Oldtimer Klassiker ab Werk: Das neue bessere alte Auto
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Die Preise für klassische Autos steigen, rare Exemplare sind längst verteilt. Manche Hersteller bauen sie deshalb nach: historisch korrekt und meist besser als das Original.

Frisches Leder, glatter glänzender Lack und ein lächerlich niedriger Kilometerstand – nichts deutet darauf hin, dass hier ein millionenschwerer Oldtimer und Rennstrecken-Veteran über die Teststrecke rollt. Und doch ist die Technik antiquiert, die Schaltung hakelt, die Lenkung geht schwer, das Spiel mit Kupplung, Gas und Bremse erfordert Feingefühl im Fuß. Elektronische Assistenten sucht man genau wie Airbags vergebens.
Unter der Haube des Jaguar C-Type röhrt ein 176 kW/240 PS starker Sechszylinder mit 3,4 Litern Hubraum. Der hat von elektronischer Einspritzung genauso wenig gehört wie von Katalysator oder Partikelfilter. Der Motor sieht genauso aus und fährt sich genauso wie der von damals, als Peter Walker und Peter Whitehead 1951 im C-Type 1951 für Jaguar den ersten Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans einfuhren. Nur dass auch er keinerlei Gebrauchsspuren zeigt.
Originale Werkstoffe
Der C-Type mutet im Grunde an wie aus dem Baujahr 1953 – und ist trotzdem ein Neuwagen. Denn was da mit wütendem Gebrüll durch den Sommer in den Midlands bläst, das ist der erste C-Type aus der sogenannten Continuation-Serie. Mit ihr lassen die Briten berühmte Modelle noch einmal aufleben. „Mit modernsten Techniken bauen wir die Autos dabei nach alten Plänen mit originalen Werkstoffen noch einmal nach“, sagt David Foster, einer von rund 200 Mitarbeitern bei Jaguar Classic in Coventry.
Das hat in der Klassik-Abteilung der Briten bereits Methode: Angefangen hat Jaguar mit der sogenannten Lightweight-Version des E-Type von 1963. Es folgte der XKSS aus dem Jahr 1957 und danach der D-Type, mit dem Jaguar von 1955 bis 1957 zum Seriensieger in Le Mans avancierte.
Lücken im historischen Bestand füllen
Dabei haben sich Jaguar-Manager anfangs noch um eine historische Rechtfertigung bemüht und vorgegeben, die Lücken in der Historie zu schließen: „Vom E-Type waren 18 Exemplare geplant, aber es wurden nur zwölf gebaut. Den Rest haben wir jetzt nachgeholt“, sagt Foster. Beim XKSS waren 9 von 25 Fahrgestellnummern durch ein Feuer im Lager wieder frei geworden, und beim D-Type hat Jaguar mit den 25 Continuation-Modellen jene 100er-Serie gefüllt, die ursprünglich mal geplant war.
Doch beim C-Type fehlt so eine Begründung. Und ganz so streng sehen es die Briten heute auch nicht mehr: „Wenn es bei den Sammlern eine Nachfrage gibt und für uns ein Geschäft drinsteckt, dann hat so ein Projekt gute Chancen“, sagt Jaguar-Classic-Manager Foster.
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Fahrbericht
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Und Geschäfte sind damit offenbar zu machen: Zwar dauert der Aufbau jedes einzelnen Fahrzeugs bis zu 10.000 Arbeitsstunden, und da sind die zwei, drei Jahre im Archiv und in der Konstruktion noch gar nicht mitgerechnet. Doch bei Preisen zwischen 1,2 und 1,75 Millionen Pfund plus Steuern bleibt offenbar trotzdem genügend hängen.
Mehrere Luxusmarken setzen auf die neuen Alten
Kein Wunder, dass auch andere Hersteller längst auf den Zug aufgesprungen sind: So hat Bentley nach Angaben von Sprecher Wayne Bruce Ende 2020 ein Dutzend jener Blower nachgebaut, mit denen Bentley Boy Tim Birkin in den späten 1920er Jahren leider erfolglos in Le Mans antrat. Und weil die sich offenbar bestens verkauft haben, wurden in diesem Sommer weitere zwölf Exemplare des Speed-Six angekündigt, der 1929 und 1930 den Sieg an der Sarthe errang.
