Fahrzeugtechnik Was sind Fahrerassistenzsysteme?

Von Sven Prawitz Lesedauer: 7 min |

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Fahrerassistenzsysteme, auch ADAS genannt, halten seit einigen Jahren Einzug in neue Fahrzeugmodelle. Sie unterstützen nicht nur die Fahrer, sondern ebnen den Weg zum autonomen Fahren.

Der Autobahnpilot ist bereits ein recht weit fortgeschrittenes Fahrerassistenzsystem.
Der Autobahnpilot ist bereits ein recht weit fortgeschrittenes Fahrerassistenzsystem.
(Bilder: Projekt Kohaf)

Autobahnpilot, Adaptive Cruise Control und viele mehr: Assistenzsysteme helfen dem Fahrer im Alltag, doch genau wie können Fahrerassistenzsysteme Sie unterstützen? Welche Fahrerassistenzsysteme gibt es überhaupt? Und welches Fahrerassistenzsystem bietet ein hohes Verkehrssicherheitspotential? Um diese und weitere Fragen geht es im Folgenden.

Fahrerassistenzsysteme, im Englischen advanced driver assistance system (ADAS) genannt, unterstützen Fahrer von Pkw und Lkw bei der Fahrzeugführung. Damit wird die Sicherheit im Straßenverkehr erhöht. Die Bandbreite der Systeme ist dabei groß: Es gibt relativ einfache Assistenzsysteme wie zum Beispiel die Einparkhilfe aber auch deutlich komplexere wie einen Staupiloten. Hochautomatisierte und autonome Systeme sind momentan noch nicht zugelassen.

Definition: Was sind Fahrerassistenzsysteme?

Fahrerassistenzsysteme unterstützen den Lenker von Kraftfahrzeugen und übernehmen in bestimmten Fällen seine Aufgaben. Ziele des Einsatzes von Fahrerassistenzsystemen sind Erhöhung der Fahrsicherheit, Steigerung des Fahrkomforts und Verbesserung der Effizienz.[1]

Wie unterschiedliche Fahrerassistenzsysteme funktionieren.
Wie unterschiedliche Fahrerassistenzsysteme funktionieren.
(Bild: Springer Fachmedien)

Wie können Fahrerassistenzsysteme Sie unterstützen? Die verschiedenen Kategorien

Fahrerassistenzsysteme lassen sich nach ihrer Wirkungsweise in drei Kategorien einteilen:[2]

  • Kategorie A – Informierende Funktion:
  • Diese Funktionen informieren den Fahrzeugführer über Geschehnisse im Umfeld des Fahrzeugs. Sie erweitern damit die Möglichkeiten der Informationsaufnahme, die für die sichere Führung eines Automobils notwendig sind. Zum Beispiel liefern Systeme Informationen über Verkehr im toten Winkel.
  • Die Informationen werden über Mensch-Maschine-Schnittstellen (auch engl. Human-Machine-Interface, kurz HMI) bereitgestellt. Das können Symbole auf dem Tacho, im äußeren Rückspiegel oder auf dem Head-up-Display sein.
  • Auch akustische Signale wie Warntöne gehören dazu. Die Funktionen der Kategorie A wirken „mittelbar“ auf den Fahrer ein.
  • Kategorie B – Kontinuierlich wirkende automatisierende Funktionen:
  • Diese Systeme wirken über einen längeren Zeitraum und greifen unmittelbar in die Führung des Fahrzeugs ein.
  • In diese Kategorie fällt zum Beispiel der adaptive Geschwindigkeitsregelautomat, der automatisch die voreingestellte Geschwindigkeit hält und dabei den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug überwacht.
  • Aber auch Hintergrundsysteme, die automatisch ihre Arbeit verrichten, gehören dazu: Das ESP (elektronisches Stabilitätsprogramm), das in bestimmten Situationen das Fahrzeug stabilisiert oder das Antiblockiersystem ABS, was bei starken Bremsvorgängen blockierende Räder verhindert. Diese sind sogar gesetzlich vorgeschrieben und so in jedem Neuwagen vorhanden.
  • Bei den Funktionen dieser Kategorie teilen sich Fahrer und Assistenzsystem die Fahraufgabe.
  • Kategorie C – Eingreifende Notfallsysteme:
  • In Notsituationen können automatisierte Systeme oft schneller Reagieren als der Mensch.
  • Beispiele sind der Notfallbremsassistent oder ein automatisches Ausweichsystem.

Was sind die SAE-Level von Fahrerassistenzsystemen?

Fahrerassistenzsystem ist nicht gleich Fahrzeugassistenzsystem. Damit diese besser unterschieden werden können, werden sie in unterschiedliche Kategorien eingeteilt. Weltweit durchgesetzt hat sich dabei die Klassifizierung der society of automotive engineers (SAE). Im SAE-Dokument J3016 sind die unterschiedlichen Fahrmodi in sechs Level unterteilt.[3]

  • Level 0 steht für keine Automation. Das heißt, der menschliche Fahrer steuert das Fahrzeug. Fahrerassistenzsysteme unterstützen lediglich durch akustische Signale, wie etwa die Einparkhilfe oder der Totwinkelwarner.
  • Level 1 beschreibt bereits erste unterstützende Funktionen. Der Fahrer wird beim Lenken oder Beschleunigen bzw. Bremsen aktiv unterstützt. Beispiele sind der Spurhalteassistent oder eine adaptive Geschwindigkeitsassistent mit Abstandsregelung.
  • Level 2 verknüpft den Lenkeingriff mit der Geschwindigkeitsregelung. Systeme dieser Klasse können ein Fahrzeug gleichzeitig beschleunigen bzw. bremsen und in der Spur halten.

