Bayern Innovativ 2014 Trends für das Fahrzeug der Zukunft
Welche Faktoren prägen das Automobil der Zukunft? Die Netzwerkorganisation Bayern Innovativ ist sich sicher, dass das Thema Mobilität heute weit über die klassische automobile Wertschöpfungskette hinaus Auswirkungen haben wird.
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Das verdeutlichte das Symposium „Zulieferer Innovativ 2014“ mit 550 Teilnehmern und 29 Ausstellern vom 7. bis 8. Juli in der BMW-Welt, München. Die Mobilität befindet sich im Umbruch. Megatrends wie Globalisierung, Urbanisierung, Individualisierung, Konnektivität, Neo-Ökologie und die demographische Entwicklung haben massiven Einfluss auf das Mobilitätsverhalten der Menschen und auf die Produkte der Industrie. Treiber des Wandels sind vor allem kundenspezifische, technologische, politisch-rechtliche, ökologische und ökonomische Fragestellungen. Diesen Herausforderungen musste sich die Automobilindustrie bereits in der Vergangenheit immer wieder stellen. „Neu ist neben der Dynamik der Veränderungen, dass der Wandel bei Kundenerwartungen, Technologien und der Forderung nach Nachhaltigkeit zum Teil vollkommen neue Akteure auf die Bühne bringt“, resümierte Bayern Innovativ-Projektleiter Dr. Kord Pannkoke.
Veränderung des Mobilitätsverhaltens
Individualisierte Lebensstile und die Flexibilisierung der Arbeitswelt haben großen Anteil an der Veränderung der Verkehrsnachfrage. Vor allem bei jungen Erwachsenen findet eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens statt. „Die Zukunft ist multimodal“, sagte Dr. Karlheinz Steinmüller, Scientific Director der Berliner Z_punkt GmbH, zum Auftakt der Veranstaltung. Der Zukunftsforscher ist überzeugt, dass sich die Grenze zwischen öffentlichem und individuellem Verkehr verwischen wird.
Der Wunsch nach Mobilität ist für ihn allerdings nur eines von vielen Entscheidungskriterien für einen Fahrzeugkauf. „Viele junge Erwachsene folgen einem Lebensstil, bei dem sich fast unablässige, dichte Kommunikation mit hoher Mobilität und flexiblen Reaktionen auf Angebote verbindet. Diese ,Metromobile‘ nutzen und kombinieren anlassbezogen und pragmatisch die unterschiedlichen Verkehrsmittel und greifen dabei auf immer umfassendere Mobilitäts-Apps zurück. Das Automobil verliert in diesem Zusammenhang seine Funktion als Statussymbol und steht in Konkurrenz zu anderen Lifestyle-Produkten", ergänzte Steinmüller.
Seine Thesen wurden auf der anschließenden Podiumsdiskussion eingehend diskutiert. Moderiert von Prof. Werner Klaffke, Geschäftsführer der Bayern Innovativ GmbH, standen Ilse Aigner, Bayerische Ministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, Dr. Herbert Diess, Entwicklungsvorstand der BMW Group, Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft und Dr. Karlheinz Steinmüller, Wissenschaftlicher Direktor der Z_punkt GmbH, Rede und Antwort. „Das Automobil entwickelt sich radikal weiter: Die Antriebsstränge werden zunehmend elektrifiziert, das Fahrzeug wird integraler Bestandteil des Internets und dadurch sicherer und komfortabler“, kommentierte Diess.
Treiber Technologie
Bei der Entwicklung innovativer Komponenten gehen die OEMs und Zulieferer zum Teil sehr ungewöhnliche Wege. Die Leoni Bordnetz Systeme GmbH etwa untersucht neue Ansätze für die Architektur von Bordnetzen mit Hilfe der Bionik. Das stellte Dr. Wolfgang Langhoff, Vice President R&D Global der Leoni Bordnetz-Systeme GmbH, auf dem Kongress vor.
Leistungsfähige Elektrik und Elektronik sind heute die wichtigsten Enabler für Innovationen im Automobil – das jährliche Wachstum in diesem Bereich beträgt sechs Prozent, wobei Software, Halbleiter, Displays und Antriebsregelung mit Wachstumsraten von rund acht Prozent an der Spitze liegen. Elektrik, Elektronik und Informationstechnologie sind Schlüsselelemente für die Nutzung gemeinschaftlicher Verkehrsmittel ebenso wie für eines der derzeit meistdiskutierten Trendthemen der Automobilindustrie: das automatisierte Fahren.
