Logistik Chinesische Hersteller nutzen autonome Lkws ohne Fahrer

Von Henrik Bork

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Das Thema Robotaxis ist in China angesagt. Konkret: der Frachtverkehr. Erste fahrerlose Trucks sind schon auf chinesische Straßen unterwegs. Es lockt ein lukratives Geschäftsfeld.

Autonome Lkw fahren auch in Deutschland. Zwischen 2018 und 2021 haben MAN und die Hamburger Hafen und Logistik AG autonom fahrende Trucks getestet. Dabei fuhren Prototypen-Lkw im logistischen Regelbetrieb auf dem Hafengelände.
Autonome Lkw fahren auch in Deutschland. Zwischen 2018 und 2021 haben MAN und die Hamburger Hafen und Logistik AG autonom fahrende Trucks getestet. Dabei fuhren Prototypen-Lkw im logistischen Regelbetrieb auf dem Hafengelände.
(Bild: Thies Raetzke/ MAN Truck & Bus)

Erstmals werden in China Pakete von Lkws ohne Fahrer transportiert. Dies ist nicht mehr nur ein Test, sondern die kommerziell Nutzung. „DeepRoute.ai“, ein Anbieter autonomer Fahrtechnik, und die Kurierfirma Deppon Logistics lassen ihre fahrerlosen Trucks seit dem 18. Juni durch die Straßen von Shenzhen rollen. Die Zusammenarbeit markiere die „erste erfolgreiche Kommerzialisierung“ von autonomer Fahrtechnik für mittelschwere Lkws im chinesischen Frachtverkehr, hieß es bei DeepRoute.ai, einem von Alibaba unterstützten Unternehmen. Es seien „mehrere autonome Lkws vom Level 4“ unterwegs. Die exakte Zahl wurde nicht genannt.

Die fahrerlosen Fahrzeuge verlassen jeden Abend gegen 20 Uhr ein Lagerhaus von Deppon Logistics und liefern bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr Pakete an Stationen in den Stadtteilen Futian und Longhua in der Millionenmetropole Shenzhen aus.

Menschlicher Begleiter an Bord

Wegen der örtlichen Vorschriften ist jeweils noch ein Aufpasser mit an Bord. Der muss aber nur im Notfall eingreifen, berichtete die Robotik-Plattform Jiqi Zhixin. Die Kooperation sei zunächst für ein Jahr vereinbart worden. Es gebe auf diesen Strecken nun „keine ermüdeten Fahrer mehr“, ließen sich Firmensprecher zitieren. „Effizienz und Sicherheit“ seien auf jeden Fall gewährleistet, obwohl die Lkws „Straßen-Segmente mit hohem Verkehrsaufkommen passierten.”

Das Datum 18. Juni war wohl gewählt, da jedes Jahr an diesem Tag im chinesischen Internet ein populäres Shopping-Festival stattfindet. Letztes Jahr mussten zu dieser Zeit innerhalb weniger Tage 6,5 Milliarden Päckchen ausgeliefert werden.

Generell sei der Verkehr nachts relativ überschaubar, weshalb DeepRoute.ai derzeit Hoffnungen auf weitere mutige Kunden im Bereich Logistik hat. „Fracht ist vor allem nachts unterwegs, wenn weniger Menschen und Fahrzeuge auf den Straßen sind und die Bedingungen vergleichsweise einfach sind. Daher glauben wir, dass autonomes Fahren im innerstädtischen Frachtverkehr schneller kommerzialisiert werden kann als die Taxi-Industrie mit Robotaxis,“ zitierte das Robotik-Fachmedium Zhou Guang, den CEO von DeepRoute.ai. Es handele sich dabei in China um einen Markt im Wert von insgesamt 250 Milliarden US-Dollar, sagte Zhou.

Lkws nutzen Daten aus Robotaxi-Tests

Seine 2019 gegründete Firma durfte seit mehreren Jahren Tests mit unbemannten Fahrzeugen in Shenzhen, Wuhan und Hangzhou ausführen. Die fahrerlosen Lkws greifen für ihre Navigation und das Vermeiden von Hindernissen auch auf die Daten zu, die in den Robotaxi-Tests des Unternehmens gesammelt worden sind.

Noch einen Schritt weiter als die Großstadt Shenzhen geht seit Ende Juni die Stadt Deqing in der ostchinesischen Küstenprovinz Zhejiang. Das Internetportal Alibaba erhielt hier die erste von zwei Lizenzen für Tests von fahrerlosen Lkws, wo erstmals nicht einmal mehr ein Begleiter mit an Bord sein muss. Ein Lkw namens „Damanly“, den das Alibaba-Tochterunternehmen DAMA Academy selbst entwickelt hat, wird die Tests ganze alleine durchführen: ohne menschliche Begleitung im Cockpit.

Das autonome Fahren entwickelt sich in China wie im Zeitraffer, seit das Industrieministerium MIIT in Peking im April vergangenen Jahres erste Richtlinien für den Einsatz von autonomen Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr des Landes veröffentlicht hat. Das MIIT ermutigte damals lokale Behörden in Chinas Provinzen, den Betreibern von Robotaxis und autonom fahrenden Lkws Lizenzen für Tests und erste kommerzielle Projekte zu erteilen.

Autonomer Frachtverkehr entwickelt sich schnell

Die meisten Schlagzeilen generieren Projekte mit autonom fahrenden Taxis. Die Internetfirma Baidu testet schon seit längerem Robotaxis und hat kürzlich ein selbst entwickeltes Modell namens Robo-01 als virtuelles Modell vorgestellt, das schon bald häufig auf Chinas Straßen gesichtet werden dürfte. Der autonome Frachtverkehr ist bei den Medien nicht ganz so beliebt wie das Thema Robotaxi, entwickelt sich aber seit kurzem noch schneller.

Eine ganze Reihe von Startups ist in der Volksrepublik allein in den vergangenen Jahren in den Wettbewerb um lukrative Anteile am Markt für das autonome Fahren im Frachtverkehr eingetreten. Wegen des deutlichen Rückenwindes seitens der Regierung fließen seit kurzem auch Milliarden an Investitionen von Investoren.

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Einige Beispiele: Im Februar dieses Jahres investierte der bekannte chinesische Autohersteller BAIC in Trunk Tech, ein auch von dem Autohersteller NIO gefördertes Unternehmen, das bis 2025 eine Flotte von Robotaxis rollen lassen will. Die Summe wurde nicht bekannt gegeben.

„TuSimple“, gegründet im Jahr 2015, ist schon seit April vergangenen Jahres in den USA an der Börse notiert und will ab 2024 mit der Serienproduktion von fahrerlosen Lkws beginnen.

Straßentests auch in Europa

Noch in diesem Jahr will das Startup Inceptio mit der Produktion von fahrerlosen Trucks beginnen, gemeinsam mit den OEM Dongfeng und Sinotruck. Inceptio ist von den Technologie-Unternehmen JD und Meituan finanziert worden,. Ein weiteres Startup namens Fabu ist von He Xiaofei gegründet worden, einem ehemaligen Topmanager von Didi – dem chinesischen Pendant von Uber.

Auch das Startup „Plus“, das ein Joint-Venture mit dem dem OEM FAW gegründet hat, will gemeinsam mit dem bekannten Nutzfahrzeug-Hersteller Iveco ebenfalls bald mit Straßentests von autonomen Lkws beginnen. Ein Teil davon soll Berichten zufolge in Europa stattfinden.

Über den Autor

Henrik Bork ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.

 (thg)

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