Bei allen bisher genannten Fahrerassistenzsystemen muss der Mensch die Umgebung im Blick behalten. Außerdem muss der Fahrer alle verbleibenden Aspekte der dynamischen Fahraufgabe ausführen – etwa einen Spurwechsel oder Überholvorgang.

Bei SAE-Level 3 bis 5 überwachen die Systeme des Fahrzeugs die Umgebung. Den Fahrern ist es erlaubt, sich vom Fahrgeschehen abzuwenden, sie dürfen beispielsweise lesen, schlafen oder fernsehen. Eine Besonderheit gibt es bei Level 3: Hier kann das Fahrassistenzystem des Fahrzeugs den Fahrer auffordern, innerhalb einer gewissen Zeit, die Steuerung des Autos oder Lkws zu übernehmen.

  • SAE-Level 3 erfüllt ein Fahrerassistenzsystem, wenn es in einer abgegrenzten Situation die Steuerung des Autos komplett übernimmt. Ein Beispiel ist der Staupilot. Löst sich der Stau auf, muss der Fahrer das Steuer wieder übernehmen.
  • SAE-Level 4 steht für hochautomatisierte Fahrzeuge. Ein Eingriff durch die Insassen ist nicht mehr nötig. Fahrzeuge dieser Kategorie haben jedoch noch Pedale und ein Lenkrad und können auf Wunsch manuell gesteuert werden.
  • SAE-Level 5 ist vom System her identisch mit Level 4. Allerdings haben Fahrzeuge dieser Kategorie keine Bedienelemente für die manuelle Steuerung mehr. Deshalb muss das Fahrzeug überall und zu jeder Zeit wo es autonom fahren können.

Fahrerassistenzsysteme: Automatisiert oder autonom?

Die Begriffe „autonomes Fahren“ oder „autonomes Auto“ werden häufig zweckentfremdet verwendet. Denn, so lange die Autofahrer noch als Rückfallebene gebraucht werden und gegebenenfalls das Steuer übernehmen müssen, sind die Fahrzeuge nicht in der Lage unabhängig – also autonom – mit alle Situationen des Straßenverkehrs umzugehen.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (kurz Bast) hat versucht die Definition der SAE zu vereinfachen. Die unterste Stufe der Fahrerassistenzsysteme nennt die Bast den „Assistierten Modus“. Hierunter fallen die SAE-Level 1 und 2. Diese Systeme unterstützen den Fahrer, müssen von ihm aber jederzeit überwacht werden. Die Bast ordnet zum Beispiel den Tesla Autopilot dieser Kategorie zu.

Darüber angeordnet ist der „automatisierte Modus“. Mit solch einem System kann der Fahrer in bestimmten Situationen die Steuerung des Fahrzeugs komplett an die Elektronik übergeben – und sich anderen Dingen wie lesen oder Videos schauen zuwenden. Wichtig ist, dass der Fahrer aufmerksam bleibt und innerhalb einer vorgegebenen Zeit das Steuer wieder übernehmen kann. Schlafen ist demnach nicht erlaubt. Der Staupilot der Mercedes-Benz S-Klasse fällt in diese Kategorie, die vom SAE als Level 3 bezeichnet wird.

Unter dem „autonomen Modus“ wie ihn die Bast definiert, fallen die SAE-Level 4 und 5. Hier übernehmen die Systeme des Fahrzeugs sämtliche Fahraufgaben; die Insassen müssen nicht mehr eingreifen. Die Verbraucherschutzorganisation Euro NCAP will nur noch in den drei beschriebenen Modi der Bast kommunizieren.

Welche Fahrerassistenzsysteme gibt es?

  • Antiblockiersystem, ABS
  • Autopahnpilot
  • Berganfahrhilfe
  • Bremsassistent, BAS
  • Einparkhilfe
  • Adaptiver Fernlichtassistent
  • Adaptive Geschwindigkeitsregelung
  • Automatischer Notbremsassistent
  • Scheibenwischer-Automatik
  • Aktiver Spurhalteassistent
  • Totwinkel-Überwachung
  • Verkehrszeichenerkennung

Wie sind Fahrerassistenzsysteme aufgebaut?

Grundsätzlich benötigt ein Fahrerassistenzsystem unterschiedliche Sensoren, eine elektronische Steuerung, die die Sensordaten auswertet und anschließend Steuersignale sendet – entweder an Lautsprecher und Displays um den Fahrer zu warnen oder an Aktuatoren, um aktiv in die Fahrzeugsteuerung einzugreifen.

