Volkswagen Hinter den Kulissen der Autostadt
268 Treppenstufen, insgesamt 20 Stockwerke – dann ist es geschafft: 48 Meter hoch symbolisieren die beiden Türme der Autostadt in Wolfsburg jenen Ort, an dem täglich rund 500 Volkswagen an Kunden übergeben werden. Ein exklusiver Blick hinter die Kulissen des Kunden-Centers der Autostadt.
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Für die Belegschaft von Volkswagen am Standort Wolfsburg ist sie ein bekanntes Motiv: die gläserne Röhre über die Mittelstraße des Stammwerkes. Sie ist ein Teil des Wegs, den alle Kundenfahrzeuge bis zur Auslieferung in der Autostadt zurücklegen. Nicht nur die in Wolfsburg, sondern auch die an anderen Standorten produzierten Modelle passieren die Röhre, um anschließend in einem unterirdischen System zu verschwinden. Im nächsten Schritt kommen insgesamt 70 Palettenwagen im Kellergeschoss der Förderanlage zum Einsatz. Unterhalb der Parkstraße zum Hotel Ritz-Carlton fahren sie auf einem sieben Kilometer langen Schienensystem hin und her. An Bord der Autos befinden sich Transponder. Sie dienen der vollautomatischen Einlagerung, Überwachung und Identifizierung jedes einzelnen Autos während der gesamten Prozesskette bis hin zur Auslieferung.
Dreischichtbetrieb in der Förderanlage
Die Palettenwagen transportieren die Fahrzeuge wie von Geisterhand gesteuert zunächst zu den spektakulären gläsernen Türmen der Autostadt. Die gläsernen Riesen beherbergen jeweils 400 Fahrzeuge der Marken Volkswagen und Seat. Vier Aufzüge – pro Turm zwei – mit einem Aktionsradius von je 180 Grad bugsieren die Autos anschließend per Zufallsprinzip auf Stellplätze in den Türmen, wo sie auf die Auslieferung an die Kunden warten. „Insgesamt arbeiten in unserer Förderanlage 16 Mitarbeiter in drei Schichten. Die Aufgaben der Kollegen sind sehr vielfältig“, erklärt der Leiter der Turmfördertechnik Thomas Dupont. Einer seiner Kollegen ist Dennis Heine. Bei ihm geht es vor allem um Zuverlässigkeit und Effizienz. Die gesamte Anlage muss an 363 Tagen im Jahr reibungslos funktionieren. „Überall, wo sich etwas dreht und fährt, kann auch mal etwas ausfallen“, berichtet Heine und verweist auf die praktizierte, vorbeugende Instandhaltung. „So haben wir auch nachts ein Team, das sich nur um Wartung und Reparaturen kümmert. Dadurch erreichen wir eine Verfügbarkeit von durchschnittlich 99,5 Prozent“, ergänzt Dupont.
Ausfälle vor dem Kunden will sich die Autostadt nicht leisten. So kommt es nur extrem selten vor, dass ein Fahrzeug in den Türmen gesucht werden muss, weil im EDV-System ein falscher Stellplatz hinterlegt wurde. Die Ursache hierfür ist menschlich. „Die Fahrzeuge werden von einem Mitarbeiter auf die Plattformen gefahren. Und jeder Mensch macht auch einmal Fehler. Bei der ungeheuren Datenflut, die das System verarbeitet, führen falsche manuelle Eingaben ad hoc zu einem Datensalat“, weiß Dupont. In diesem Fall muss das Team über die Treppen jedes Stockwerk der Türme zu Fuß begehen, um das richtige Auto zu finden.
Rekordhalter im Guinnessbuch
Die Mannschaft der Turmfördertechnik ist hochmotiviert. Dennis Heine ist von Anfang an mit dabei. „Ich mache meinen Job mit Freude und habe das System damals mit aufgebaut. Das Verlegen der sieben Kilometer an Schienen war schon eine Herausforderung“, blickt er zurück. Gestartet wurde seinerzeit allerdings mit dem Aufbau der Elektrotechnik. „Damals hatten wir eine komplett leere Halle. Dann bauten wir das Schienensystem auf und installierten die Technik“, so Heine. Nach drei Monaten bewegte sich im Dezember 1999 schließlich der erste Palettenwagen. Die vier Aufzüge gingen etwas später in Betrieb, so dass die erste Auslieferung über die Türme im Juni 2000 erfolgte. Insgesamt ist die Anlage der Autostadt derart effizient, dass sie es ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft hat – als schnellstes automatisches Parksystem der Welt.
