Digitalisierung Qualitätssicherung mit Virtual und Augmented Reality
Neue Technologien wie Augmented/Virtual Reality (AR/VR) oder digitale Tools revolutionieren entlang der gesamten Wertschöpfungskette die Methoden der OEMs – auch in der Qualitätssicherung. Diese neuen digitalen Verfahren nutzen die Premiumhersteller Porsche und Audi.
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Porsche-Werk Leipzig: Auf der hauseigenen Rennstrecke drehen Vorserienfahrzeuge des Zuffenhausener OEMs ihre Runden. Fahrer prüfen die Premium-Autos im Realbetrieb auf Herz und Niere. Bevor sie hier fahren dürfen, hat das Qualitätszentrum die Fahrzeuge im Rahmen der Vorserienqualifizierung bereits ausgiebig untersucht. Und da Megatrends wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit die Qualitätsarbeit verändern, halten dort neue Verfahren Einzug. Deshalb hat Porsche Leipzig ein eigenes Labor ins Leben gerufen: das „Inno-Space“. Dort entwickeln Mitarbeiter Technologien, die später in die Serienprozesse des nordsächsischen Werkes übertragen werden sollen.
Porsche: Augmented Reality für die Anmutungsprüfung
So kann eine eigene IT-Umgebung der Fabrik simuliert und später kontrolliert an das Werk angekoppelt werden, um neue Entwicklungen in die Fertigung einzufügen. „Dort können wir weit nach vorn gerichtete Innovationen entwickeln und testen, ohne die Abläufe der Fabrik zu stören“, sagt Albrecht Reimold, Vorstand Produktion und Logistik der Porsche AG. Das Team arbeitet mit Hochschulen und Start-ups zusammen – so auch bei einem Augmented-Reality(AR)-Projekt. Dabei nutzt Porsche die AR-Technologie als technische Plattform zur Qualitätskontrolle; genauer gesagt: für die Anmutungsprüfung.
Eine Tablet-App zeigt die im Rahmen der Anmutungsprüfung analysierten Fehler in jeder Phase der Produktion direkt über dem Bauteil. Wenn die CAD-Daten des Fahrzeugs eingelesen wurden, erfasst die Tablet-Kamera, die über ein Bauteil gehalten wird, beispielsweise Formabweichungen unmittelbar.
Kollaborativ arbeiten mit Virtual Reality
Dabei wird das CAD-Bild über das Real-Bild gelegt und visualisiert Fehler oder Abweichungen. Und: Im Abgleich zwischen Real- und CAD-Bild ist sofort zu erkennen, wenn der Fugenverlauf nicht dem hinterlegten Idealbild entspricht. Später lassen sich diese Infos konzernweit abrufen und können auch am Meisterbock und beim Cubing genutzt werden. Andreas Schmidt, Leiter Qualität im Porsche-Werk Leipzig: „Da das Tablet vernetzt ist, können zum Beispiel Qualitätsaudits mit unseren Lieferanten kurzfristig mittels Videokonferenz umgesetzt werden.“ Ein weiteres Projekt ist eine mobile App, mit der alle Fahrzeuge am Standort Leipzig erfasst und geortet werden können. Und auch Virtual Reality setzt der OEM ein – um kollaborativ zu arbeiten, trotz räumlicher Distanzen.
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Audi: virtueller Meisterbock
Große Erwartungen haben Kunden ebenfalls an die Premiummarke Audi. Auch bei den Ingolstädtern ändern die Rahmenbedingungen die Qualitätssicherung: „Wir bewegen uns von der reinen Bauteilbetrachtung hin zu einer gesamtheitlichen Systembetrachtung. Dabei setzen wir immer stärker auf virtuelle und digitale Methoden“, sagt Werner Zimmermann, Leiter der Audi-Qualitätssicherung. Aus dem Produktentstehungsprozess resultieren große Mengen Daten. Diese sammeln und analysieren die Mitarbeiter. Damit ändert sich die Arbeitsweise grundlegend: weg vom Prüfen, hin zum Steuern. Ein Beispiel für solche neuen Methoden ist der Meisterbock: Das traditionelle Instrumentarium ergänzt Audi stetig um virtuelle Elemente.
Die Arbeit mit Datensätzen beginnt heute wesentlich früher im Entwicklungsprozess eines jeden neuen Audi. „Der sogenannte digitale Meisterbock erlaubt es, uns bis zu zweieinhalb Jahre vor Fertigungsbeginn mit unserer Expertise am Produktentstehungsprozess zu beteiligen“, sagt Marcus Hoffmann, Leiter Meisterböcke und Messtechnik bei Audi. „Vieles, was wir früher an physischen Bauteilen zehn Monate vor Produktionsstart überprüfen konnten, können wir heute wesentlich früher an 3-D-Modellen bearbeiten.“ Neue Technologien im Auto erweitern und wandeln zudem das Aufgabenspektrum des Meisterbocks.
Neuzugang in den Meisterböcken: Photometrie-Messzelle
Ein Beispiel ist das Bedienkonzept im neuen Audi A8. Hier sind durch die Touch-Displays mit haptischer Rückmeldung deutlich weniger klassische Bedienelemente abzustimmen. Außerdem sind Funktionen ein stärkeres Thema: Dafür hat Audi den Innenmeisterbock elektrifiziert. Denn: Die Grenze zwischen physischen Bauteilen und digitalen Datensätzen wird immer fließender – sowohl am Innen- als auch am Außenmeisterbock. Früher brauchte man eine manuelle Oberflächenprüfung. Heute übernehmen in der Photometrie-Messzelle Roboter mit hochpräzisen optischen Sensoren die nötigen Schritte.
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Interview mit Frank Gaßner
„Digitalisierung zahlt an vielen Stellen ein“
Der jüngste Neuzugang in den Meisterböcken, eine Photometrie-Messzelle von der Größe einer Doppelgarage, ist ein großer Schritt auf dem Weg zum virtuellen Meisterbock. Zwei Roboter mit Acht-Achs-Kinematik und hochauflösenden optischen Sensoren (16 Megapixel) erfassen gleichzeitig die Geometrie und die Oberfläche einer Karosserie. Die Zeit für die vollautomatisierte Digitalisierung einer kompletten Karosse verkürzt sich so laut Audi von 48 Stunden auf nur noch 4 Stunden.
Virtuelles Fügen
CAD-Daten werden bei Audi im Meisterbock früh während der Produktentstehung zusammengeführt. Mithilfe des sogenannten virtuellen Fügens können CAD-Daten und digitalisierte Messdaten erster Einzelteile abgeglichen werden. Beim virtuellen Meisterbock sollen dann künftig aufwendige Algorithmen Kräftebeziehungen zwischen Bauteilen simulieren, die beim Zusammenbau und bei Bewegung auftreten. Bei all den neuen Verfahren gilt jedoch: Der weiße Handschuh, mit dem in Handarbeit die Oberflächen auf Unebenheiten abgesucht werden, ist nach wie vor ein zentrales analoges Instrument der OEMs.
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