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In aktuellen Fahrzeugmodellen sind zum Beispiel Ultraschallsensoren verbaut, die für die Einparkhilfe verwendet werden. Weitere Sensoren sind Kamera, Radar und Lidar. Letztere funktionieren ähnlich wie Radarsensoren, senden jedoch Licht (Light detection and ranging) im Wellenlängenbereich von etwa einem Mikrometer aus. Radarwellen in modernen Automobilanwendungen senden und empfangen Signale mit Wellenlängen von etwa vier Millimetern.

Radar und Lidar eignen sich sehr gut, um Distanzen zwischen dem eigenen Fahrzeug und Objekten in der Umgebung zu messen. Außerdem können mit diesen Sensoren Relativgeschwindigkeiten ermittelt werden. Die Kamera hat ihre Stärke darin, Objekte zu erkennen – also den Unterschied zwischen einer Hecke und einer Mauer.

Sämtliche Sensordaten werden in elektronischen Steuergeräten ausgewertet. Bei den einfachsten Assistenzsystemen wird bei Gefahr zum Beispiel ein Piepton erzeugt, um auf das Überfahren einer Linie hinzuweisen. Bei manchen Fahrzeugen kann auch das Lenkrad kurz vibrieren oder auf dem Display des Tachos erscheint ein Warnsymbol.

Bei komplexeren Systemen gibt es Aktuatoren, die direkt in die Fahrzeugsteuerung eingreifen. Mittlerweile ist zum Beispiel der automatische Notbremsassistenz (AEB für automatic emergancy braking) gesetzlich vorgeschrieben. Das AEB-System erkennt Hindernisse und leitet automatisch eine Notbremsung ein, falls der Fahrer nicht rechtzeitig reagiert. Andere Systeme, wie die adaptive Abstandsregelung oder der aktive Spurhalteassistent, regeln automatisch die Geschwindigkeit und den Lenkeinschlag eines Fahrzeugs.

Diese Hersteller bieten Fahrerassistenzsysteme an

Fahrerassistenzsystem werden vornehmlich von den sogenannten Systemherstellern, auch Tier-1-Lieferanten genannt, unter den Automobilzulieferern entwickelt und produziert. Ausgewählte Beispiele sind Aptiv, Continental, Mobileye, Robert Bosch und ZF Friedrichshafen.

Diese Kategorie von Zulieferern kombiniert Sensoren, Aktoren sowie die für die Steuerung erforderliche Elektronik inklusive Software zu einem System. Diese Systeme werden an die Automobilhersteller geliefert und dort in die Fahrzeuge integriert.

Fahrerassistenzsysteme nachrüsten

Das kanadische Start-up X-Matik bietet einen Nachrüstsatz für ein höher automatisiertes Fahrerassistenzsystem an. Als Kunden hat das Unternehmen Flottenbetreiber im Blick. Das System soll gefährliche Situationen erkennen und den Fahrer vor riskanten Manövern warnen können. Lane Cruise biete eine automatisierte Spurhaltefunktion und ermögliche einen automatischen Spurwechsel auf Autobahnen.

Auch das amerikanische Unternehmen Comma.ai und das Berliner Start-up Kopernikus haben Nachrüstsätze präsentiert. Eines der Probleme der Retrofittechnik ist allerdings, dass die Systeme gegen Fehlbedienungen durch seine Nutzer immun sein und in unterschiedlich konfigurierten Fahrzeugmodellen funktionieren müssen.

Video mit Beispielen von X-Matik

Welche Gefahr kann bei der Nutzung von Fahrerassistenzsystemen bestehen?

Grundsätzlich nutzen Fahrerassistenzsysteme den Autofahrern doppelt: Sie machen die Autofahrt zum einen komfortabler, indem beispielsweise ein elektrisches Stabilitätsprogramm den PKW auf rutschigem Untergrund angenehmer im Handling macht. Sie sorgen aber zum anderen für eine höhere Sicherheit, indem zum Beispiel optische Signale auf eine Gefahr, wie ein schnell abbremsendes Auto, hinweisen – das geschieht beispielsweise mit einem Head Up Display.

Ironischerweise gehen diese beiden Nutzen von ADAS jedoch nicht immer Hand in Hand. Stattdessen kann der höhere Komfort die Fahrt unsicherer machen. Denn wenn Fahrerassistenzsysteme dem Fahrer, gerade bei längeren, anstrengenden Fahrten, viel Arbeit abnehmen, ist dieser nicht mehr so gefordert – oder verlässt sich blind auf das System. Es folgt eine verringerte Aufmerksamkeit und somit ein erhöhtes Unfallrisiko.

Das gilt aber nur so lange, wie die Systeme den Fahrer lediglich unterstützen: Wenn die Technik zum vollautonomen Fahren weiterentwickelt ist, entfällt diese Gefahr. Glücklicherweise erkennt das System auch heutzutage bereits die nachlassende Aufmerksamkeit des Fahrers.

Quellen:

  • [1] Tom Michael Gasser/Andre Seeck/Bryant Walker Smitz (2015): Handbuch Fahrerassistenzsysteme, Wiesbaden

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