Neue Modelle VW Passat: Ein letztes Hallo mit neuer Technik?

Autor / Redakteur: Christoph Seyerlein / Jens Scheiner

Viel war zuletzt über ein mögliches Aus des VW Passat spekuliert worden. Auch in Deutschland ging es für den Business-Klassiker zuletzt stetig bergab. Nun bekommt der B8 ein Facelift. Das steht ihm gut – wischt aber nicht alle Zweifel an der Zukunft der Baureihe weg.

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Auf dem Genfer Autosalon im März zeigt VW den erneuerten Passat. Die Modellpflege macht den Mittelklasse-Bestseller zum modernsten Auto im Konzern.
Auf dem Genfer Autosalon im März zeigt VW den erneuerten Passat. Die Modellpflege macht den Mittelklasse-Bestseller zum modernsten Auto im Konzern.
(Bild: VW)

Der Passat hat zuletzt kräftig gelitten. War er in den letzten Jahren das Modell, das das VW-Werk in Emden praktisch im Alleingang auslastet, soll er bis 2022 voraussichtlich komplett aus seinem bisherigen Zuhause verschwinden und für Elektroautos Platz machen. Zukünftig wird der Passat dann wohl in Osteuropa gebaut – wenn überhaupt. Denn nicht wenige Branchenbeobachter werteten jene Pläne von Volkswagen zuletzt als klares Zeichen dafür, dass der Business-Klassiker der Wolfsburger komplett vor dem Aus stehen könnte.

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Das wirkt vielleicht etwas voreilig, schließlich ist der Passat immer noch einer der Topseller der Wolfsburger. Demnächst wird der Hersteller die Marke von 30 Millionen verkauften Passat-Einheiten knacken. Doch einfach so wegdiskutieren lassen sich die Schwierigkeiten des Modells auch nicht. Beispiel Deutschland: Dort ist die aktuelle Passat-Generation B8 seit Mitte 2014 auf dem Markt. Im ersten vollen Verkaufsjahr 2015 erzielte das Auto hierzulande noch fast 100.000 Neuzulassungen. Vergangenes Jahr waren es schon nur noch 70.000. Etwas schwindende Absatzzahlen sind mit steigendem Alter der Fahrzeuggeneration normal, beim Passat erscheint der Rückgang aber doch recht heftig.

Höchste Zeit also, dass die Baureihe eine Auffrischung erhält. Und so soll ein Facelift dem Passat ab September neues Leben einhauchen. Beim Händler bestellbar wird der „B8.2“ bereits ab Mai 2019 sein. Überzeugen will VW seine Kunden weniger mit neuen optischen Reizen – abgesehen von kleineren Veränderungen etwa an den Scheinwerfern hat sich am Erscheinungsbild des Passat wenig verändert. Stattdessen soll eine ganze Palette an neuer Technik die Kohlen für das Auto aus dem Feuer holen.

Beispielsweise wird der überarbeitete Passat Volkswagens erstes Fahrzeug mit der aktuellsten Version des „Modularen Infotainment Baukastens“, dem MIB3, an Bord. Damit wird er vorerst zu so etwas wie dem digitalen Vorzeige-VW. Zumindest solange bis 2020 der ID Neo kommt. Letzterer soll dann Volkswagens erstes vollvernetztes Mobil werden. Einen Ausblick darauf liefert bald aber eben der Passat. So sind im Mittelklasse-Modell nun beispielsweise Over-the-air-Updates möglich, auch eine natürliche Spracherkennung hat der Passat im Angebot. Allerdings wird er noch auf einem anderen Backend aufsetzen als der ID Neo. Deswegen wird er beispielsweise deutlich weniger Functions on demand verfügbar haben.

Der VW Passat lässt sich per Smartphone starten

Dennoch wird VW mit dem Passat seine neuen digitalen Angebote unter der Marke „Volkswagen We“ erstmals etwas größer ausrollen. Die Wolfsburger arbeiten aktuell daran, ein „Ökosystem“ aufzuziehen, um direkter mit Kunden in Kontakt treten zu können und die Käufer mit allem möglichen Schnickschnack versorgen zu können. Wer seine Daten preisgibt und so seine „Kunden-ID“ aktiviert, soll im Passat künftig beispielsweise bargeldlos Parkgebühren bezahlen können. Außerdem lässt sich das Auto etwa per Smartphone öffnen, schließen und sogar starten. Zudem können bis zu acht Personen im Passat ihre Lieblingskonfiguration für das Fahrzeug abspeichern und jederzeit wieder aufrufen. Anders als der ID Neo wird sich der Passat aber auch ohne Kunden-ID noch fahren und bedienen lassen.

Neben den digitalen Angeboten, deren Sinn oder Unsinn man an mancher Stelle durchaus hinterfragen kann, macht der VW Passat aber auch bei den zweifellos nützlichen Assistenzsystemen einen Sprung nach vorne. Auch dafür gibt es eine neue Marke bei VW namens „IQ Drive“. Beim Passat sticht der „Travel Assist“ heraus. Er bündelt beispielsweise Adaptive Cruise Control (ACC) und Lane Assist und macht es so möglich, dass das Auto bis zu einer Geschwindigkeit von 210 km/h selbstständig lenken und bremsen kann. Kein VW war beim teilautonomen Fahren (Level 2) bislang weiter. Laut VW soll das System selbst in Baustellen mit veränderter Linienführung – aktuell noch häufig eine Schwachstelle von Spurhalteassistenten und Co. – keine Schwierigkeiten mehr haben.

