Elektronik Lidar-Technik: Auf dem Pfad der Erleuchtung

Autor Sven Prawitz

Ibeo hat seit gut einem Jahr ihre Lidar-Technik im Serieneinsatz. Noch sind die Sensoren kein Massenprodukt – dennoch investiert der Zulieferer bereits in die nächste Generation. Die Kooperation mit AMS soll helfen, die Lidar-Technik kleiner, robuster und günstiger zu machen.

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Lidar-Sensoren erfassen das Umfeld und dessen Objekte vor dem Fahrzeug und liefern damit zusätzliche Informationen.
Lidar-Sensoren erfassen das Umfeld und dessen Objekte vor dem Fahrzeug und liefern damit zusätzliche Informationen.
(Bild: ZF Friedrichshafen)

Bei kaum einer Komponente bringen sich sowohl die Automobilhersteller als auch deren Zulieferer so stark in Stellung wie bei den Lidar-Sensoren. Und bei kaum einer anderen Komponente gibt es so viele gut finanzierte Start-ups. Die Unternehmensberatung Yole Développement beziffert die privaten Investitionen in Lidar-Unternehmen für die Jahre 2016 und 2017 auf jeweils 400 Millionen US-Dollar – 2015 wurden lediglich acht Millionen ausgegeben. Die Unternehmen investieren die gesammelten Millionen kräftig in die Entwicklung der Lidar-Technik – die Sensoren müssen vor allem robuster werden, und der Anspruch an die Auflösung ist in der Automobilbranche deutlich höher als bei manch anderen Anwendungen. Noch sind wenige Sensormodelle auf dem Markt verfügbar. Valeo beliefert seit gut einem Jahr Audi mit sogenannten mechanischen Lidarsystemen. Deren Lichtquelle – entwickelt von Ibeo – emittiert Laserstrahlen im Infrarotbereich. Diese werden durch kleine bewegliche Spiegel umgelenkt. Damit decken die Sensoren einen Bereich vor dem Fahrzeug ab und erfassen in diesem Sichtfeld Objekte.

Großer Lidar-Markt

Die Lidartechnik gilt als Schlüssel zum hoch- und vollautomatisierten Fahren. Schließlich gleicht Lidar die Schwächen von Radar (Objekterkennung, Winkelauflösung) und Kamera (Abhängigkeit von Sichtverhältnissen/ Wetter) aus. Mit einer Fusion der Daten aus allen Sensorsystemen können nahezu alle Umgebungsbedingungen bewältigt werden: ob Schnee oder Regen, ob Dunkelheit oder gleißendes Sonnenlicht. Laut Yole wird sich der Markt für Lidarsysteme innerhalb der kommenden fünf Jahre mehr als verzehnfachen – auf weit über drei Milliarden US-Dollar. Zwei Drittel davon sollen dabei auf Anwendungen in Robotaxis entfallen.

Der Zulieferer ZF betätigte sich früh in diesem Feld: Anfang 2016 beteiligten sich die Friedrichshafener am Lidar-Spezialisten Ibeo. Damit ist ZF eines der ersten Unternehmen mit einer Serienanwendung im Markt. Neben dem A8 sollen nun weitere Audi-Oberklassemodelle den Valeo-Sensor optional bekommen. ZF selbst rechnet im Jahr 2030 mit etwa zehn Millionen automatisierten Fahrzeugen (mindestens Level 3) auf den Straßen weltweit. Einen ersten signifikanten Anstieg von Level-3-Pkws erwartet der Zulieferer vom Jahr 2020 auf 2021.

Empfindliche Spiegel

Derweil arbeiten ZF und Ibeo an der nächsten Generation der Technik. Die beweglichen Spiegel verhindern eine Miniaturisierung und sind anfällig gegenüber Umwelteinflüssen wie Stößen oder Staub. Die Solid-State-Technologie soll hier Abhilfe schaffen. Solid-State ist ein Sammelbegriff für Techniken, bei denen das Licht durch Halbleiterkomponenten abgelenkt wird. Das können sogenannte Mikrospiegel sein, die durch elektrostatische Felder zwischen zwei definierten Positionen wechseln (MEMS, microelectromechanical systems), oder eine Matrix von Laserdioden, die die Phase des emittierten Lichts elektronisch variiert.

Auf dem Gebiet der letztgenannten Technik entwickelt auch Ibeo Lidar-Produkte: Eine Partnerschaft mit dem österreichischen Elektronikunternehmen AMS soll diese Tätigkeiten unterstützen. AMS hat eine Laserlichtquelle im Portfolio, die im nahen Infrarotbereich das Licht direkt aus seiner Oberfläche aussendet. Im englischen heißt diese Technik „vertical cavity surface emitting laser“, kurz VCSEL. Die Vorteile sind eine niedrige Ausgangsleistung und ein sehr geringer Bauraum. „Die Technologie ist in nicht-automobilen Bereichen weit verbreitet“, teilt ein Sprecher von AMS mit. Erste Anwendungen der AMS-Laserquelle gebe es aber bereits in der Automobilbranche. Kunden wollte AMS auf Nachfrage jedoch nicht nennen.

„AMS ist der Branchenführer in der Entwicklung der VCSEL-Technologie für Solid-State-Lidar-Anwendungen“, sagt Aine Denari, Senior Vice President, Global Electronics ADAS, bei ZF. Sie ergänzt: „VCSEL ist ein Wegbereiter für Ibeos 4-D-Lidar-Technik.“ Mit 4D ist die Ausbreitung in x-, y- und z-Richtung plus die Intensität gemeint. Die Technik von AMS erlaube engere Bandbreiten, mit denen sich effektivere Filter, eine höhere Leistungsdichte und ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis erreichen lassen. „Die Kombination aus unserem Lösungs-Know-how und der VCSEL-Technologie von AMS wird zum Durchbruch des Solid-State Lidar im Automobilbereich führen“, ist sich Ulrich Lages, CEO von Ibeo, sicher.

Erster Einsatz im People Mover

Auch wenn die Kooperation erst kürzlich bekanntgegeben wurde, arbeiten die drei Unternehmen laut Denari bereits seit über zwei Jahren zusammen. „Momentan sind wir mit mehreren OEMs und People-Mover-Herstellern im Gespräch“, gibt sie einen vagen Ausblick. Innerhalb des Projekts ist Ibeo für das Design des Solid-State-Lidar und die Integration der VCSEL-Komponenten von AMS verantwortlich. ZF wird die Systeme dann produzieren und auf den Markt bringen. Ab Ende 2021 soll das neue Ibeo Lidar für einen People Mover produziert werden. Für Pkws soll die Serienproduktion kurze Zeit später starten. In diesem Bereich sieht man bei ZF nicht nur einen Bedarf für Level-3 und Level-4-Funktionen, sondern auch für einige Anwendungen des sogenannten Level-2-Plus, mit deutlich verbesserten Systemen der Kategorie Level 2.

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