Euro 7 Wissing warnt vor zu scharfer EU-Regulierung
Die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen haben den Bundeskanzler zum Widerstand gegen Euro 7 aufgefordert. Jetzt meldet sich der zuständige Bundesminister zu Wort.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat mit Blick auf Pläne der EU-Kommission zur Abgasnorm Euro 7 vor einer zu scharfen Regulierung und einem Jobabbau gewarnt. „Regulierung muss Mobilität fördern, nicht verhindern“, erklärte der FDP-Politiker am Montag der DPA in Berlin. Die systematische Verknappung durch Regulierung gefährde nicht nur den weiteren Hochlauf der E-Mobilität, sondern zunehmend auch unzählige Arbeitsplätze.
„Wenn Fahrzeuge immer teurer werden, ohne dass damit mehr Umweltschutz verbunden ist, wird Mobilität zum Luxusgut“, so Wissing. „Wir brauchen in der Fläche Teilhabe durch individuelle Mobilität – auch in Zukunft.“
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DAT-Report 2023
Jeder zweite Pkw-Halter fürchtet, sich kein Auto mehr leisten zu können
Autohersteller und -verbände hatten bereits mehrfach erklärt, die Einführung der nötigen Technik zur Einhaltung strikterer Grenzwerte bei den Stickoxid-Emissionen sei zeitlich zu anspruchsvoll und dürfte Modelle verteuern – im Verhältnis zum Gesamtpreis besonders kleinere Modelle. Dagegen fordern Umweltorganisationen ein möglichst baldiges Aus für Diesel und Benziner.
„Zum Schutz der Gesundheit der Bürger“
Im November hatte die Kommission ihre Vorschläge vorgelegt. Es gibt Befürchtungen, im Fall einer entsprechend sinkenden Nachfrage nach Verbrennern könnten viele Jobs verschwinden. VW betonte: „Wir teilen die Einschätzung, dass Euro 7 in der jetzt vorliegenden Form negative Beschäftigungseffekte für die europäische Automobilindustrie hätte.“
Der Brüsseler Behörde zufolge ist der Straßenverkehr die größte Quelle für Luftverschmutzung in Städten. Mit der neuen Norm sollen sauberere Fahrzeuge und eine bessere Luftqualität zum Schutz der Gesundheit der Bürger und der Umwelt gewährleistet werden. Ziel von Euro 7 ist es, den Ausstoß von Stickoxiden (NOx) durch Autos bis 2035 um 35 Prozent zu drücken, bei Bussen und Lkw um über 50 Prozent. NOx-Verbindungen standen auch im Zentrum der Abgasaffäre, in deren Folge mehrere Städte teilweise Diesel-Fahrverbote erlassen hatten.
Unnötige Verteuerung
„Wenn die Automobilindustrie davor warnt, dass die Regulierung Fahrzeuge unnötig verteuert und die Beschleunigung der E-Mobilität behindert, ist das sehr ernst zu nehmen“, sagte Wissing. „Die EU-Kommission kann nicht einerseits hohe Klimaschutzziele einfordern und andererseits deren Erreichung durch Regulierung verhindern.“ Der Verbrennungsmotor könne mit synthetischen Kraftstoffen Klimaschutz und Mobilität vereinen. „Europa darf diese technologische Lösung nicht verhindern.“
Über die Zukunft der sogenannten E-Fuels hatten Grüne und FDP in ihren Koalitionsverhandlungen heftig gestritten. Kritiker glauben, dass solche Spritsorten einen entschlossenen Ausstieg aus der Verbrennertechnik verzögern. Befürworter verweisen hingegen auf das Potenzial, mit ihnen den vorhandenen Bestand an Verbrennerfahrzeugen weniger klimaschädlich noch eine Zeit weiterbetreiben zu können. Die Produktion von E-Fuels soll verglichen mit normalem Benzin, Diesel oder Autogas den Rohstoffkreislauf deutlich weniger belasten und dabei kein neues, vorher langfristig gebundenes CO2 freisetzen.
