Antriebe Verbrenner-Aus: Von „fataler Fehler“ bis „großartiger Beschluss“

Quelle: jr/dpa

Die EU und die Umweltminister der Länder wollen den Verbrennungsmotor nahezu endgültig ausschalten. Dabei ist keiner der mehr oder weniger Beteiligten mit dem erzielten Kompromiss so richtig zufrieden.

EU und Umweltminister der Länder stimmen gegen den Verbrennungsmotor. Die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft fallen sehr unterschiedlich aus.
EU und Umweltminister der Länder stimmen gegen den Verbrennungsmotor. Die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft fallen sehr unterschiedlich aus.
(Bild: BMW)

Nach dem Beschluss der EU-Umweltminister zu emissionsfreien Neuwagen ab 2035 kommt von der deutschen Autoindustrie Kritik. Der Branchenverband VDA bemängelte am Mittwoch (29. Juni), dass es in Europa nach wie vor nicht genügend Ladestationen für Elektroautos gibt. Die Einigung aus der Nacht sehe immer noch ein faktisches Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennermotoren ab 2035 vor.

„Zu E-Fuels scheint es nur für eine Absichtserklärung gereicht zu haben, deren Umsetzung offen ist“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. E-Fuels seien wichtig, um die Klimaziele zu erreichen.

Auch der Importeursverband VDIK mahnte einen schnelleren Ausbau der Ladeinfrastruktur an. In Europa sollten künftig alle Antriebstechnologien, die klimafreundliche Mobilität ermöglichten, genutzt werden können.

Dobrindt: „Fataler Fehler“

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat die Entscheidung der EU-Staaten zum Verbrenner-Aus als einen „fatalen Fehler“ bezeichnet. Dieser hänge maßgeblich mit dem „desolaten Auftritt“ der Ampel-Regierung zusammen. Statt dem Verbrenner mit CO2-freien synthetischen Kraftstoffen eine klare Perspektive zu geben, habe die Bundesregierung viel zu lange keine abgestimmte Position gehabt.

„Jetzt soll ausgerechnet die EU-Kommission Ausnahmen für klimaneutrale Kraftstoffe erarbeiten, obwohl sie in der Vergangenheit selbst ein Verbrenner-Aus vorgeschlagen hatte.“

Die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Anja Weisgerber ergänzt: „Die FDP hat den wichtigen Aspekt der Technologieoffenheit viel zu spät eingebracht. Rechtlich bindend ist es noch nicht, dass ab 2035 Neufahrzeuge zugelassen werden dürfen, die mit CO2-neutralen Kraftstoffen fahren. Die Bundesregierung gibt der Automobil- und Zuliefererindustrie keine Planungssicherheit und lässt die Beschäftigten im Regen stehen."

ZDK: „Rechtssichere Lösung auf den Weg bringen“

Der Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) Jürgen Karpinski wertete das Votum der EU-Umweltminister, dass die Möglichkeit geschaffen werden soll, neue Verbrennungsmotoren auch ab 2035 zuzulassen, wenn sie mit E-Fuels betrieben werden, als „kluge Entscheidung“. „Wir setzen uns seit einem Jahrzehnt für synthetische Kraftstoffe ein und haben immer wieder gegenüber der Politik auf die technologieoffene Gestaltung der individuellen Mobilität der Zukunft gedrungen“, so der ZDK-Präsident. Die Entscheidung der Umweltminister halte diesen Weg offen.

Nun sei es Aufgabe der Bundesregierung, gemeinsam mit den anderen EU-Ländern einen Kompromiss mit dem EU-Parlament zu finden, um eine rechtssichere Lösung auf den Weg zu bringen.

Lindner: „Verbrenner muss weiterentwickelt werden können“

Wenig überraschend begrüßte FDP-Chef Christian Lindner die nächtliche Entscheidung aus Straßburg: „Der Verbrennungsmotor wird mindestens global noch lange eine Rolle spielen.“ Niemand könne heute wissen, wie wettbewerbsfähig und wirtschaftlich E-Fuels in den 30er-Jahren sein werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat den EU-Ministerbeschluss für klimaneutrale Neuwagen ab 2035 verteidigt. „Das ist ein wirklich großartiger Beschluss, der den Klimaschutz im Verkehrssektor vorantreibt, der einen wichtigen Beitrag leisten wird dafür, die CO2-Ziele, die Klimaschutzziele im Verkehrssektor einzuhalten.“

Lemke: „E-Fuels erfüllen Voraussetzungen nicht“

„Wir können diese Diskussion, ist das ein Verbrenner-Aus oder ist das ein Verbrenner-Aus-Aus, noch eine Weile weiter führen, aber für mich ist entscheidend, was beschlossen wurde.“ Dieser Beschluss sei, „dass Pkw-Neuwagen ab 2035 vollständig CO2-frei fahren sollen“, gemessen am Ausstoß am Auspuff. Die Ministerin betonte, dass E-Fuels diese Voraussetzung nicht erfüllten.

Die EU-Kommission sei aber gebeten worden, zu prüfen, „ob es Mittel und Wege gibt, für diese Randbereiche noch andere Möglichkeiten“ zu schaffen. „Den Vorschlag muss die Kommission dann jetzt bewerten und schauen, was sie damit macht. Aber innerhalb der Flottengrenzwerte ist es nicht möglich“, sagte Lemke über die E-Fuels, für die sich in Deutschland vor allem die FDP starkgemacht hatte.

BUND: „Beschluss führt zu unnötigen Fehlinvestitionen“

Umweltverbände haben die Entscheidung der EU-Staaten zum Verbrenner unterdessen bemängelt. Kritisiert wurde vor allem, dass Verbrenner-Autos nach 2035 eine Zukunft mit E-Fuels habe sollen. „E-Fuels sind eine Scheinlösung, sie sind ineffizient, nicht automatisch klimaneutral und werden auf absehbare Zeit teuer sowie begrenzt verfügbar bleiben“, sagte Antje von Broock, Geschäftsführerin des BUND.

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„Wir hätten uns ein noch klareres Bekenntnis zum batterieelektrischen Antrieb gewünscht.“ Das hätte auch der Automobilindustrie mehr Planungssicherheit gegeben. „Es ist unverständlich, warum die FDP hier so vehement für Einzelinteressen eintritt. Sollte nach 2035 die Zulassung neuer Pkw mit Verbrennungsmotor möglich sein, kann das zu unnötigen Fehlinvestitionen führen."

Der geschäftsführende Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser sprach von einem „Luftschloss“ und einem verwässerten Verbrenner-Ausstieg. Kaiser sagte: „Dieses Verbot kommt viel zu spät, um das 1,5-Grad-Ziel im Verkehr zu erreichen und Europas Abhängigkeit vom Öl schnell zu beenden. Ärgerlich ist, dass die EU sich nun weiter mit der Scheinlösung ineffizienter und teurer E-Fuels beschäftigen muss, die im Pkw-Markt nichts verloren haben.“ Das „Luftschloss“ E-Fuels bremse den anstehenden Umbau der Autoindustrie, führe Verbraucher in die Irre und werfe den Klimaschutz zurück.

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