Kurz getestet So fährt sich der Retro-Stromer Microlino

Von Andreas Wehner Lesedauer: 7 min |

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Er hat durchaus Charme, ist klein, aber groß genug für die meisten Erledigungen in der Stadt – allerdings ist er verhältnismäßig teuer. Wir haben eine Runde im Microlino gedreht. Was sind die Vor- und Nachteile?

Der Microlino ist jetzt in Deutschland erhältlich.
Der Microlino ist jetzt in Deutschland erhältlich.
(Bild: Wehner - Vogel Communication Group)

„Knuffig“, schreibt jemand auf LinkedIn, als ich in der vergangenen Woche ein paar Fotos von meiner Testfahrt mit dem Microlino poste. „Richtig zum Liebhaben“, sagt eine Bekannte, der ich von meiner Begegnung mit dem Retro-Stromer berichte, der den Kabinenrollern der 1950er-Jahre nachempfunden ist. Das Design ist durchaus gelungen. Der „Will-haben-Faktor“ ist recht groß.

Das merkten auch die Unternehmensgründer Wim, Merlin und Oliver Ouboter, als sie das Konzept im Jahr 2016 erstmals auf dem Genfer Automobilsalon vorstellten. Der Plan: Wenn es 500 Reservierungen für das Fahrzeug gibt, sollte es gebaut werden. Und die Resonanz war groß. Genügend Interessenten waren schnell gefunden.

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Bis es dann letztlich soweit war, dass das Auto auf die Straße kam, galt es einige Klippen zu umschiffen. Erst wurde der ursprüngliche Produktionspartner verkauft, dann gab es Probleme mit dem neuen Besitzer, die in einen Rechtsstreit mündeten. Hinzu kam die Corona-Pandemie und die Lieferkettenprobleme. Also wurde es 2023, bis das Auto tatsächlich auf den Markt kommen konnte – zunächst in der Schweiz, seit der vergangenen Woche auch in Deutschland.

„This is not a car“, heißt es bei der Präsentation. Nein. Es handelt sich um ein Leichtelektromobil der Klasse L7e. Für solche Fahrzeuge gelten andere Voraussetzungen als für Pkw: Sie dürfen höchstens 450 Kilogramm (ohne Batterie) auf die Waage bringen und eine maximale Leistung von 15 KW haben. Außerdem müssen sie deutlich geringere Sicherheitsanforderungen erfüllen.

Der Microlino hat allerdings – im Gegensatz zu den meisten Fahrzeugen seiner Klasse – eine selbsttragende Karosserie aus Stahl und Aluminium. Üblich ist ein Gitterrohrrahmen mit Kunststoffverkleidung. Der Microlino soll daher sicherer und langlebiger sein.

Einstieg durch die Fronttür

An was denkt man, wenn man den Microlino zum ersten mal sieht? Ganz klar, an die BMW Isetta – zumindest wenn man sich wenigstens ein bisschen für Autos und die Automobilgeschichte interessiert. Wie das klassische Vorbild hat der Microlino seine Tür vorne. Sie schwingt seitlich auf, nachdem ich den Knopf unter dem linken Außenspiegel betätige.

Der Einstieg ist etwas gewöhnungsbedürftig. Ich krabble hinein und ziehe die Tür an einer Schlaufe zu. Dank einer Soft-Close-Funktion braucht es dazu nicht viel Kraft. Man sitzt auf einer längs verstellbaren Zweiersitzbank, auf der es durchaus kuschelig wird, wenn man mit Beifahrer unterwegs ist. In der Höhe ist der Platz ausreichend, aber nicht üppig. Mit 1,83 Metern sitze ich noch ganz gut. Größere Fahrer müssen den Kopf etwas zur Mitte neigen.

Das Lenkrad erinnert mich an die Momo-Sportlenkräder, die sich in meiner späten Jugend alle in ihren selbst tiefergelegten Polo gebaut haben. Einen Airbag gibt es nicht. Er ist in dieser Fahrzeugklasse nicht vorgeschrieben und würde den Preis und das Gewicht nach oben treiben. Dahinter findet sich digitales Instrumentendisplay. Rechts daneben gibt es noch einen kleinen, schmalen Touchscreen zur Bedienung von Lüftung, Licht und der sonstigen, wenigen Fahrzeugfunktionen. Das sieht schick aus und ist eine coole, zweckmäßige Lösung.

