Fahrbericht Kia Stinger 2.0 T-GDI: Bereit zum Angriff
Nach langen sieben Jahren Entwicklungszeit rollt seit Oktober 2017 Kias erste viertürige Sportlimousine auf der Straße. Eines vorweg: Das Warten hat sich gelohnt. Denn mit dem Stinger haben die Koreaner nicht nur einen stylischen, sondern auch günstigen Sportler im Gran-Turismo-Style im Repertoire.
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Die Marke Kia ist bekannt für modernes Design, umfangreiche Ausstattung, niedrige Preise sowie sieben Jahre Herstellergarantie. Genau sieben Jahre haben die Koreaner auch gebraucht, um die erste viertürige Sportlimousine in klassischer Gran-Turismo-Tradition zu bauen. Doch die wenigsten dachten, dass Kia nach der Präsentation der GT-Studie auf der IAA 2011 tatsächlich den Sprung in ein neues Segment wagt.
Mindestens genauso überraschend ist das Design des Stinger. Hier hat Peter Schreyer, der deutsche Chefdesinger in Kia-Diensten, einmal mehr sein Können unter Beweis gestellt und eine Symbiose aus Eleganz und Sportlichkeit geschaffen: Sanfte Linien, schlanke Flanken und harmonische Übergänge gepaart mit einer fließenden Dachlinie die in die ausgeformten Hüften übergeht, prägen die Silhouette des viertürigen Coupés.
Kia Stinger: Hingucker mit Tigernase
Die Front des Gran Turismo trägt die Kia typische „Tigernase“, extrem breite und große Lufteinlässe sowie die weit in die Kotflügel reichenden LED-Schweinwerfer. Diese waren bei unserem Testwagen mit dynamischem Kurvenlicht und Fernlichtassistent ausgestattet und haben die Straße taghell ausgeleuchtet.
GT-typisch sind auch die langen Überstände der Karosserie, die sowohl vorne als auch hinten über die Räder hinausgehen. Lufthutzen (allerdings ohne Funktion) auf der endlos lang wirkenden Motorhaube, seitliche Kiemen und ein kleiner Heckdiffusor sollen den sportlichen Charakter unterstreichen. Das coupé-artige Dach geht fließend in das wuchtige Heck über. Es schließt mit einer scharfen aber schwungvoll gezeichneten Abschlusskante an der Heckklappe ab, die in ihrer Form an einen Heckspoiler erinnern soll. Optisch ist der GT ein absoluter Hingucker. Dazu trägt auch die Testwagenfarbe in Ceramicsilber für 890 Euro extra bei. Die Auspuffanlage mit verchromten Twin-Endrohren, die rechts und links in die Heckschürze integriert sind, deutet zudem auf kraftvolle Motoren hin.
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Wirtschaft
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Dem kleinen Benziner fehlt der Zug
Leider war unser Testwagen „nur“ mit dem 2,0-Liter-Benzindirekteinspritzer mit Vierzylinder und Twin-Scroll-Turbolader ausgestattet. Dennoch mobilisiert das Aggregat 188 kW/255 PS bei 6.200 U/min; mit einem maximalen Drehmoment von 353 Nm. Die Spitzengeschwindigkeit soll laut den Koreanern bei 240 km/h liegen. Im Test waren wir mit 229 km/h nah an dieser Marke dran, hätten aber durchaus noch etwas schneller fahren können.
So schnell der Stinger 2.0 T-GDI fährt, so behäbig wirkt er beim Beschleunigen: Beim Durchtreten des Gaspedals heult der Motor zwar extrem laut auf. Aber der Kia braucht lange, bis er so richtig in Fahrt kommt. Ein Grund dafür könnte das Gewicht mit rund 1.800 Kilogramm sein oder die – für unser Empfinden – etwas zu langsam durchschaltende Acht-Gang-Wandlerautomatik. Den Sprint von null auf 100 km/h jedenfalls soll der Stinger in 6,0 Sekunden schaffen.
