Elektromobilität Hybrid mit Brennstoffzelle und Akku: schnell tanken und weit fahren

Autor Thomas Günnel

Fahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzelle sind noch rar auf dem Markt – in einem Forschungsprojekt haben die Projektpartner aber bereits einen möglichen nächsten Entwicklungsschritt vorgestellt.

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Wasserstoff-Brennstoffzelle und Batteriepack: Im Demonstrator arbeitet ein hybrider Antriebsstrang aus beiden E-Mobilitäts-Welten.
Wasserstoff-Brennstoffzelle und Batteriepack: Im Demonstrator arbeitet ein hybrider Antriebsstrang aus beiden E-Mobilitäts-Welten.
(Bild: Klima- und Energiefonds/APA-Fotoservice/Ferlin-Fiedler)

Elektromobilität: Das bedeutet heute in der Regel Fahrzeuge mit Brennstoffzellensystemen und sehr kleinen Puffer-Batterien oder mit einem rein batterieelektrischen Ansatz. Im Projekt „Keytech4EV“ – sinngemäß für „Schlüsseltechnologie für elektrische Fahrzeuge“ kombinierten mehrere Partner aus Industrie und Wissenschaft beide Ansätze in einem hybridisierten Gesamtsystem, das in einem Demonstrationsfahrzeug verbaut ist.

An das wurden ambitionierte Anforderungen gestellt: Das vollwertige Mittelklasse-Fahrzeug sollte in seiner Energieeffizienz einem Kraftstoffverbrauch von 2.5 l/100 km Benzin eines C/D-Mittelklassefahrzeugs entsprechen, die Antriebsstrangkosten reduzieren und kein CO2 emittieren.

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Die Zielvorgabe für die Reichweite lag bei über 500 Kilometern – und das Konzeptfahrzeug sollte sich wie ein vergleichbares Serienfahrzeug fahren. Vorstudien hatten bereits gezeigt, dass diese Ziele durchaus erreichbar sind. Vor allem die Kosten für das Antriebssystem seien deutlich geringer verglichen zu reinen Brennstoffzellen- und Batteriesystemen.

Günstiger Antriebsstrang

Wie kann das funktionieren? „Die Aussage gilt für Fahrzeuge mit Reichweiten im Bereich von 500 Kilometern und darüber“, erklärt Dipl.-Ing. Jürgen Rechberger, Leiter Brennstoffzellenentwicklung beim österreichischen Antriebsentwickler AVL. „Um diese Reichweite zu ermöglichen, eignet sich eine sehr große und teure Batterie – oder eben eine Brennstoffzelle. Aufgrund der derzeit spezifisch niedrigeren Kosten von Batterien – im Vergleich zu Brennstoffzellen – liegt das Kostenoptimum für die nächsten fünf bis zehn Jahre bei einem Hybriden, langfristig wahrscheinlich bei einem reinen Brennstoffzellenantrieb mit sehr kleiner Batterie.“

Wie funktioniert der Hybrid? Vereinfacht gesagt teilen sich beide Systeme die jeweiligen Aufgaben: Die Brennstoffzelle dient dem Antrieb, während die Batterie Rekuperationsenergie speichert und auch beim Beschleunigen unterstützt. „Eine Batterie ist in Kombination mit Brennstoffzelle immer notwendig, um Bremsenergie rekuperieren zu können“, sagt Rechberger.

Im Konzeptfahrzeug ist die Brennstoffzelle nicht auf Spitzenleistung ausgelegt, sondern auf eine Durchschnittsleistung – die Batterie dient als Puffer. „Aus Kostengründen haben wir die Batterie etwas größer ausgelegt, da derzeit wie gesagt die spezifischen Kosten von Batterien unter denen einer Brennstoffzelle liegen.“ Das Gewicht des Fahrzeugs ist praktisch identisch mit dem Basisfahrzeug, einem Plug-in-Hybriden mit Verbrennungsmotor und E-Antrieb.

In drei Minuten tanken

Aufgebaut ist der hybride Antrieb auf einem Passat GTE. Der Brennstoffzellenstack leistet 70 Kilowatt. Im Fahrzeug verbaut ist ein Drucktank, der vier Kilogramm Wasserstoff bei 700 Bar speichert und sich in etwa drei Minuten betanken lässt. Die Akkukapazität beträgt rund zehn Kilowattstunden. Den Verbrauch des Demonstrationsfahrzeugs geben die Projektpartner mit 0,8 kg/100 km an. Den Antrieb leistet ein 100 Kilowatt starker Elektromotor.

Für andere Fahrzeugklassen eignet sich der Hybridantrieb laut Rechberger auch: „Das System kann beliebig skaliert werden und kommt in ähnlicher Konfiguration sogar in schweren Nutzfahrzeugen zum Einsatz. Dort nutzen wir eine Brennstoffzelle mit 250 bis 300 Kilowatt elektrischer Leistung. Die Batteriekapazität in den Trucks liegt bei etwa 80 bis 120 kWh.“ Die Fahrleistungen sind laut Jürgen Rechberger dieselben wie mit einem konventionellen Dieselmotor.