Schließlich braucht es keinen Infotainment-Touchscreen – denn der Microlino hat kein Infotainmentsystem. Navigiert wird mit dem Smartphone. Die Halterung dafür ist serienmäßig verbaut. Wer Musik hören möchte, kann das mit einer Bluetooth-Box tun, die je nach Ausstattungsvariante dabei ist. Sie findet Platz im Becherhalter neben dem Beifahrer und kann per USB mit Strom versorgt werden.

Insgesamt gibt es vier USB-Anschlüsse. Das ist mehr als in so manchem Pkw. Alle vier sind allerdings Typ-A-Buchsen. Auf die modernen USB-C-Anschlüsse müssen Microlino-Fahrer verzichten. Sie spielen ihre Vorteile aber auch vor allem bei Datenverbindungen aus. Und im Microlino geht es ja nur ums Strom zapfen.

Drei Batterievarianten

Apropos Strom: Den Microlino gibt es mit drei Batterievarianten: Die kleinste hat eine Kapazität von 6 kWh und ermöglicht eine Reichweite von bis zu 91 Kilometern. In der mittleren Akkuvariante mit 10,5 kWh kommt das Fahrzeug laut Datenblatt mit einer Ladung bis zu 177 Kilometer weit. Außerdem gibt es eine 14-kWh-Batterie, die eine Reichweite von bis zu 230 Kilometern ermöglicht.

Der Microlino verfügt über einen Typ-2-Stecker und kann mit dem entsprechenden Kabel sowohl an AC-Ladestationen und Wallboxen wie auch an einer Haushaltssteckdose aufgeladen. Die Ladeleistung ist die gleiche. 2,6 kW beziehungsweise 1,35 kW für die kleinste Batterievariante. Es dauert also drei bis vier Stunden, bis der leergefahrene Akku wieder voll ist.

Angetrieben wird der Microlino von einem 12,5 kW/17 PS starken Elektromotor im Heck. Er entwickelt ein maximales Drehmoment von 89 Nm und ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h. Der Stromverbrauch laut WLTP beträgt je nach Akkugröße zwischen 5,9 und 6,6 kWh auf 100 Kilometer.

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Also, fahren wir mal! Wo ist der Startknopf? Gibt es nicht. Der Microlino hat einen Zündschlüssel. Also reinstecken, umdrehen, warten. Nichts passiert. Habe ich etwas falsch gemacht? Nein, es dauert einfach eine Weile, bis das System hochfährt und das Display anspringt. Die Handbremse gelöst (mechanisch) und los geht es.

Gleich mal Vollgas. Klar, der Microlino ist kein Sportwagen. Aber gerade zu Beginn schiebt er ordentlich nach vorne. Ein Sport-Knopf soll kurzzeitig für mehr Leistung sorgen. Wirklich spüren kann ich das nicht. Nach fünf Sekunden ist der Boost auch schon wieder zu Ende – aus Energiespargründen.

Man spürt jedes Schlagloch

Bei zunehmender Geschwindigkeit wird es allerdings recht laut. Das das sind keine Wind oder Abrollgeräusche. Der Antrieb entwickelt ein hohes Surren, das auf Dauer durchaus nervig ist. Bei den niedrigen Geschwindigkeiten in der Stadt fällt das nicht so ins Gewicht, aber wer die Höchstgeschwindigkeit öfter mal ausnutzen möchte, sollte sich dessen bewusst sein. Auch in Sachen Fahrwerk darf man im Microlino keine Pkw-Standards anlegen. Zwar gibt es eine in dieser Klasse nicht unbedingt übliche Einzelradaufhängung. Man spürt allerdings jede Bodenwelle und jedes Schlagloch.