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Fahrspaß mit dem Stinger
Obwohl man dabei nicht in den Sitz gedrückt wird und ein kerniger Sound a lá Hyundai i30N aus dem Doppelauspuff fehlt, kommt dennoch Fahrspaß auf. Auf Wunsch lässt sich über die Hi-Fi-Anlage kerniger Motorsound einspielen. Im „Sport+“- Modus schaltet sich das ESC automatisch ab und bei steilen Kurven auf feuchter Straße bricht das Heck dezent aus, sodass man leicht gegenlenken muss, um das Fahrzeug wieder abzufangen.
Aber selbst mit eingeschaltetem ESC im „Sport“-Modus macht der GT richtig Spaß. Denn die Ingenieure haben das System so gut eingestellt, dass es nur minimal eingreift und mit ausgeschalteter Traktionskontrolle sogar leichte Driftwinkel zulässt. Bricht das Heck zu weit aus, greift des ESC ein und bringt den Sportler wieder in die Spur. Grundsätzlich liegt der Stinger im Attacke-Modus (Sport+ und Sport) bretthart auf der Straße, lenkt direkt und präzise. Trotz des hohen Spaßfaktors ist eine längere Fahrt im „Sport+“ oder „Sport“-Modus nicht zu empfehlen, denn je tiefer das Gaspedal durchgedrückt ist, desto schneller fließt das Benzin in den Verbrenner. Am Ende unserer Autobahnfahrt lag der Durchschnittsverbrauch bei stolzen 12,2 Liter auf 100 Kilometer.
Verzichtet man auf allzu starke Beschleunigung und Geschwindigkeiten über 140 km/h sind 8,7 bis 9,5 l/100 km möglich. Dafür muss man dann allerdings in den Eco- oder Smart-Modus wechseln. Letzterer ist gewitzt umgesetzt, da dann die Elektronik je nach Fahrsituation den Modus anpasst und eigenständig zwischen Eco, Comfort und Sport wechselt. Kia gibt den Verbrauch mit durchschnittlich 7,9 Liter pro 100 Kilometer (181 g/km CO2) an.
Sportlich und Elegant
Wesentlich stimmiger präsentiert sich der Innenraum des Stinger: Auch hier hat Kia den sportlichen Touch mit elegantem Flair kombiniert. Das Armaturenbrett schwingt sich stilvoll von Tür zu Tür. Das griffige, nach unten abgeflachte Sportlenkrad mit den Schaltwippen sowie die drei runden Luftdüsen in der Mitte sehen nach Sportwagen aus und bilden eine gelungene Einheit – sie erinnern zusammen mit dem Automatik-Wählhebel ein bisschen an Audi. Etwas seltsam sind die äußeren Lüftungsdüsen, die so gar nicht in das Designkonzept passen.
Die Bedienung der Klimaanlage und die Infotainment-Knöpfe haben zwar auch nicht die gleiche Farbe, aber zumindest ist hier ein schwarz/silber-Schema zu erkennen, dass sich über die komplette Mittelkonsole erstreckt. Schön gelöst haben die Designer die Wippschalter für Sitzheizung und -belüftung: Einfach zu bedienen und funktional. Insgesamt wirkt die Verarbeitung sehr solide, die Oberflächen in unserem Testwagen speziell das rote Leder der Türverkleidungen sowie der Sitze fühlen sich gut an.
Und auch beim Sitzkomfort gibt es nichts zu mäkeln: Die Sportsitze geben sehr guten Seitenhalt und sind selbst bei längeren Fahrten bequem. Gleiches gilt für die Fondsitze; diese haben zudem auch eine Sitzheizung mit an Bord.