Auch Aston Martin hat darin Übung: 2017 hat das Unternehmen für jeweils 1,5 Millionen Pfund den DB4GT aus den 1960ern nachgebaut, und dann noch einmal 19 Exemplare des DB4GT Zagato nachgeschoben. Ein teurer Spaß: Weil es den nur im Doppelpack mit einem aktuellen DBS Zagato zu kaufen gab, wurden dafür über acht Millionen Euro fällig.
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Das absolute Highlight dieser Entwicklung ist der DB5 aus dem James-Bond-Film Goldfinger, den die Briten zum 25. Jubiläum der 007-Reihe ebenfalls noch einmal aufgelegt haben – drehbare Kennzeichen, mit Platzpatronen gefüllte Maschinengewehre hinter den Scheinwerfern und den Kugelfang im Heck inklusive. Nur den Schleudersitz für den Beifahrer gibt es nicht für Geld und gute Worte – obwohl die 25 Kunden für das Auto vier Millionen Euro bezahlen müssen.
Sammler lässt Lamborghini Countach nachbauen
Dieses Spiel mit den Zeiten ist zwar vor allem eine britische Eigenheit, hat zuletzt aber auch in Italien einen prominenten Nachahmer gefunden. Denn in 25.000 Arbeitsstunden hat sich ein ungenannter Sammler aus der Schweiz bei Lamborghini den Prototypen des ersten Countach nachbauen lassen. Allerdings, so sagt Lamborghini-Mann Alessandro Farmeschi, gibt es dabei einen entscheidenden Unterschied: Anders als bei Jaguar und Co war das Original ein Einzelstück, das zudem beim Crashtest zerstört wurde.
Zwar ist an den Nachbauten juristisch nichts auszusetzen, sagt Oldtimer-Spezialist Frank Wilke vom Gutachter Classic Analytics in Bochum. Denn erstens machen die Hersteller aus dem neuen Baujahr ja kein Geheimnis. Und zweitens haben sie anders als Fremdfirmen buchstäblich alles Recht zu solchen Nachbauten und bemühen sich – drittens – um maximale Authentizität.
Und so verteidigt Wilke die Continuation-Serien: Sie nutzen nicht nur alte Konstruktionsskizzen, Materialien und Methoden, sondern rechtfertigen den Nachbau eben oft auch mit schicksalhaften Lücken in der Produktionsstatistik.
Autos meist vor Auslieferung verkauft
Ttrotzdem hält Frank Wilke das für Geldschneiderei, mit der die Hersteller ihre Historie ausschlachten und sich ein Einkommen sichern. „Wir sind kein Verein, sondern ein Geschäftsbetrieb und müssen Gewinn erwirtschaften“, rechtfertigt Jaguar-Mann Foster die Strategie.
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Interieur
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Sein Kollege Mike Sayer von Bentley hängt seine Entgegnung sogar noch etwas höher: „Solche Projekte ermöglichen es uns, neue Fähigkeiten zu entwickeln, um historische Bentleys – sowohl Originale als auch Continuations – zu pflegen, zu schützen und zu bewahren“, sagt er. „Damit diese besonderen Autos für die Zukunft einsatzbereit bleiben.“
Das bessere Auto für weniger Geld
Den Eigentümern sind solche Fragen wahrscheinlich herzlich egal, glaubt Klassik-Experte Wilke. Nicht ohne Grund sind die Continuation-Series in der Regel längst verkauft, bevor das erste Auto überhaupt ausgeliefert ist. „Denn erstens sparen sie dabei jede Menge Geld, wenn das Original überhaupt je zum Verkauf angeboten wird.“ Beim C-Type zum Beispiel taxiert Jaguar-Mann Foster den Preis-Unterschied auf bis zu sechs Millionen Pfund. „Und zweitens bekommen sie in der Regel das bessere Auto“, sagt Wilke.
Warum das so ist? Weil heute präziser gearbeitet wird als damals und weil ein Rennwagen wie der C-Type eben nicht nur 24 Stunden halten soll, sondern im besten Fall für mehrere Generationen, sagt David Foster. Und dass sich die Nutzer auf die Bremsen und auf moderne Gurte verlassen können, ist wahrscheinlich auch kein Schaden, wenn sie mit 200 km/h in einer antiken Aluwanne durch die Steilkurven jagen.
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