Verkehrspsychologie Fluchen, Pöbeln, Beleidigen: Wieso rasten wir am Steuer aus?

Von ampnet/hrr

„Du Vollidiot, kannst Du nicht fahren!?“: Fluchen am Steuer gehört laut einer Studie zum Automobilalltag. Wo wird am meisten geflucht und welche Marken-Klischees erfüllen sich?

Aggressiv fahren oder Andere beleidigen: Im Straßenverkehr ist das häufig alltäglich.
Aggressiv fahren oder Andere beleidigen: Im Straßenverkehr ist das häufig alltäglich.
(Bild: Jürgen Stein/ADAC)

Eine aktuelle Studie des Ferienauto-Vermieters „CarDelMar“ aus Hamburg zeigt: 85 Prozent aller Autofahrer verlieren am Steuer mindestens einmal im Monat die Beherrschung, fluchen, schimpfen oder verwünschen andere Verkehrsteilnehmer. Das ergab eine Umfrage unter 1.008 Befragten im Alter von über 18 Jahren, durchgeführt von der britischen Marktforschungsagentur Atomik Research aus London.

Dabei ist hierzulande das Ausrast-Verhalten regional durchaus unterschiedlich. Am lautesten – und das zu einem Drittel sogar täglich – erregen sich Berliner, dicht gefolgt von Rheinländern, Westfalen, Schwaben und Bajuwaren beiderlei Geschlechts. Ruhiger lassen es hingegen Thüringer und Sachsen angehen. Im Gegensatz zu ihren Pendants in der Hauptstadt benehmen sie sich ausgesprochen zivilisiert.

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Typisch BMW-Fahrer?

Interessant ist auch der Prozentsatz jener Befragten, die am Steuer täglich die Beherrschung verlieren, aufgesplittert nach Marken. Sind es etwa die üblichen Verdächtigen in einem BMW oder Mercedes? Mitnichten. Einsam an der Spitze liegen Fahrer eines Minis. Meist absolut brav verhalten sich Lenkerinnen und Lenker am Steuer eines Seat, Peugeot oder Nissan.

Für alle aber drängt sich die Frage auf: Warum verlieren manche Menschen im Auto die Beherrschung indem sie brüllen, toben oder gar anderen den Stinkefinger zeigen? Warum benehmen sich viele völlig daneben und fühlen sich unbeobachtet obwohl sie jeder sehen kann? Wer hat nicht schon mal einer roten Ampel gewartet und im Rückspiegel gesehen, wie sich der Hintermann hemmungslos in der Nase bohrt oder die Hinterfrau ihr Make-up auffrischt?

Das sagen Psychologen

Für Antworten darauf sind Psychologen gefragt. Sie sagen, dass sich Teilnehmer am Straßenverkehr anonym fühlen und sich genauso auch verhalten. Verstärkt wird diese Anonymität durch die Kurzzeitigkeit ihrer Beziehungen zu den anderen Verkehrsteilnehmern. Meist sind es ja nur Sekunden oder gar Bruchteile davon, in denen sie mit anderen Kontakt haben. Hinzukommt, dass sie in einem geschlossenen Raum wie in einem Käfig sitzen, in dem sie sich geschützt fühlen. Kommuniziert wird weniger mit Worten als mit Hupe, Lichtsignal oder Gesten.

Auto heißt im Griechischen „selbst". Das „Auto-Selbst" reicht vom Heck bis zur vorderen Stoßstange. Jeder reagiert empfindlich auf Berührungen oder Grenzüberschreitungen durch andere – so als würde er selbst körperlich betroffen. Im Verkehr sind die Grenzen des Ichs bis auf die Ausmaße des jeweiligen Gefährts. Und das muss nicht nur das Auto sein. Beim Tankerkapitän ist es die Schiffswand.

Handeln statt denken

Im Verkehr spielen sich Beziehungen weit unbewusster ab als in gesellschaftlichen Gruppen, denn da wird nicht geredet, da wird gefahren. Laut Psychologen wird überall dort, wo gehandelt wird, weniger gedacht. Weil Autofahrer sich in einem anonymen, fremden und oft schnell veränderbarem Raum befinden, sind sie ängstlicher, gespannter und viel mehr auf den Schutz des eigenen Selbst, also ihres Autos, angewiesener reagieren dort sehr schnell aggressiv.

Sie schieben gerne alle Schuld von sich auf andere, wenn etwas nicht so klappt wie sie es sich vorstellen. Die fahren eben zu langsam, zu schnell, zu anfängerhaft oder zu dämlich. Es kommt zu Schimpftiraden mit Ausdrücken, die nicht für andere Ohren bestimmt sind.

Details der Studie einsehen

Wo rasten Autofahrer in Deutschland am häufigsten aus und wie lässt sich solches Verhalten verhindern? Die Studie „Fluchen, Hupen, Brüllen – Ausraster im deutschen Straßenverkehr“ greift diese Themen auf und gibt Anregungen.

Die vollständigen Studienergebnisse ansehen

Für den „guten Zweck“

Aber all das hat auch sein Gutes. Diese Verkehrsbeziehungen dienen der Entlastung und können sogar dazu dienen, Spannungen aus anderen zwischenmenschlichen Beziehungen loszuwerden. Wie schön kann doch der gestresste Familienvater ganze Schimpfkanonaden auf andere Autofahrer loslassen – und dabei Frau und Kinder meinen. Die sind dann fein raus. Das Gewitter geht schnell woanders nieder, und der Familienfriede ist gerettet.

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