Beschaffung bei Volkswagen VW-Einkaufschef Aksel: „Wir müssen weg von diesem Klein-Klein von Vergabe zu Vergabe“

Autor Svenja Gelowicz

Einkaufsvorstand Murat Aksel hat sich in einem Bericht über die anstehenden „härtesten sechs Wochen“ in der Chipkrise geäußert – und er erklärt, wie Volkswagen enger mit den Zulieferern zusammenarbeiten will und warum er selbst sich als „Advokat der Lieferanten“ fühlt.

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VW-Beschaffungschef Murat Aksel.
VW-Beschaffungschef Murat Aksel.
(Bild: Volkswagen)

Die Versorgungsengpässe beschäftigen Volkswagens Einkaufsvorstand Murat Aksel, seit er sein Amt Anfang des Jahres angetreten ist: „Häuserkampf“ nannte er die Situation vor Wochen. Dem „Handelsblatt“ sagte Aksel nun im Interview, momentan sei der Tiefpunkt bei der Versorgung mit Chips erreicht. Volkswagen stehe vor den „härtesten sechs Wochen“. Die vorhandenen Chips verteile sein Team im Konzern – und müsse abwägen, wo sie am dringendsten benötigt würden. „Der Vertrieb kann dann eben vorübergehend keine Autos mit Schiebedach verkaufen.“ Andere Autos warteten fertig gebaut auf ihre noch fehlenden Elektronikbauteile. Aksel rechnet damit, dass sich die Situation im dritten Quartal verbessert.

Wenn ein Zulieferer scheitert, dann scheitere auch ich.

Das „bewährte Geschäftsmodell“ ändere sich gerade grundlegend, wenn Autos zunehmend digital werden: „Chips entwickeln sich zum zentralen Baustein für jedes Fahrzeug. Darauf müssen wir uns noch besser einstellen.“

Volkswagen hatte bereits vor Wochen angekündigt, in der Lieferkette näher an die Waferhersteller wie TSMC heranrücken zu wollen – und auch zu prüfen, selbst Technologie für Chips zu entwickeln. Im Interview mit dem „Handelsblatt“ spricht Aksel von möglichen Dreiecksverträgen zwischen Autobauern, Zulieferern und Chipherstellern.

Nicht nur Mikrochips bereiten seinem Bereich Sorge: „Nach einem guten Jahr Pandemie sind die Lieferketten völlig ausgedünnt“, sagte er weiter. Für Zulieferteile erwäge er auch, Geld für neue Läger auszugeben: „Kein Bauteil, kein Auto, kein Geld“, so Aksel launisch. In Zukunft wolle sich Volkswagen jedoch intensiver um die gesamte Lieferkette kümmern, gerade klassifiziere man für alle Modelle das Risiko für jegliche Bauteile.

Murat Aksel: „Wissen der Zulieferer stärker nutzen“

Murat Aksel packt aber nicht nur das Thema Versorgungssicherheit an. Die Rolle des Einkaufs solle sich von „Bestellschreibern“, die nach Zuruf der Entwickler Angebote einholen und auswählen, hin zum Motor für die Transformation des Konzerns wandeln. „70 Prozent der Wertschöpfung eines Autos kommen von den Zulieferern. Hier in Wolfsburg arbeiten etwa 10.000 Ingenieure“, so Aksel. „Bei den Zulieferern sind es zehnmal so viele, die nur für Volkswagen tätig sind. Dieses Wissen draußen werden wir für uns noch viel stärker nutzen.“

Dafür soll die Zusammenarbeit mit den Zulieferern enger werden „und langfristiger als heute“, das gehe auch hin zu Partnerschaften und Allianzen: „Die Zusammenarbeit wird auch über längere Zeit und mehrere Produktlebenszyklen laufen und nicht mehr nur für einzelne Modelle“, so der Manager gegenüber „Handelsblatt“. „Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es nicht immer eine Stärke von Volkswagen war, solche dauerhaften strategischen Partnerschaften zu bilden. Früher standen allein die Kosten im Vordergrund.“

Umgang mit Lieferanten: Erst harte Verhandlung, dann Partnerschaft

Außerdem will Aksel bereits in der Entwicklung mit an Bord sein, um so besser auf Kosten Einfluss nehmen zu können. „Wir werden so zum Bindeglied zwischen der Entwicklung und der Produktion. Ich fühle mich aber auch als Advokat der Lieferanten. Denn wenn ein Zulieferer scheitert, dann scheitere auch ich.“ Bis zur Vergabe werde man immer hart verhandeln – ab Vertragsunterzeichnung würde der Zulieferer aber zum Partner. „Wir müssen weg von diesem Klein-Klein von Vergabe zu Vergabe“, sagte der VW-Einkaufschef.

Kosten drücken will Aksel dennoch: An dem im Dezember ausgerufenen Ziel, die Materialkosten um sieben Prozent bis Ende 2022 zu senken, halte er fest. „Wir wollen das gemeinsam mit unseren Zulieferern erreichen.“ Dazu könnten VW-Mitarbeiter den Zulieferern „vor Ort dabei helfen, die eigene Produktion zu optimieren.“

Trinity: Zulieferer im Wettbewerb

Aksel kündigt im Handelsblatt außerdem an, Konzeptwettbewerbe mit den Zulieferern für das Fahrzeugprojekt Trinity zu starten. „Wir wollen die Lieferanten vorab fragen, welche Ideen sie einbringen können.“ Volkswagen wolle dafür keine Vorgaben machen, sondern Vorschläge einholen. Aksel nennt als Beispiel Armlehnen und Cupholder, die als Bauteil von einem Lieferanten kommen könnten.

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