Historie 125 Jahre Kleinwagen von Renault

Von Wolfram Nickel/SP-X Lesedauer: 5 min

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Mit kleinen Autos zettelt Renault gerne große Revolutionen an – und das erfolgreicher als viele andere Hersteller von Kleinwagen. Eine Geschichte, die vor 125 Jahren begann.

1898: In einer kleinen Gartenwerkstatt baut Louis Renault mit 21 Jahren sein erstes Auto, die kleine Voiturette.
1898: In einer kleinen Gartenwerkstatt baut Louis Renault mit 21 Jahren sein erstes Auto, die kleine Voiturette.
(Bild: Renault)

Die Deutschen hatten das Patent-Automobil erfunden, aber es brauchte den revolutionären Esprit von Paris, um das neue Mobilitätskonzept Ende des 19. Jahrhunderts in Fahrt zu bringen. Kein Wunder, dass Louis Renault, einer der frühen Automobilkonstrukteure, diese Kapitale der Moderne wählte, um Ende 1898 seine Voiturette vorzustellen.

Am Montmartre kletterte der winzige Kleinwagen dank neuartigem Direktantrieb, also ohne übliche Ketten, die steile Rue Lepic hinauf, zur Verblüffung der Passanten. Prompt erhielt Louis Renault genügend Bestellungen für den kleinen Einzylinder-Helden, der kurz danach mit erstem Dreigang-Getriebe beeindruckte und erneut Technikgeschichte schrieb.

Es war die Geburtsstunde eines der größten europäischen Industrieunternehmen, das bis 1944 vom ebenso leidenschaftlichen wie kreativen Louis Renault geleitet wurde. Vom Kleinwagen bis zur Luxuskarosse: Renault schien anfangs alles zu gelingen. Vor allem aber sind es die bezahlbaren und cleveren Miniflitzer, mit denen die Marke mit dem Logo des Rhombus bis heute weltweit erfolgreich ist.

So gewann der Renault 4 CV ab 1950 sogar die Herzen der Amerikaner und Japaner, während der R 4 in den 1960ern als automobiles Anti-Statussymbol Wellen schlug. Der R5 visualisierte die bunte Plastik-Popkultur der 1970er, der Zoe verkörpert seit 2012 die Vision emissionsfreier City-Cars, und der zum 125. Renault-Jubiläum aufgefrischte Clio überrascht als bestverkauftes französisches Auto aller Zeiten.

16 Millionen verkaufte Renault Clio in fünf Generationen

Mehr als 16 Millionen Clio in fünf Generationen konnte Renault seit 1990 bis heute absetzen, damit übertrifft das Unternehmen sogar die Stückzahl des legendären Ford Model T. Das Erfolgsgeheimnis dieses nach einer Muse aus der griechischen Mythologie benannten kleinen Charmeurs?

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Der Clio präsentierte sich über die Jahre in fast beispielloser Variantenvielfalt, mit der die findigen Franzosen Kunden auf vier Kontinenten begeisterten. In fröhlichen Farben, rundlichen Formen und mit luxuriöser Baccara-Linie verstand er sich als Frauenversteher. Als Clio Williams mimte er ab 1993 den männlichen Krawallo, der Golf GTI & Co. davon stürmte. Als 1999 eingeführter Clio Renault Sport V6 konnte er es gar mit Maserati und Porsche aufnehmen.

Und dann gab es noch das Kontrastprogramm der Volksfahrzeuge, die hierzulande unbekannt geblieben sind. Unter Namen wie Symbol, Thalia oder Tricorps wurden Clio-Stufenheckmodelle in Osteuropa, Asien, Südamerika und Afrika produziert. Nicht zu vergessen Dacia, die erfolgreiche Renault-Billigmarke aus Rumänien, bei der mehrere Modelle auf Clio-Technik setzen.

Ab 2024 kommen neue vollelektrische Renault-Modelle

So befreite der Clio den Renault-Konzern aus den wirtschaftlich freudlosen 1980ern, gab Schub fürs neue Jahrtausend. Genau so soll der Clio heute mit effizienten Hybridantrieben und adrenalinhaltiger Alpine-Ausstattung die Zeit überbrücken, bis ab 2024 neue vollelektrische kleine Kultmodelle die Marke aufladen.

Tatsächlich hat Renault auch in großen Klassen immer wieder außergewöhnliche Akzente setzen können, aber die tollsten Typen für den Konzern und die Automobilgeschichte waren stets Gallier, die an den genialen Esprit des Comic-Helden Asterix erinnerten.