Erhebliche Nachteile für die deutsche Autoindustrie
Die Autoländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen hatten die Bundesregierung aufgefordert, die Pläne der EU-Kommission zur Abgasnorm Euro 7 nicht zu akzeptieren. Die drei Länder fürchten im Falle einer Umsetzung erhebliche Nachteile für die deutsche Autoindustrie, wie es in einem Brief der drei Ministerpräsidenten an Kanzler Olaf Scholz (SPD) heißt, der der DPA vorlag.
Die neue Abgasrichtlinie soll ab Juli 2025 für neu zugelassene Fahrzeuge gelten. Europaparlament und EU-Staaten müssen den Vorschlägen der Kommission noch zustimmen. Derzeit laufen die Verhandlungen. In einem nächsten Schritt müssen sich EU-Länder und das Parlament einigen, bevor die Regeln in Kraft treten können. An dem Vorschlag der Kommission kann sich also theoretisch noch einiges ändern.
„Lobbyarbeit für BMW, Mercedes und VW“
Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte das Schreiben der Autoländer und wies die Behauptung, die Technikentwicklung sei zu teuer und lohne sich mit Blick auf den geplanten Verbrennerausstieg 2035 nicht, als „faktisch falsch und fadenscheinig argumentiert“ zurück. Die drei Regierungschefs machten „Lobbyarbeit für BMW, Mercedes und VW auf Kosten der Bürger, die unter den gesundheitsschädlichen Abgasen leiden“, sagte DUH-Chef Jürgen Resch.
Greenpeace verlangte, die Autobauer müssten in den kommenden Jahren emissionsfreien Antrieben zum Durchbruch verhelfen. „Wenn Wissing für langfristig sichere Arbeitsplätze in der Branche sorgen will, dann sollte er alles daran setzen, die deutsche Autoindustrie an die Spitze der Mobilitätswende zu setzen“, erklärte Verkehrsexperte Benjamin Stephan. „Ehrgeizigere Abgasstandards helfen dabei.“
In einem offenen Brief an die EU-Spitzen hatte der Vorsitzende des europäischen Autobranchenverbands Acea, Renault-Chef Luca de Meo, eine erwartete Kostensteigerung für Fahrzeuge durch Euro 7 zwischen sieben und zehn Prozent genannt. Bis zu 300.000 Arbeitsplätze könnten demnach auf dem Spiel stehen. Auch der deutsche Branchenverband VDA sowie Zulieferfirmen äußerten starke Bedenken gegen das Vorhaben.
„Völlig unrealistische Zielvorgaben“
Volkswagen sprach außerdem von „völlig unrealistischen zeitlichen Zielvorgaben“ – Hersteller und Behörden könnten diese kaum so rasch umsetzen wie gefordert. Die geplante Strenge der Standards würde „große personelle und finanzielle Ressourcen binden, die wir sinnvoller und zukunftsgerichtet für die Elektrifizierung einsetzen könnten“. Die von de Meo genannten Preisschätzungen seien zutreffend.
Die Autobranche moniert überdies, dass die Kriterien für Abgastests nach den neuen Vorgaben zu speziell seien. „Der Luftqualität ist nicht geholfen, wenn wir die Abgasemissionen eines neuen Verbrenners mit Vollgas und Pferdeanhänger im ersten Gang auf einem Bergpass in den Alpen zum Maß der Dinge machen“, hieß es bei VW. Die reale Nutzung sehe meist anders aus – während die geforderte Abgastechnik „gerade günstige Kleinwagen erheblich teurer“ machen dürfte.
Dies sieht auch der ADAC so. „Zusätzliche technische Anforderungen und fehlende rechtliche Grundlagen“ könnten die Produktion kleinerer Autos „überproportional verteuern“, schätzt der Automobilclub. Und die in neuen Abgastests zugrundegelegten Bedingungen enthielten Fahrsituationen, „die in der Praxis kaum relevant sind“.
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