Dem Auto reicht es zudem in Zukunft, wenn der Fahrer die Hand ohne Druck auf das berührungsempfindliche Lenkrad legt, um nicht nach einigen Sekunden in panisches Piepsen und Rütteln zu verfallen. Ein mehrstufiges Alarmsystem steht aber selbstredend bereit. Sollte der Fahrer dieses zu lange ignorieren und inaktiv bleiben, bremst der Passat von selbst sensorgesteuert herunter und fährt auf den Standstreifen, um Fahrer und Auto aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Außerdem neu im Passat: LED-Matrixlicht, das aus dem Touareg bekannt ist. Dabei verändern die Bremsleuchten beispielsweise beim Bremsen ihre Form. VW ist davon überzeugt, dass das die Aufmerksamkeit bei nachfolgenden Fahrern erhöht. Für mehr Komfort soll zudem ein neues Dämpfersystem sorgen, das bis zu 15 verschiedene Stufen zwischen ultrakomfortabel und extrem sportlich bereithält.

Nur der GTE erfüllt Euro 6d

Und motorentechnisch? Da bringt VW mit dem Passat unter anderem den Plug-in-Hybrid zurück. Wegen der Umstellung auf WLTP ist schon seit Längerem kein Teil-Stromer der Wolfsburger bestellbar. Der neue Passat GTE wird dann aber direkt die Abgasnorm 6d erfüllen und soll im Vergleich zum Vorgänger elektrisch ein ganzes Stück weiter kommen. Laut VW wächst die Reichweite auf 55 Kilometer. Bislang gaben die Wolfsburger jenen Wert mit 50 Kilometer an. Auf den ersten Blick ist der Elektro-Fortschritt marginal, allerdings ist die neue Angabe nach WLTP gemessen, während die bisherige auf dem NEFZ-Zyklus basierte. Effektiv soll der künftige Passat GTE reinelektrisch laut VW etwa 20 Kilometer mehr zurücklegen können als bislang.

Generell dürfte der Hybrid wegen der neuen Dienstwagen-Versteuerung von nur noch 0,5 Prozent auf elektrifizierte Fahrzeuge für Flottenkunden zu einer attraktiven Alternative werden. Der 13 kWh-starke Akku (bisher: 9,9 kWh) bringt es mit dem 1,4-Liter Vierzylinder-Benziner auf eine Systemleistung von 218 PS. An einer herkömmlichen Steckdose soll die Batterie nach gut sechs Stunden wieder vollständig geladen sein, an einer Wallbox oder Ladesäule soll es nur vier Stunden dauern.

Daneben wird es das Passat-Facelift mit drei Benzinern (150 PS, 190 PS, 272 PS) und vier Diesel-Motoren (120 PS, 150 PS, 190 PS, 240 PS) geben. Die 150-PS-Selbstzündervariante ist VW zufolge eine Neuentwicklung und soll im Vergleich zum bisher angebotenen gleich starken Aggregat bis zu 10 Gramm CO2 auf 100 Kilometern einsparen können. Alle Verbrenner des Passat erfüllen die Norm Euro-6d-temp. Und das verwundert dann doch ein wenig: Denn im September folgt die nächste Verschärfung bei den Abgastests, Euro-6d-temp-Fahrzeuge dürfen in der EU nur bis zum 31. Dezember 2020 erstmals zugelassen werden, danach muss es Euro 6d sein. Heißt: VW muss den Passat so oder so schon in absehbarer Zeit wieder über die Prüfstände jagen und auf den künftigen Standard heben.

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Keine Angaben zu Preisen und Verkaufszielen

Stellt sich die Frage, warum man das nicht von vornherein bei allen Varianten und nicht nur beim GTE getan hat. Ein neues Zertifikate- und Verfügbarkeits-Schlamassel wie im vergangenen Herbst bei der Umstellung auf WLTP dürften die Wolfsburger schließlich um jeden Preis vermeiden wollen. Schon zuletzt hatte der Hersteller allerdings davor gewarnt, weitere WLTP-Probleme nicht ausschließen zu können.

Zu Preisen und Verkaufszielen für den Passat äußerte sich VW am Mittwoch (6. Februar) bei einem Technik-Workshop in Hamburg nicht. Vermutlich wird sich das Auto ähnlich wie die aktuelle Version in Regionen ab etwa 32.000 Euro bewegen. Bleibt die Frage, ob das Facelift nun tatsächlich der letzte neue Passat sein wird. Ein VW-Sprecher sagte dazu, dass es aktuell keine solchen Pläne gebe. „Der Passat ist das erfolgreichste Mittelklasse-Modell weltweit. Für uns ist er ein extrem wichtiges Auto, gerade im Geschäftskundenbereich. 80 Prozent aller verkauften Passat-Einheiten entfallen auf jenes Segment“, sagte er.

Nichtsdestotrotz soll bis 2025 nach den eigenen Vorstellungen der Wolfsburger jeder zweite neu verkaufte Volkswagen ein SUV sein. Gleichzeitig nimmt die Transformation hin zur Elektromobilität mit völlig neuen Modellen bei VW Fahrt auf. Allein jene beiden Trends werfen Fragen auf, wo der Passat in Zukunft seinen Platz finden soll. Kann das Facelift den Abwärtstrend der vergangenen Jahre nicht stoppen, dürften seine Aktien weiter sinken.

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