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Das Cockpitkonzept des Kia Stinger
Das Cockpit mit dem analogen Tacho und Drehzahlmesser sowie einem sieben Zoll Display in der Mitte sind schlicht, übersichtlich und wirken sportlich. Das serienmäßige Head-up-Display in der Windschutzscheibe funktioniert ebenfalls einwandfrei; selbst mit einer polarisierten Sonnenbrille sind alle Parameter sichtbar. Auf dem Armaturenbrett thront ein acht Zoll großes Touchdisplay für das Infotainmentsystem. Die Systemsteuerung gibt keine Rätsel auf und ist nicht unnötig verschachtelt; man navigiert zügig durch alle Untermenüs. Die Bedienung erfolgt fast ausschließlich über die Touchfunktion des Bildschirms. Lediglich das Radio und die Medien lassen sich per Tasten über der Mittelkonsole steuern. Ein Dreh-Drück-Steller auf dem Mitteltunnel wie bei Audi oder Wischgesten wie bei Daimler wären hilfreich, da man sich durch die tiefe Sitzposition richtig strecken muss.
Umso einfacher funktioniert allerdings die Anbindung des iPhones via Carplay. In weniger als zehn Sekunden läuft die Lieblingsmusik durch die optional erhältliche Soundanlage von Harman Kardon, die in unserem Testwagen für einen ordentlichen Klang sorgte. Damit sich die Töne entfalten können, ist eine gute Dämmung im Innenraum wichtig: Bei ausgeschalteter Musik sind Unterhaltungen mit den beiden Fondpassagieren selbst bei Geschwindigkeiten jenseits der 160 Stundenkilometer ohne Probleme möglich.
Und mehr als zwei Passagiere sollten es auf der Rückbank auch nicht sein: Mit 4,83 Metern ist der Stinger ganze 20 Zentimeter länger als der BMW 4er Gran Coupé und zehn Zentimeter als der Audi A5 Sportback. Zwar herrscht hinten ausreichend Beinfreiheit, doch Personen mit einer Körpergröße ab 1,80 Metern können sich durchaus den Kopf stoßen oder kommen sich mit der Schulter in die Quere.
Viele Helferlein
Wie eingangs erwähnt packt Kia viele Extras in seine Autos – dazu gehören auch die Assistenzsysteme, die fast alle serienmäßig mit an Bord sind. Dazu zählen der Frontkollisionswarner, der Müdigkeitswarner, die Verkehrszeichenerkennung sowie ein Spurhalter und der intelligente Tempomat mit Notbremsassistent und Fußgängererkennung. Dieses System lenkt aktiv mit, hält die Spur sowie den Abstand zum Vordermann und bremst bei Bedarf bis zum Stillstand.
Unser Testwagen war außerdem mit dem Technologie-Paket für 2.400 Euro ausgestattet. Mit dabei: ein Spurwechselassistent und Querverkehrswarner für das rückwärts Ausparken sowie eine Rundumsichtkamera. Vor allem der Querverkehrswarner hat während unserer Fahrten vollauf überzeugt. Das System erkannte etwa auf Parkplätzen Fußgänger und Fahrzeuge sehr zuverlässig: Als Warnung gibt es in diesem Fall ein akustischen Signal plus einen Hinweis auf dem Bild der Rückfahrkamera. Dort bekommt man angezeigt, aus welcher Richtung sich das Objekt auf einen zubewegt.
Der Preis: Vielleicht doch den 3,3 V6?
Mit einem Grundpreis von 44.490 Euro plus dem Technologie-Paket sowie dem „Exclusive“-Paket für 2.900 Euro, das neben einer Sitzheizung und -belüftung, das Harman-Kardon-Soundsystem, eine elektrische Heckklappe, rundum LED-Licht mit dynamischem Kurvenlicht und 19-Zoll-Alus beinhaltet, kommt unser Testwagen auf insgesamt 50.680 Euro. Stellt sich die Frage, ob GT-Fans nicht gleich bereit sind, den kräftigeren Stinger mit dem 3,3-Liter-V6-Aggregat zu ordern. Denn dieser kostet nur 55.900 Euro, hat schon alles was im „kleinen“ Stinger Aufpreis kostet inklusive und dazu noch einmal 84 kW/115 PS mehr Power.
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