Das Kofferraumvolumen des Microlino beträgt 230 Liter. Das ist ein ordentlicher Wert angesichts der Fahrzeuggröße. Drei Getränkekisten passen in das Heckabteil des kleinen Stromers. Der Kleinstwagen wiegt 435 Kilogramm ohne Batterie. Mit Akku sind es, je nach dessen Größe, zwischen 496 und 530 Kilogramm. Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 750 Kilogramm – es bleiben also 220 Kilogramm für Fahrer, Beifahrer und Gepäck. Das sollte in den meisten Fällen ausreichen.

Der größte Vorteil des Microlino: Er braucht wenig Platz. Und er kann – wo es erlaubt ist – mit seinen 2,52 Metern Länge quer einparken. Durch die Fronttür kann man dann direkt auf den Bürgersteig aussteigen.

Pioneer-Edition zum Marktstart

Zum Marktstart ist zunächst die auf 999 Exemplare limitierte Pioneer-Edition erhältlich. 400 Einheiten sind für Deutschland vorgesehen. Die Variante kommt mit LED-Scheinwerfern und einer LED-Leiste an Front und Heck. Ein Faltdach sorgt für Licht und zusätzliche Frischluft. Die Sitze sind mit veganem Leder bezogen. Als Stromspeicher ist die mittlere Batterie verbaut. Eine Plakette mit eingravierter Seriennummer soll für Exklusivität sorgen. Der Preis: ab 22.690 Euro.

Die drei regulären Ausstattungsvarianten sind später im Jahr bestellbar. Die Einstiegsversion „Urban“ kommt mit der kleinen Batterie und festem Dach. Sie kostet mindestens 17.690 Euro. Das Faltdach kostet 590 Euro Aufpreis. Die Variante „Dolce“ kostet mindestens 19.690 Euro und wird mit allen drei Batterievarianten verfügbar sein. Für den „Competizione“, den es ab 21.690 Euro gibt, sind die mittlere und die große Akkuversion verfügbar. Der Aufpreis für die nächstgrößere Batterie beträgt jeweils 1.500 Euro.

Der Dolce präsentiert sich mit bunten Außenfarben und Chrom an Fenstern und Scheinwerfern im Retro-Look. Der Competizione dagegen setzt mit matten Außenlackierungen modernere Akzente. Die LED-Lichtleiste vorne und hinten, das Faltdach aus Stoff sowie die veganen Lederbezüge im Innenraum gehören in beiden Varianten zum Serienumfang.

Kein Schnäppchen

Ein Schnäppchen ist der Microlino bei diesen Preisen nicht. Zum Vergleich: Den L7e-Konkurrenten Ari 902 gibt es ab 13.990 Euro. Der Dacia Spring ist vor Abzug der Umweltprämie für 22.750 Euro erhältlich – und ist ein vollwertiges Auto.

Die hohen Preise des Microlino sind vor allem den kleinen Produktionsvolumina geschuldet. 2023 sollen 4.000 Einheiten beim Produktionspartner Cecomp in Turin entstehen. Derzeit laufen pro Tag zehn Fahrzeuge vom Band. Die Zahl soll sich schnell auf 20 erhöhen. Im Zweischichtbetrieb sollen bis zu 10.000 Einheiten pro Jahr möglich sein. Neben einer Skalierung durch mehr Produktion wollen die Entwickler an weiteren Stellschrauben drehen, um die Fahrzeuge günstiger zu machen.

Was dem Microlino – ebenso wie anderen L7e-Fahrzeugen – im Vergleich zu Pkw-Modellen zum Nachteil gereicht: Sie fallen nicht unter die Umweltprämie und erhalten somit keine bundesweite Förderung. Zwar gibt es die eine oder andere lokale oder regionale Fördermaßnahme. Aber damit hängt es vom Wohnort beziehungsweise dem Ort der Zulassung ab, wie viel man für das Modell tatsächlich bezahlt. Eine Initiative mehrerer Hersteller soll jetzt die Politik für diese Thematik sensibilisieren.

Nichtsdestotrotz ist Deutschland der wichtigste Markt: 1.500 der geplanten 4.000 Einheiten sollen in diesem Jahr hierzulande verkauft werden.

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