Was, wenn Sensoren aufgrund von Alterung oder Degradation falsche Signale liefern? Unternehmen wie das Start-up Obsurver arbeiten daran, solche unsicher werdenden Funktionen zu erkennen.
Kratzer auf der Windschutzscheibe, eine veränderte Einbaulage nach der Reparatur, eine verschobene Linse durch eine schrumpfende Kleberschicht, Vergilbungseffekte auf der Linse, eine Trübung auf dem Bildsensor, nachlackierte Stoßfänger. Dies sind nur einige Beispiele für mechanische oder optische Beeinträchtigungen von Kamera- oder Radarsensoren. Auch thermische Belastungen, eine beschädigte Schirmung oder Kabelisolation sowie alternde Kabelverbinder können die Ergebnisse von sensorgestützten Fahrfunktionen beeinflussen.
Eine Alterung oder Degradation von assistierenden oder automatisierten Fahrfunktionen ist aus vielerlei Gründen nie ganz auszuschließen. Die Folgen können gravierend sein: Falls zum Beispiel eine Kamera oder ein Radarsensor den Abstand eines Objekts falsch erkennt, könnten die Entfernung und daraus folgend die „Time to collision“ eventuell fehlerhaft berechnet und damit eine Notbremsung zu spät eingeleitet werden.
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Kratzer auf der Windschutzscheibe, eine veränderte Einbaulage nach der Reparatur, eine verschobene Linse durch eine schrumpfende Kleberschicht, Vergilbungseffekte auf der Linse, eine Trübung auf dem Bildsensor, nachlackierte Stoßfänger. Dies sind nur einige Beispiele für mechanische oder optische Beeinträchtigungen von Kamera- oder Radarsensoren. Auch thermische Belastungen, eine beschädigte Schirmung oder Kabelisolation sowie alternde Kabelverbinder können die Ergebnisse von sensorgestützten Fahrfunktionen beeinflussen.
Eine Alterung oder Degradation von assistierenden oder automatisierten Fahrfunktionen ist aus vielerlei Gründen nie ganz auszuschließen. Die Folgen können gravierend sein: Falls zum Beispiel eine Kamera oder ein Radarsensor den Abstand eines Objekts falsch erkennt, könnten die Entfernung und daraus folgend die „Time to collision“ eventuell fehlerhaft berechnet und damit eine Notbremsung zu spät eingeleitet werden.
Ausgangssignale überwachen
Dieses Thema haben in letzter Zeit sowohl Unternehmen als auch Forschungsstellen und Hochschulen aufgegriffen und arbeiten inzwischen an Lösungen. Etwa die Obsurver UG aus Sindelfingen bei Stuttgart, die Absicherungslösungen für komplette elektronische Fahrfunktionen entwickelt. Einerseits muss sich beispielsweise ein Kratzer auf der Scheibe vor der Kamera nicht immer auf die Leistungsfähigkeit der elektronischen Fahrfunktionen auswirken. „Andererseits kann schon eine kleine Systemveränderung die KI-basierten Algorithmen stark irritieren. Da deren Sensibilität oftmals noch eine Blackbox darstellt, ist eine Fehleranalyse ratsam, welche die gesamte Wirkkette vom Sensor über die KI-gestützten Algorithmen umfasst“, erläutert Benjamin May, einer der Mitbegründer und Geschäftsführer des Start-ups Obsurver. „Deshalb konzentrieren wir uns auf das Monitoring der Ausgangssignale von assistierenden oder automatisierten Fahrfunktionen.“
Für Erstausrüstung und Aftermarket
Das Monitoring erfolgt dabei in zwei verschiedenen Szenarien: erstens für den statischen Anwendungsfall Werkstatt und Hauptuntersuchung, zweitens für den dynamischen Alltagsbetrieb. Für den statischen Anwendungsfall entwickelt Obsurver Testalgorithmen, welche die Signalqualität der sensorgestützten Funktionen bei einem Werkstattaufenthalt überprüfen. Wichtig sind hier eine Test-Hard- und -software, deren Stimuli und Testbedingungen immer reproduzierbar sind und schnelle Testzyklen ermöglichen.
Beim zweiten Überwachungsszenario des Alltagsbetriebs steht die Langzeitbeobachtung im Vordergrund. „Unsere Testsoftware im Fahrzeug sucht nach einer schleichenden Performance-Verschlechterung“, sagt Sven Fleck, ebenfalls Mitbegründer und Geschäftsführer von Obsurver. „Eine langfristige Wertedrift oder Werteschwankungen lassen auf eine Alterung oder Degradation der Sensoren oder anderer Systemkomponenten schließen.“
Kontrast als Parameter für Alterung
Je nach Fahrfunktion nutzt Obsurver dazu bestimmte Parameter (Key Performance Indicator, KPI). Ein KPI im Funktionsraum wäre beispielsweise der Abstand, ab dem ein Verkehrsschild erkannt wird. Andere denkbare KPIs sind der Signalrauschabstand oder der Kontrast. Sobald die Schwankungen oder Abweichungen der KPIs einen festgelegten Schwellenwert überschreiten, sendet die Obsurver-Software eine Mitteilung, damit Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Das könnte etwa eine Empfehlung für einen Werkstattaufenthalt sein, eine Geschwindigkeitsbeschränkung für die sensorgestützte Funktion (Funktionsdegradierung), die Abschaltung von Teilfunktionen oder eine veränderte Gewichtung einzelner Sensoren bei Multisensorsystemen.
Aktuell hat Obsurver bereits ein erstes Versuchsfahrzeug aufgebaut, das Daten zu Kamera- und Radaranwendungen sammelt. Mittelfristig sollen auch die Alterungsprozesse von Lidar-, Ultraschall- und Infrarot-gestützten Fahrfunktionen detektiert werden, ebenso von Multi-Sensoren-Kombinationen.
Prüfstand entwickelt
Parallel dazu hat man mit dem Kooperationspartner D-Space einen Detector-in-the-loop-Prüfstand aufgebaut, der mit den im Feld gesammelten Fahrdaten gefüttert wird, um so rasch die Ergebnisqualität der Detektionslösung in Echtzeit zu optimieren. Für erste Standardfunktionen wie Notbremsassistent oder ACC ist dies bereits erprobt, sukzessive sollen die Datenbank und Umgebungsbedingungen erweitert und weitere Funktionen abgesichert werden.
„Die Zusammenarbeit mit dem Zertifizierungsdienstleister Deloitte soll schnell zu geprüften Lösungen führen, die wir dann technischen Überwachungsdiensten und Tier-1-Zulieferern unterbreiten, mit denen wir schon in Gesprächen sind“, blickt Benjamin May in die Zukunft. „Ein Serienstart unserer Analysefunktionen könnte ab etwa 2025 erfolgen.“
Eine Herausforderung von Sensoren bleibt bestehen: blinde Flecken von beispielsweise Kamerasensoren mit anderen Daten und Rechenoperationen künstlich zu füllen. „Die Kompensation von langfristig erblindeten Sensorbereichen dürfte mittelfristig nicht möglich sein“, prophezeit Sven Fleck. „Derzeit hilft es nur, die KI-Algorithmen möglichst unempfindlich gegenüber Datenlücken und Störungen zu gestalten.“