Zulieferer GKN Driveline in Zwickau-Mosel: Beschäftigte akzeptieren Sozialtarifvertrag
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GKN Driveline will seinen Produktionsstandort im sächsischen Zwickau-Mosel verlagern. Einen umfangreichen Sozialtarifvertrag nahmen die Beschäftigten Anfang März fast vollzählig an. Der Zulieferer sucht nun einen Käufer für sein Werk.

Seit dem 3. März arbeiten die Beschäftigten im GKN-Werk in Zwickau/Mosel wieder. Vorausgegangen war ein viertägiger Streik am Standort – für einen Sozialtarifvertrag. Dieser entstand nach mehreren Verhandlungsrunden, rund 96 Prozent der Beschäftigten vor Ort nahmen ihn an. „Vieles von dem, was uns in den Verhandlungen wichtig war, findet sich in diesem Sozialtarifvertrag wieder: Befristet Beschäftigte, Kolleginnen und Kollegen in Altersteilzeit, aber auch Auszubildende, die sonst leer ausgegangen wären, haben im Falle einer Kündigung Anspruch auf Unterstützung“, sagte dazu Benjamin Zabel, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Zwickau.
Das steht im Sozialtarifvertrag
Der Sozialtarifvertrag regelt für die Beschäftigten bei einer Kündigung eine Abfindung von mindestens 1,5 Brutto-Monatsgehältern je Jahr Betriebszugehörigkeit. Die Mindestabfindung beträgt 17.500 Euro. Für jedes unterhaltsberichtige Kind gibt es zusätzlich 5.000 Euro. Für Behinderte ab einem Grad von 30 sind Aufschläge vorgesehen.
GKN Driveline stattet einen Solidarfonds mit 2,5 Millionen Euro brutto aus, um eine Zusatzzahlung für IG Metall-Mitglieder zu finanzieren. Das Unternehmen finanziert zudem eine Transfergesellschaft, in der Beschäftigte bis zu zwölf Monaten unterkommen können.
Dass es für die Produkte von GKN einen Absatzmarkt gibt, zeigen die Pläne des Unternehmens, ein Werk in Ungarn aufzubauen.
Außerdem berichtet die IG Metall, „dass GKN Driveline und die IG Metall bereits Mitte Februar eine „Tarifvereinbarung über Innovations-und Investorenprozesse“ abgeschlossen haben“. Damit verpflichtet sich das Unternehmen, einen Käufer für das Werk zu suchen und Innovationen am Standort zu entwickeln.
„Das ist eine solidarische Lösung für alle, wie es sie so im Zuge einer Werksschließung im Osten Deutschlands noch nicht gegeben hat“, ergänzte Jörg Kirsten, Betriebsratsvorsitzender von GKN Driveline in Mosel. „GKN wollte uns heimlich, still und leise abwickeln. Doch die Geschäftsführung hat nicht mit dieser kämpferischen Belegschaft gerechnet.“
GKN will Standort Zwickau/Mosel schließen
GKN hatte Mitte Januar verkündet, den Standort „auf absehbare Zeit“ schließen zu wollen. Laut der Nachrichtenagentur dpa soll die Produktion ab der zweiten Jahreshälfte 2023 innerhalb von zwei Jahren an andere Standorte verlagert werden. Rund 835 Beschäftigte sind betroffen.
GKN begründete die Entscheidung laut dpa „mit strukturellen Veränderungen in der Automobilindustrie“. Jörg Kirsten sieht das skeptisch: „Für die mehr als 800 Beschäftigten ist es bitter, dass ihre Arbeitsplätze dem Profit geopfert werden sollen. Denn während das Werk in Mosel dichtgemacht werden soll, zieht der Konzern an anderer Stelle eine neue Fertigung hoch“, kommentierte er in einer Mitteilung.
Beschäftigte fordern Sozialvertrag
Am 29. Januar hatten die Beschäftigten des Unternehmens laut der Lokalzeitung Freie Presse einstimmig beschlossen, Verhandlungen für einen Sozialvertrag aufzunehmen. Darin sollte es auch um eine Transfergesellschaft, Abfindungen und Verhandlungen mit einem möglichen Investor gehen. Priorität hatte aber der Erhalt der Arbeitsplätze. Gegenüber Freie Presse erklärte Benjamin Zabel zu dem Zeitpunkt, „dass der Arbeitgeber nun auch aufgefordert werden soll, aktiv auf Investorensuche zu gehen“.