Die Technologie ist heute bereits großserientauglich.

Günstig, skalierbar, hohe Reichweite: nächster Schritt Serienfertigung? Theoretisch schon: „Die Technologie ist heute bereits großserientauglich. Die niedrigen Produktionsvolumen liegen im Moment praktisch ausschließlich an der mangelnden Wasserstoffinfrastruktur“, sagt Rechberger. Henne und Ei – noch. „Selbstverständlich wird es noch massive Verbesserungen in Richtung Kosten, Dauerhaltbarkeit und Performance geben. Aber mit dem Technologiestatus von heute wären bereits Herstellkosten von vergleichbaren Batteriefahrzeugen möglich.“

Arbeitsplätze in der Fertigung

Die Produktion der Brennstoffzellen hätte dabei einen Vorteil, Stichwort: Arbeitsplätze. Die Brennstoffzelle ist in ihrer Komplexität mit einem konventionellen Motor vergleichbar. „Es gibt aber keine Abhängigkeit von asiatischen Zulieferern, und ein Großteil der Wertschöpfung könnte innerhalb Europas dargestellt werden. Für die Fertigung einer Brennstoffzelle werden auch mehr Arbeitskräfte – vor allem lokal in Europa – benötigt als für eine vergleichbare Batteriezellenfertigung zum Beispiel in Asien“, so Rechberger.

Die Anforderungen an die Lebensdauer beim Einsatz in einem Pkw erfüllen Brennstoffzellen bereits. „Die Brennstoffzelle altert über die Lebensdauer von 200.000 bis 250.000 Kilometer – entspricht rund 5.000 Stunden – um ungefähr zehn Prozent, liefert also rund zehn Prozent weniger Leistung“, erklärt Rechberger. Für den Einsatz in Lastkraftwagen seien noch Verbesserungen notwendig, die Lebensdauern reichen hier bis zu 25.000 Stunden. Zum Vergleich: Ein Lithium-Ionen-Akku altert im selben Zeitraum um ebenfalls rund 10 bis maximal 30 Prozent, abhängig vom Zelltyp, dem Temperatur- und Fahrprofil sowie der mechanischen Belastung der Zellen.

Den Wirkungsgrad erhöhen

Noch ungelöst: Die Wasserstoff-Brennstoffzelle hat einen über die gesamte Herstellungskette des Wasserstoffs geringen Wirkungsgrad. Hinzu kommt die Tatsache, dass zu viel Wasserstoff aus Erdgas – und damit einem fossilen Energieträger – hergestellt wird. Mehr regenerativ hergestellter Wasserstoff würde das Blatt wenden, denn „eine Wasserstoffinfrastruktur ist bei größeren Fahrzeugflotten deutlich günstiger als eine vergleichbare Ladeinfrastruktur für Batteriefahrzeuge“, sagt Rechberger.

„Für eine gewisse Marktdurchdringung ist jedoch eine Basisversorgung mit Wasserstofftankstellen notwendig. Basierend auf den Plänen zum Infrastrukturaufbau erwarten wir signifikante Stückzahlen von Brennstoffzellenfahrzeugen im Zeitraum ab 2025“, skizziert er. Sein Fazit: „Spätestens 2025 wird fast jeder Automobilhersteller ein Brennstoffzellenmodell im Angebot haben. Langfristig erwarten wir einen hohen Marktanteil von Brennstoffzellenfahrzeugen vor allem im Segment größerer und schwerer Pkws mit hohen Reichweiten beziehungsweise Fahrleistungen.“

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Die Projektpartner und ihre Aufgaben

Am Projekt beteiligt waren der Antriebssystementwickler AVL, die Komponenten- und Subsystemhersteller Hörbiger, Magna, Elring Klinger, die Forschungseinrichtungen TU Graz, TU Wien, HyCentA (Hydrogen Center Autria) und das Kleinunternehmen Iesta.

Hörbiger entwickelte das Wasserstoffeinspritzventil und erarbeitete gemeinsam mit „HyCentA“ die passive Wasserstoffrezirkulation. Magna entwarf einen Wasserstofftank für den Mitteltunnel und lieferte das Wasserstofftanksystem für das Fahrzeug. Das HyCentA berechnete und simulierte die Betankungsvorgänge. Elring Klinger entwickelte seine Brennstoffzellenplattform weiter, um die geforderte Leistung zu erzielen.

Die TU Graz unterstützte die Lebensdaueruntersuchungen. AVL wiederum entwickelte das gesamte Brennstoffzellensystem und dessen Regelung; und gemeinsam mit Iesta das Brennstoffzellen-Kühlsystem. Die TU Wien übernahm die Modellentwicklung für die Zustandsüberwachung der Brennstoffzelle während des Betriebs. Letztlich integrierte und validierte AVL alle Kerntechnologien auf System- und Fahrzeugebene. Die Projektlaufzeit betrug insgesamt drei Jahre, von Februar 2017 bis Januar 2020, die Gesamtkosten summierten sich auf rund 5,8 Millionen Euro, 3,6 Millionen davon steuerte der österreichische Klima- und Energiefonds bei.

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