Zwölf Jahre nach der ersten Inbetriebnahme wurde das System komplett überarbeitet. „Die Modernisierungsphase 2012/2013 war notwendig, da die Lifte und die Palettenwagen zum Transport der Fahrzeuge nur bis zu einem Gesamtgewicht von 2,5 t ausgelegt waren. Damit hätten Fahrzeuge wie der Touareg und der T6 nicht mehr in der Autostadt ausgeliefert werden können“, blickt Dupont zurück. „Hybrid-Fahrzeuge sind ebenfalls schwerer.“ Die Anlagenteile wurden deswegen auf drei Tonnen Tragfähigkeit aufgerüstet. Im Sommer 2016 durchbrach die Autostadt die Marke von 2,5 Millionen Auslieferungen. Wenn der Kunde nach Wolfsburg kommt, um sein neues Auto abzuholen, verlässt das Fahrzeug per Aufzug seinen Stellplatz in einem der beiden Türme. Durch die von Schienen geprägten Katakomben erreicht das Objekt der Begierde auf einem der Palettenwagen schließlich die Schleuse unterhalb des Kunden-Centers der Autostadt. Von diesem Moment an übernimmt ein Mensch die Eskorte und steuert das Fahrzeug in den Innenbereich des Kunden-Centers.
Erlebnis Fahrzeugübergabe
Hier werden die Kennzeichen angebaut, das Fahrzeug noch einmal sorgfältig überprüft und auf Hochglanz gebracht, bevor der Kunde auf einem der Auslieferungsstellplätze seinen neuen Volkswagen in Empfang nimmt. Die Fahrzeugabholung beginnt für den Kunden in der Abholer-Welt des Konzern-Forums“, erklärt Sven Jedzig, Leiter der Abholer-Welt. Dort gibt er die Kfz-Kennzeichen ab, es werden sämtliche Formalitäten geklärt und der Tag in der Autostadt bis hin zur Fahrzeugübergabe geplant. Ist der große Moment gekommen, melden sich die Kunden bei der Abholeranmeldung im Kunden-Center. Anschließend werden sie zum Stellplatz ihres Neuwagens geleitet. Ein Mitarbeiter der Autostadt erklärt dann auf Wunsch die Details und Funktionen des Fahrzeugs.
„Eine Abholung in der Autostadt ist etwas Besonderes und wird von vielen Händlern als attraktives Ereignis angeboten. Am Standort des Herstellers in Wolfsburg bieten wir mit dem weltweit größten automobilen Auslieferungszentrum und Themenpark ein umfassendes Gesamterlebnis für den Abholer. Das ist eines der Alleinstellungsmerkmale der Autostadt im Vertriebsprozess“, beschreibt Sebastian Wilhelms, Leiter der Fahrzeugauslieferung der Autostadt, und fügt hinzu: „Die Käufer wissen das nach ihrem Besuch bei uns zu schätzen und der Händler bekommt einen noch treueren und markenaffineren Kunden zurück. So schließt sich der Kreis bis zum Bereich After Sales.“
Die Kundengruppen sind unterschiedlich: Von der Familie, die gemeinsam abholt, über Einzelabholer bis hin zu prominenten Kunden und Markenbotschaftern wie Lena Gercke oder Lars Riedel. Eine Sonderstellung nehmen die GTI-Fahrer ein, die meist eine spezielle Einweisung in ihr Fahrzeug erwarten und oft sehr viel technisches Wissen mitbringen. Auch ein kompletter GTI-Fan-Club war schon zur Auslieferung in der Autostadt.
Emotionale Bindungen
Es sind die emotionalen Bindungen der Kunden zu ihren Autos, die die Kollegen glücklich machen. Manche legen erst einmal ihr Kuscheltier ins neue Auto – sogar einen Heiratsantrag hat es bei der Auslieferung schon einmal gegeben. Aber nicht jede Auslieferung gerät zum großen Auftritt. Doch steht fest, dass die Autostadt stets um einen ganz besonderen Rahmen für die Abholer bemüht ist. Das Ereignis und Volkswagen sollen in guter Erinnerung bleiben. Deswegen legt das Team den Focus auf die kontinuierliche Weiterentwicklung des Erlebnisses – schließlich ändern sich Kundenerwartungen in Zeiten von Smartphones, Digitalisierung, E-Mobilität und autonomem Fahren.
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