistung und speist damit eine separate Lithium-Ionen-Batterie. Mit deaktiviertem Motor kann der neue A6 Avant zwischen 55 und 160 km/h segeln, der Start-Stopp-Bereich beginnt schon bei 22 km/h.

Intelligent Segeln

Der Segelmodus setzt gefühlt vor allem bei höheren Geschwindigkeiten ein, und so oft es geht. Segeln heißt dabei: Leerlauf oder Motor aus. Auf Autobahnetappen zwischen Sachsen und Bayern zum Beispiel summiert sich die gesegelte Strecke wegen der Topologie leicht auf mehrere Kilometer. Dabei spart der A6 nicht nur Kraftstoff, sondern passt auch auf, dass keine anderweitigen Ausgaben anfallen, Stichwort: Geschwindigkeitsbegrenzung.

Beim Segeln mit zum Beispiel 130 in eine 100er Beschränkung, endet der Segelmodus zugunsten der Motorbremse. Bei aktivem Tempomaten hält sich das Auto an die jeweils beschilderten Geschwindigkeiten. Je nach Ausstattung greift das System dann auch auf in den Navigationsdaten hinterlegte Informationen zu Fahrbahnsteigungen zurück und steuert Motorschub- und Freilaufphasen entsprechend.

Das System erkennt bei deaktiviertem Tempomaten aber auch vorausfahrende Fahrzeuge in derselben Spur, „klopft“ dann sanft ans Fahrpedal und symbolisiert im Kombiinstrument: „Fuß vom Gas“. Bei prompter Reaktion reicht die dann folgende Rollphase, um circa ein bis zwei Autolängen hinter dem Vorausfahrenden auf gleiche Geschwindigkeit verringert zu haben. Den klopfenden Hinweis gibt es auch bei vorausliegenden Geschwindigkeitsbeschränkungen und bei aktivierter Navigation zum Beispiel bei einer voraus befindlichen Abbiegung.

Parkassistent mit virtuellem Auto

Die Routenhinweise gibt es auf Wunsch auch im Head-up-Display – bei dessen Darstellungsqualität Audi sich BMW deutlich nähert. Sehr schön dargestellt ist auch die 360-Grad-Ansicht mit dem virtuellen Auto. Hier lässt sich die Umgebung zum Beispiel beim Einparken betrachten – ein bisschen „Grand Theft Auto“. Als Fluchtauto würde sich der Avant eignen, notfalls geht es damit in unter sechs Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h – wobei die Kraftreserven während der Fahrt, zum Beispiel beim Überholen, fast noch mehr beeindrucken.

Echten Unterhaltungswert hat das Soundsystem mit 3-D-Klang. Bang & Olufsen steuert hier unter anderem 19 Lautsprecher bei, die die Außengeräusche gänzlich verdrängen und die Musik dabei hochwertig in Szene setzen.

Insgesamt hinterlässt der getestete A6 Avant einen hervorragenden Eindruck. Wie viele Modelle sich in dieser Ausstattung und zu dem genannten Preis verkaufen, bleibt zwar abzuwarten – mit etwas weniger Ausstattung macht der A6 aber sicher auch Spaß.

Technische Daten Audi A6 Avant 50 TDI Quattro

Motorbauart: V6-Motor
Hubraum in ccm/Bohrung x Hub in mm/Verdichtung: 2.967/83,0 x 91,4/16,0
max. Leistung in kW (PS)/bei 1/min: 210 (286)/3.500 - 4.000
max. Drehmoment in Nm/bei 1/min: 620/2.250 - 3.000
Höchstgeschwindigkeit in km/h: 250
Beschleunigung 0-100 km/h in s: 5,7
Kraftstoffverbrauch (kombiniert) in l/100 km: 5,9 - 5,6
CO2-Emissionen in g/km: 155 - 147
Leergewicht nach EG (ohne Fahrer)/(mit Fahrer)/Zul. Gesamtgewicht; in kg: 1.890/1.965/2.560

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