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Volkswagen
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„Mosel ist nur der Anfang“
Die angedrohte Schließung in Zwickau-Mosel ist nach Einschätzung des Betriebsrates erst der Anfang. Die vom Unternehmen vorgebrachten wirtschaftlichen Argumente treffen demnach auch auf die anderen drei deutschen Standorte zu. „Wenn Mosel erstmal weg ist, ist das nächste Werk dran“, schätzt Jörg Kirsten. In den vergangenen drei Jahren schloss GKN bereits die Werke in Kaiserslautern, Birmingham und Florenz.
Die IG Metall führt nach Angaben eines Sprechers seit dem vergangenen Jahr Verhandlungen über einen Zukunftstarifvertrag und fordert den Erhalt aller GKN-Werke in Deutschland. Am Standort Mosel entstehen Komponenten wie Kugelnaben und Gelenke. Außerdem montieren die Beschäftigten Seitenwellen etwa für BMW, Mercedes, Volkswagen und Audi.
Wirtschaftsminister fordert mehr Mut von GKN
Der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig sieht die Ankündigung ebenfalls kritisch: „Die Entscheidung von GKN ist ein Rückschlag für das Automobilland Sachsen. Wir sind ein führender Automobilstandort, der sich dem Wandel hin zur Elektromobilität erfolgreich gestellt hat. Das bedeutet, dass sich auch die Zulieferindustrie diesem Strukturwandel stellen muss. Zahlreiche Lieferanten haben das schon erfolgreich getan. Dass es für die Produkte von GKN einen Absatzmarkt gibt, zeigen die Pläne des Unternehmens, ein Werk in Ungarn aufzubauen. Ich erwarte von GKN, diese Entscheidung zu überdenken und weiter auf die hohe Kompetenz der Beschäftigten und die gute Qualität der Arbeit in Zwickau zu setzen.“
Das sächsische Wirtschaftsministerium und die Wirtschaftsförderung Sachsen seien „gesprächsbereit und gewillt, im Schulterschluss mit der IG Metall den Standort und die Arbeitsplätze zu sichern“.
Volkswagen-Werk offenbar keine Option
Das nebenan gelegene Werk von Volkswagen scheint keine Option für die GKN-Beschäftigten zu sein. Gegenüber Freie Presse verwies Thomas Edig, Geschäftsführer für Personal und Organisation bei Volkswagen Sachsen, darauf, dass der Fachkräftemangel in der Region „gute Beschäftigungsmöglichkeiten bei Zulieferern und Dienstleistern der Automobilindustrie“ böte.
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Die Volkswagen Sachsen GmbH soll bis zum Jahr 2027 in der Volkswagen AG aufgehen. Das hatte VW bereits Mitte 2021 verkündet. Dazu gehört unter anderem das Angleichen der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden. Um die Mehrkosten zu decken, haben sich Volkswagen und die IG Metall auf einige Maßnahmen geeinigt. Dazu zählt „eine Flexibilisierung beim Mitarbeitereinsatz“, kommentierte ein Sprecher des Autoherstellers.
„Transformieren statt zu schließen“
Irene Schulz, Bezirksleiterin IG Metall Berlin, Brandenburg, Sachsen und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, fordert Transformation statt Schließung: „Seit über vier Jahrzehnten produzieren die Beschäftigten in Mosel hochwertige Teile für die Autoindustrie. Sie haben eine Zukunftsperspektive statt das Aus für ihren Betrieb und ihre Stellen verdient. Das Unternehmen muss die Transformation der Autoindustrie offensiv und konstruktiv angehen statt einseitig und rückwärtsgewandt auf Stellenabbau zu setzen und ganze Werke dicht zu machen.“
GKN in Deutschland an vier Standorten
Der Autozulieferer GKN produziert in Deutschland mit rund 1.400 Beschäftigten in Offenbach, in Zwickau-Mosel, mit rund 250 Menschen in Kiel und betreibt in Trier eine Schmiede mit etwa 150 Beschäftigten. Das Werk in Kaiserslautern wurde bereits 2018 geschlossen.
Seinen Hauptsitz hat GKN Automotive in Birmingham, Großbritannien. Der Zulieferer ist in 20 Ländern tätig und beschäftigt weltweit 25.000 Mitarbeiter. Im Berylls-Ranking der weltweit größten Automobilzulieferer belegte GKN im Jahr 2021 mit 4,5 Milliarden Euro Umsatz Platz 60. Die komplette Tabelle gibt es im E-Paper.
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