Automatisiertes Fahren
Hier verfolgt die Continental AG einen definierten Fahrplan zur Realisierung teil-, hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktionen. „Autofahrer weltweit wünschen sich automatisiertes Fahren für die Autobahn. Deren Bedürfnisse passen bestens zu den Entwicklungsmöglichkeiten der kommenden Jahre. Die notwendigen Anpassungen des verkehrsrechtlichen Rahmens dürfen den Anschluss an diese Marktdynamik jedoch nicht verpassen“, sagte der Continental-Forschungschef für Automobilelektronik, Christian Senger, in München. Ein erster Erfolg sei die kürzlich erfolgte Anpassung des Wiener Übereinkommens, die die rechtlichen Voraussetzungen für teilautomatisiertes Fahren geschaffen hat. „Vom hochautomatisierten Fahren sind wir aus verkehrsrechtlicher Sicht jedoch noch weit entfernt“, kommentierte Senger die aktuelle Rechtslage. Die grundsätzlichen Weichenstellungen müssten vom Gesetzgeber folge dessen bereits jetzt angegangen werden, damit Autofahrer nach 2020 hochautomatisierte Fahrfunktionen nutzen können.
Impulse der Unterhaltungsindustrie
Positive Impulse für das Fahrzeug der Zukunft liefert auch die Konsumgüter- und Unterhaltungsindustrie: So stehen „Wischen“ und „Zoomen“ für weit mehr als zwei Handbewegungen. Das Auto passt sich den geänderten Erwartungen und Bedürfnissen des Fahrers an. Die Elektronik gibt ihm die Freiheit, während der Fahrt vielfältige Aufgaben zu erledigen. Nicht zuletzt kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) liefern pfiffige Ideen für neue Entwicklungen. Im Projekt BrainDriver der Berliner Autonomos GmbH lenkt ein mit EEG-Sensoren ausgestatteter Fahrer das Auto, indem er an Befehle wie „bremsen“ oder „nach links fahren“ denkt. Diese Befehle erzeugen typische Gehirnwellenmuster, deren Interpretation ein Computer zuvor gelernt hat.
Additive Fertigung
Neue Technologien werden aber nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch ihre Produktion massiv beeinflussen. So steht die additive Fertigung – der Inbegriff für die Verbindung der digitalen mit der realen Welt – am Übergang von einer Prototypen-Technologie zur industriellen Reife. Jim Kor, Präsident des kanadischen Unternehmens Kor Ecologic will mit dem Urbee2 ein fast vollständig im 3D-Druck gefertigtes Fahrzeug produzieren. Die größten Vorteile der additiven Fertigung liegen in den Möglichkeiten, Produkte und Bauteile zu individualisieren, Teile mit geringer Losgröße zu fertigen, viele einfache in wenige hochkomplexe Teile zu integrieren und im Wegfall von Werkzeugen. Interessante Geschäftsmodelle ergeben sich, weil dezentrale Fertigungsstrukturen mehr Flexibilität, gesteigerte Effizienz und minimale Lagerbestände schaffen. Weitere Vorteile der additiven Fertigung sind, dass unterschiedliche Teile auf ein und derselben Maschine hergestellt werden können und sie eine bislang unerreichte Designfreiheit bietet. Diese erlaubt, leichtere und robustere Teile mit komplexen Geometrien herzustellen. Vorbild ist auch hier die Bionik!
Engagement für mehr Nachhaltigkeit
Der Megatrend Nachhaltigkeit, ursprünglich entstanden aus den Umweltbewegungen der 80er Jahre, durchdringt heute das gesellschaftliche Leben in allen Ebenen und hat auch großen Einfluss auf die automobile Wertschöpfungskette. Der Klimawandel hat die Bedeutung dieses Megatrends enorm gesteigert. Für nahezu alle Industrien gilt heute, dass Produkte, die an diesem Trend vorbeientwickelt wurden, kaum noch vermarktbar sind.
Dr.-Ing. Peter F. Tropschuh, Leiter Corporate Responsibility, Politik und Wissenschaftskooperationen der Audi AG: „Um Mobilität zukunftsfähig zu gestalten, ist die Entwicklung energieeffizienter Fahrzeuge nur einer von vielen notwendigen Schritten. Gleichzeitig müssen wir das gesamte System in unsere Überlegungen einbeziehen – auch über heutige Verantwortungs- und Geschäftsmodellgrenzen hinweg.“ Audi beschäftige sich daher konsequenterweise auch mit künftiger Stadtarchitektur, mit der Herstellung regenerativer Kraftstoffe oder der intelligenten Vernetzung von Automobilen und ihrer Umwelt. Dabei könne die Vernetzung von Fahrzeugen mit Echtzeit-Verkehrsdaten im Straßenverkehr vor Unfällen warnen, Staus verhindern, Emissionen reduzieren oder einfach nur helfen, eine freie Stromladesäule zu finden. Zum Abschluss seines Vortrags rief er die Zuhörer aus der Automobil- und Zuliefererindustrie auf, gemeinsam an der Zukunft zu arbeiten und Synergien zu nutzen: „Lassen Sie uns aktiv das Thema Nachhaltigkeit im und rund um das Fahrzeug angehen und so die Automobilbranche zukunftsfähig machen.“
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