So konterte Renault im Jahr 1900 die damals dominierende Mode großer offener Tourenwagen in kutschenartigem Design mit dem kürzesten City-Coupé aller Zeiten: Der kuriose Renault Typ B war nur 1,90 Meter lang, aber 1,80 Meter hoch und bot sensationell viel Platz für zwei Passagiere. So viel Mut zu neuen Wegen sprach sich bis Berlin herum, dort konnte Renault 1907 seine erste Repräsentanz eröffnen – und damit früher als alle anderen bis heute in Deutschland aktiven Importeure.

Juvaquatre wird zum Volumenmodell

Während kompakte Renault-Modelle in den 1920ern eher durch Siege bei Effizienz-Wettbewerben auffielen als durch große Stückzahlen, sollte der 1937 vorgestellte Juvaquatre ein neues Kapitel französischer Kleinwagengeschichte aufschlagen. Als erstes Modell der Marke verfügte der 3,60 Meter kurze und von einem 1,0-Liter-Vierzylinder angetriebene Juvaquatre über eine selbsttragende Karosserie und Einzelradaufhängung.

Damit folgte der zukunftsweisende Franzose dem Konzept von Opel Olympia und Kadett, konnte jedoch mit einem Interieur in Pariser Couture und günstigen Preisen punkten. Bereits 1942, während des Zweiten Weltkriegs, entstand der erste Prototyp des Renault 4 CV, dessen Layout viele Ähnlichkeiten mit dem Volkswagen aufweist.

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Nach dem Krieg setzte der Präsident der soeben verstaatlichten Régie Renault, Pierre Lefaucheux, gegen große Widerstände den Bau des charmant gezeichneten viertürigen Heckmotor-Kleinwagens durch. Das hierzulande vom Volksmund liebevoll „Cremeschnittchen“ genannte Volumenmodell – mit blassgelber Lackierung leuchteten die Limousinen in der grauen Nachkriegstristesse – wurde zum Kassenschlager.

Es wurde zu zehntausenden in den USA abgesetzt und in Japan fand bei Hino sogar eine Lizenzfertigung als erstes asiatisches Volksfahrzeug statt. Auch der 1956 lancierte etwas größere, schwungvoll gezeichnete Renault Dauphine etablierte sich als globaler Bestseller.

Erfolgsstory des R5 wird fortgesetzt

Die 1960er zeigten sich als Dekade der Verwerfungen, in der Renault gleich zu Beginn durch den unkonventionellen Typ R4 mit Frontantrieb und im Layout eines Hochdachkombis Zeichen setzte. Ein ebenso praktischer wie pragmatischer Aktivist, den Studenten als Anti-Statussymbol liebten und der ab 1968 auch als offener Strandwagen namens R4 Plein Air für Furore sorgte.

Gegen den zeitgleich aufgelegten Spaß- und Jagdwagen Citroen Méhari konnten sich jedoch erst die 1970 folgenden R4/R6 Rodeo durchsetzen. Zwei Jahre später sprengte der R5 gewohnte Fahrzeugkategorien. Mit poppigen Farben á la Giftgrün und Schockorange und pfiffigen Plastikstoßfängern, vor allem aber mit sensationell viel Platz auf nur 3,51 Metern.

Dazu reichte das Typenportfolio für „la cinq“ von knausrig bis zu furiosen Alpine und den Mittelmotor-Renner R5 Turbo. Eine Erfolgsstory, die in zwei Generationen und 22 Jahren neun Millionen Einheiten hervorbrachte und 2024 mit vollelektrischen R5-Neuauflagen von Renault und Alpine fortgeschrieben wird.

Neue Welle für Renault

Tatsächlich hat Renault den Geist der Avantgarde als einer der ersten elektrifiziert: ab 2012 mit dem flott gezeichneten Stromer Zoe und dem Twizy als vierrädriger Alternative zum Motorroller. Zeitlich parallel zu Elon Musk führten Louis Renaults Erben Europa in die Ära der E-Mobilität, dies als vorübergehend größter E-Auto-Hersteller der alten Welt.

„Es lebe die Avantgarde“, postulierte die Renault-Werbung in den 1990ern, als der Kangoo das Konzept des R4 in die Gegenwart führte und der Renault Twingo mit kleinen Kulleraugen, Haute-Couture-Ausstattungen als weltweit erster Micro-Van auf Erfolgskurs fuhr.

Mit diesem Kultauto zeigte Renault, was die Jugend will: einen bezahlbaren und charmanten Mobilitätskünstler. Heute, im 125. Jahr des Bestehens, benötigt Renault wieder eine „Nouvelle Vague“. Eine neue Welle, diesmal lokal emissionsfreier, aber bezaubernder Kleiner – die die Typenkürzel legendärer Ahnen wie R4 und R5 bemühen.

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