Fraunhofer-Studie 10 Richtlinien für eine zukunftsfähige Produktion 4.0

Autor Katharina Juschkat

Forschende des Fraunhofer IPA haben in einer Studie zehn Richtlinien für eine moderne Produktion entworfen. Die Anforderungen sind praxisorientiert und sollen Fabrikbetreibern und Managern einen konkreten Handlungsrahmen geben.

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Wie sieht die Produktion von morgen aus? Zehn Richtlinien sollen bei der Umsetzung helfen.
Wie sieht die Produktion von morgen aus? Zehn Richtlinien sollen bei der Umsetzung helfen.
(Bild: ©Nataliya Hora - stock.adobe.com)

In einer Studie definieren Forscher zehn Richtlinien, um zukunftsfähige Produktionssysteme zu entwerfen. Hinter der Studie „Ganzheitliche Produktionssysteme 4.0“ steht das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung, kurz IPA.

Die Digitalisierung löst Lean Production nicht ab

Eine Erkenntnis der Studie: Die digitale Transformation löst nicht die Grundsätze der Ganzheitlichen Produktionssysteme (GPS) auf. Die Methoden der Lean Production werden auch weiterhin die Abläufe in den Fabriken bestimmen. Aber mit zunehmender Digitalisierung entwickeln sie sich stetig fort.

Der Ziel des Wandels: Die Produktion flexibler gestalten. Ein Unternehmen soll rasch auf Kundenwünsche eingehen können – auch auf sehr spezielle. Industrie 4.0 macht es sogar möglich, Einzelanfertigungen zum Preis von Massenware herzustellen. Dabei hilft, dass das Fließband künftig nicht mehr das Maß aller Dinge ist. In der Fabrik der Zukunft kann die herkömmliche Linienfertigung mit Band und Takt aufgelöst werden – und das bei reduzierten Kosten.

Datenmanagement ist essenziell

Das gelingt aber nur mit einem guten Datenmanagement. Es muss gewährleistet sein, dass alle Daten von jeder Maschine und jedem Vorgang stets verfügbar sind. Mehr noch: Künftig genügt nicht die Optimierung der eigenen Produktionsabläufe. Ein Unternehmen muss auch über den Tellerrand schauen und die Daten seiner Kunden und Zulieferer in seine Abläufe integrieren. Der Studien-Autor Simon Schumacher spricht von „End-to-End-Prozessen ohne Systembrüche“. Die Vernetzung geht also weit über den eigenen Maschinenpark hinaus.

Das macht die Produktion wesentlich komplexer. Die Studie resümiert: Um die Abläufe dennoch beherrschen zu können, sind Hilfen für das Industrial Engineering nötig – ein Werkzeugkasten muss her. Eine Toolbox soll es ermöglichen, Probleme nach standardisierten Verfahren zu lösen. Bei jeder Veränderung von Abläufen oder an Maschinen gibt die Toolbox Hinweise, was zu tun ist.

Voraussetzung: Sie muss leicht zu handhaben und möglichst intuitiv bedienbar sein. Bestandteil der Toolbox sollten auch Anwendungsbeispiele, sogenannte Use Cases, sein. Die Forschungsgruppe „Umsetzungsmethoden für die Digitale Produktion“ will zeitnah den Industriearbeitskreis „Ganzheitliche Produktionssysteme 4.0“ gründen, in dem die Ausgestaltung einer solchen Toolbox praktisch mit Expertinnen und Experten aus dem Industrial Engineering durchgeführt wird.

Die zehn Grundlagen für eine zukunftsfähige Produktion:

  • 1. Mensch als zentraler Erfolgsfaktor: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme ist auf die individuellen menschlichen Bedürfnisse und die Partizipation von interdisziplinären Teams auszurichten.
  • 2. Integrierter Ansatz aus Lean und Industrie 4.0: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme ist in einem integrierten Ansatz aus Lean Production und Industrie 4.0 umzusetzen.
  • 3. Kundenintegration und -individualisierung: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme ist durch Elemente der Kundenintegration und -individualisierung am Kundennutzen auszurichten.
  • 4. Unternehmensübergreifende Kooperation und End-to-End-Prozesse: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme ist auf die unternehmensübergreifende Kooperation für eine durchgängige Betrachtung von End­to­End­Prozessen ohne Systembrüche auszuweiten.
  • 5. Datenmanagement und Transparenz: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme muss ein systematisches Datenmanagement und systemweite Transparenz berücksichtigen.
  • 6. Flexibilität und Wandlungsfähigkeit: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme ist konsequent zur Ausweitung von Flexibilität und Wandlungsfähigkeit zu nutzen.
  • 7. Standardisierung mit nötigen Freiheitsgraden: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme muss umfassende Standardisierung bei gleichzeitiger Wahrung von Freiheitsgraden für individuelle Anwendungsdomänen ermöglichen.
  • 8. Neue digitale Methoden und Werkzeuge: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme ist unter Einbezug neuer digitaler Methoden und Werkzeuge durchzuführen.
  • 9. Toolbox für Methoden und Werkzeuge: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme ist mit einer Toolbox für Methoden und Werkzeuge zu begleiten.
  • 10. Industrie 4.0 durch Use Cases: Die Gestaltung ganzheitlicher Produktionssysteme ist unter Einbezug neuer technologischer Industrie-4.0-Anwendungen und deren Beschreibung in Form von Use Cases umzusetzen.

Die Studie ist Teil der Forschungsarbeiten im Future Work Lab und basiert auf einer zweistufigen Erhebung. Am ersten Teil der Umfrage, einer Web-Survey, beteiligten sich 73 Fachleute. Dabei wurden sieben allgemeine Hypothesen aus der Forschung in der Praxis überprüft. Im zweiten Teil hat das Projektteam 18 ausführliche Interviews mit Fachleuten aus produzierenden Unternehmen geführt.

Die wichtigsten Ergebnisse aus dem Web-Survey

1. Lean Production ist eine notwendige Grundlage für die Gestaltung von Produktionssystemen mit neuen Industrie-4.0-Technologien.
2. Die Weiterentwicklung von Produktionssystemen muss in einem integrierten Ansatz aus Lean Production und Industrie 4.0 geschehen.
3. Alle Ebenen der GPS unterliegen Veränderungen, wobei der Einfluss der Digitalen Transformation auf Methoden und Werkzeuge am größten ist.
4. Die GPS-Struktur ist geeignet für die Gestaltung bestehender und zukünftiger Produktionssysteme.

Zur Studie

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