Halbleiter Infineon eröffnet Fabrik für Leistungshalbleiter in Österreich
Hightech am Dreiländereck: Auf 300-mm-Dünnschicht-Wafern entstehen im österreichischen Villach die weltweit stark nachgefragten Chips.

„Wir liefern!“, ruft Sabine Herlitschka, CEO von Infineon Technologies Austria, sichtlich begeistert während der offiziellen Eröffnung der Hightech-Fab aus. Diese Woche hätten die ersten Produktchargen die Hallen verlassen. Für viele Unternehmenslenker ist dies eine gute, lang ersehnte Nachricht: Seit Monaten lähmt der weltweite Halbleitermangel praktisch alle Industriezweige, in Deutschland maßgeblich den Maschinenbau und die Autohersteller. Leistungshalbleiter sind besonders stark gefragt. Die neue Hightech-Fabrik des Neubiberger Chipherstellers im österreichischen Villach soll helfen, die angespannte Lage zu entspannen.
Die Chips aus Villach sollen in der ersten Ausbaustufe vor allem die Nachfrage der Automobilindustrie, von Rechenzentren und der erneuerbaren Energiegewinnung aus Solar- und Windkraft abdecken. Nach eigenen Angaben verfügt der Infineon-Konzern mit der neuen Fabrik über ein zusätzliches Umsatzpotenzial von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr. Allein die für Industrie-Halbleiter eingeplante Kapazität reiche rechnerisch zur Ausstattung von Solaranlagen aus, die in Summe mehr als 1.500 Terawattstunden (TWh) elektrische Energie pro Jahr produzieren könnten – das entspricht in etwa dem dreifachen jährlichen Stromverbrauch in Deutschland.
Fertigstellung drei Monate früher als ursprünglich geplant
Die Eröffnung der 1,6 Milliarden Euro teuren Produktionsstätte fällt mitten in eine schwierige, durch die Corona-Pandemie und einen weltweiten Chip- und Rohstoffmangel geprägte Zeit. Dies war nicht absehbar, hat den Bau aber beschleunigt: Anfang des Jahres hatte Infineon bekanntgegeben, als Reaktion auf den weltweiten Chipmangel und die hohe Nachfrage den Bau nach Kräften zu beschleunigen. „Tatsächlich konnten wir die Fabrik in Villach rund drei Monate schneller als geplant fertigstellen“, sagt Reinhard Ploss, CEO Infineon Technologies AG.
Bereits 2018 sei die Entscheidung für den Aufbau einer komplett neuen Fabrik gefallen. „Infineon agiert mit ruhiger Hand, plant langfristig. Und wir verfallen nicht gleich in Panik, wenn die Nachfrage schwankt“, sagt Ploss. Tatsächlich will eine solch hohe Investition gut überlegt sein. Die „aktive Standortpolitik in Österreich“ habe diesen Schritt erleichtert, merkt Herlitschka an.
Mit Standort Dresden zur virtuellen Megafabrik gekoppelt
Erst Anfang Juni 2021 hatte Konkurrent Bosch nahe Dresden eine hochmoderne, milliardenschwere Produktionsstätte eröffnet, die ebenfalls die rare Ware Leistungshalbleiter herstellt. Hier im „Saxony Valley“ betreibt auch Infineon eine weitere große Fertigungsstätte. Diese soll mit der neuen Fab in Villach in eine übergreifende „virtuelle Megafabrik“ zusammengeführt werden. Dazu werden die in der Produktion generierten, enormen Datenmengen in Echtzeit ausgewertet. „So können wir Produktionsvolumina bedarfsgerecht verteilen, können Skaleneffekte besser nutzen und erreichen letztlich ein höheres Tempo und mehr Flexibilität“, erklärt Ploss.
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Chipmangel
Volkswagen rechnet noch bis Ende 2022 mit Halbleiter-Problemen
Die Fertigung ist wie bei Hightech-Fabs üblich voll automatisiert. Trotzdem sollen insgesamt rund 400 neue Arbeitsplätze entstehen. Die meisten davon hätte man bereits „mit hochqualifizierten Mitarbeitern“ besetzt, freut sich Herlitschka.
Hightech in der Urlaubsregion
Warum gerade Villach? Die meisten Menschen verbinden die Region Kärnten am Dreiländereck zwischen Österreich, Italien und Slowenien mit Urlaub am Wörthersee oder flotten Schwüngen auf den weiten Skipisten der Gegend, weniger mit spröder Hightech-Elektronik. Tatsächlich ist die Gegend aber seit langem ein Hightech-Hotspot in Europa, viele wichtige Unternehmen sind hier ansässig. „In Villach haben unsere Ingenieure vor Jahren die erste 300-mm-Dünnschicht-Waferproduktion auf die Schiene gebracht“, erklärt Ploss.
Infineon habe zudem frühzeitig auf nachhaltiges profitables Wachstum durch Energieeffizienz und CO2-Reduktion, sagt Ploss. Die neue Fabrik sei ein Meilenstein für sein Unternehmen – und eine sehr gute Nachricht für die Kunden: „Der Zeitpunkt, neue Kapazitäten in Europa zu schaffen, könnte angesichts der weltweit wachsenden Nachfrage nach Leistungshalbleitern nicht besser sein.“
„Investitionen in innovative Schlüsseltechnologien sind essenziell für die Zukunft“
Sämtliche Lebensbereiche seien mittlerweile von Mikroelektronik durchdrungen, das hätten die letzten Monate deutlich gezeigt. „Angesichts der beschleunigten Elektrifizierung und Digitalisierung erwarten wir, dass der Bedarf nach Leistungshalbleitern in den kommenden Jahren weiter zunimmt. Die zusätzlichen Kapazitäten werden uns helfen, unsere Kunden weltweit noch besser zu bedienen – und das auch langfristig.“
Die globale Situation am Chipmarkt zeigt laut Infineon deutlich, wie wichtig Investitionen in innovative Schlüsseltechnologien für die Zukunft sind. Tatsächlich ist die Mikroelektronik heute die dominante Schlüsseltechnologie, auf der alle anderen Entwicklungen, Systeme und Technologien im Bereich Digitalisierung basieren. Mit dem Ausbau seiner Produktionsstätten setzt Infineon auch industriepolitische einen Meilenstein in Hinblick auf die Versorgungssicherheit für die europäische Industrie wie auch für den globalen Markt.
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