Elektromobilität Bosch: „Das Wasserstoff-Tankstellennetz reicht teils schon aus“

Von Thomas Günnel

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Bosch will in die Fertigung von Wasserstoff-Brennstoffzellen im Serienumfang einsteigen. Jürgen Gerhardt, Produktbereichsleiter mobile Brennstoffzelle bei Bosch, erläutert die Hintergründe.

Jürgen Gerhardt ist Produktbereichsleiter mobile Brennstoffzelle bei der Robert Bosch GmbH.
Jürgen Gerhardt ist Produktbereichsleiter mobile Brennstoffzelle bei der Robert Bosch GmbH.
(Bild: Kniff Projektagentur GbR)

Herr Gerhardt, im April hat Bosch verkündet, in die Serienfertigung von Brennstoffzellen für Lkws und Pkws einzusteigen. Wieso erst jetzt?

Der Markt für die Brennstoffzelle entsteht gerade erst. Deshalb ist der Zeitpunkt für unseren Einstieg goldrichtig. Wir können Technologie und Markt jetzt aktiv mitgestalten.

Welche technischen Herausforderungen stehen dem Einsatz der PEM-Brennstoffzelle in der Großserie noch entgegen?

Für die technischen Herausforderungen wie die Lebensdauer des Brennstoffzellen-Stacks haben wir Lösungen. Jetzt geht es darum, den Stack günstig zu fertigen. Das wird uns nicht nur über Skaleneffekte gelingen, sondern auch über die simultane Entwicklung von Produkt und Fertigungsprozess – das ist eine unserer Stärken.

Ist der Einsatz der Brennstoffzelle in allen Pkw-Segmenten sinnvoll?

Das hängt vom Anwendungsfall ab. Für Pkws oder leichte Nutzfahrzeuge mit einer täglichen Reichweite von 100 bis 200 km ist der batterieelektrische Antrieb eine gute Lösung. Viele Menschen und vor allem der Schwerlastverkehr legen jedoch längere Strecken zurück. Hier sehen wir deutliche Vorteile für die Brennstoffzelle.

Wie sieht es bei der Infrastruktur aus?

In Deutschland gibt es bereits ein kleines Netz an Wasserstoff-Tankstellen von fast 80 Stationen – Tendenz steigend. Für schwere Nutzfahrzeuge, die längere Strecken zurücklegen und häufig ein und dieselbe Tankstelle ansteuern, reicht dieses Tankstellennetz sogar schon aus. Für Pkws müssen es natürlich noch deutlich mehr werden. Mit Hochlauf der Fahrzeugpopulation erwarten wir in Deutschland einen Ausbau auf bis zu 400 Tankstellen.

Welche Lebensdauer hat ein Brennstoffzellenstack?

Der Brennstoffzellen-Stack wird auf die Lebensdauer-Anforderungen der jeweiligen Marktsegmente abgestimmt und ausgelegt sein. Somit ist planmäßig kein Austausch vorgesehen.

Wenn wir Großserien-Stückzahlen erreichen, spielt das Edelmetall Platin nur noch eine kleine Rolle.

Woraus resultiert Ihrer Meinung nach der aktuelle Hype um die Brennstoffzelle?

Die Flottenvorgaben der Europäischen Union für Lkws sehen bis 2025 eine Minderung der CO2-Emissionen um im Schnitt 15 Prozent vor, bis 2030 sogar um 30 Prozent. Dieses Ziel lässt sich unserer Ansicht nach nur mit einer zunehmenden Elektrifizierung des Antriebs erreichen. Batterieelektrische Lkws für den Schwerlastverkehr sind aber wenig sinnvoll. Ohne die Zuladung eines Lkws stark einzuschränken, wird man mit einer Batterie allein die notwendigen Reichweiten nicht erzielen können. Hier kann die Brennstoffzelle Stärken ausspielen.

Der Platinanteil in der Brennstoffzelle ist ein häufiger Kritikpunkt. Lässt sich das Edelmetall ersetzen?

Wenn wir Großserien-Stückzahlen erreichen, spielt das Edelmetall Platin nur noch eine kleine Rolle. Letztlich steckt in einem Stack etwa so viel Platin wie in einem Diesel-SCR-Katalysator – oder sogar weniger.

Wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Chancen der Brennstoffzelle und Wasserstoff als Energieträger allgemein ein – vor allem mit Blick auf den Arbeitsmarkt?

Das Brennstoffzellen-System hat den Vorteil, dass es einem Verbrennungsmotor mit Ventilen, Pumpen und anderen Teilen mehr ähnelt als einem batterieelektrischen Antriebssystem; und mehr Komponenten erfordert. Das kann am Ende für das Beschäftigungsniveau von Vorteil sein. Wir siedeln die Industrialisierung der Brennstoffzelle bei Bosch in der vorhandenen Organisation an und nutzen auch die Kompetenzen in unserem Dieselbereich.

Eine umfassende Wasserstoffinfrastruktur kann den Energieträger auch für weitere Anwendungen qualifizieren. In welchem Umfang senken diese Skaleneffekte den Preis für die Wasserstoffinfrastruktur letztlich, Stichwort: Sektorenkopplung?

Wasserstoff wird aktuell hauptsächlich für industrielle Anwendungen hergestellt, mit einem Kilogrammpreis von oft mehr als fünf Euro. Dieser Preis muss noch sinken, was mit steigender Produktion tendenziell auch passieren wird. Das und regenerativ hergestellter Wasserstoff sind die Voraussetzungen dafür, dass die Brennstoffzelle im Markt breiten Erfolg hat.

Die Fragen stellte Thomas Günnel

Über Jürgen Gerhardt

Jürgen Gerhardt ist studierter Maschinenbauer. Seine berufliche Laufbahn begann er im Jahr 1984 bei Bosch. Hier hatte er unterschiedliche Aufgaben in der Entwicklung von Management-Systemen für Ottomotoren mit Schwerpunkten in Produkt- und Systementwicklung sowie in der Applikation.

Zwischen 1995 und 2003 bekleidete er Leitungsfunktionen in der Serien- und Vorausentwicklung im Geschäftsbereich Gasoline Systems, von 2003 bis 2008 leitete er die Systementwicklung des Geschäftsbereiches und war verantwortlich für die Voraus- und Systementwicklung von Antriebsstrang- und Motormanagement-Systemen.

Ab 2008 war Gerhardt Leiter der Systementwicklung Diesel Systems, verantwortlich für Vorausentwicklung und Systementwicklung sowie für die Motorenfelder weltweit. Zwischen 2015 und 2019 leitete Jürgen Gerhardt den Produktbereich „Innovationen und Wachstumsgebiete“ und seit April 2019 den Produktbereich „Fuel Cell Mobility Solutions“.

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