Deutschlandstart in Berlin Das Trio von Nio

Von Dirk Kunde

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Der chinesische Autohersteller bringt drei Modelle nach Deutschland, die man nur abonnieren kann. Auch das Laden mittels Batterietausch und die Limousine ET7 konnte man in der Hauptstadt testen.

Bei der Deutschland-Premiere in Berlin präsentierte Gründer und CEO William Li die Limousine ET 7 dem Fachpublikum. Sie kann ab sofort bestellt werden.
Bei der Deutschland-Premiere in Berlin präsentierte Gründer und CEO William Li die Limousine ET 7 dem Fachpublikum. Sie kann ab sofort bestellt werden.
(Bild: Nio)

Ein Eskalieren der rechtlichen Auseinandersetzung mit Audi will Nio vermeiden. Die Ingolstädter verklagen den chinesischen Hersteller wegen zu großer Namensähnlichkeit zwischen Audi S6 und S8 mit Nio ES 6 und ES 8. Dabei bringt Nio diese beiden SUVs gar nicht auf den deutschen Markt.

Bei der Premiere in Berlin präsentiert Gründer und CEO William Li die Limousine ET 7, die ab sofort bestellt werden kann. Im März 2023 folgt der ET 5, der äußerlich dem Model 3 von Tesla ähnelt. Bereits im Januar kommt der SUV EL 7 auf den Markt. Hier durchbricht Nio seine Klassifikation. Statt einem S für SUV, bekommt das E-Auto ein L für Lifestyle.

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So rücksichtsvoll Nio gegenüber dem Wettbewerber auftritt, so selbstbewusst fällt der Deutschland-Start in Berlin aus. Die beiden Gründer William Li und Lihong Qin empfangen Journalisten zum Gespräch im Nio House, das im Herzen der Hauptstadt am Breitscheidplatz entsteht. Noch ist nur das Erdgeschoss fertig, die übrigen Räumlichkeiten sind noch mit Planen verdeckt. Die Journalisten aus Deutschland, Dänemark, Schweden und den Niederlanden dürfen den ET 7 ausprobieren. Nach Norwegen startet Nio den Verkauf der Limousine in diesen Ländern.

Zwei Abo-Modelle

Vom Flughafen BER geht es zu einer Rennstrecke im brandenburgischen Groß Dölln und über eine Batteriewechselstation in Berlin-Spandau wieder zurück. Höhepunkt ist die Autopräsentation im Berliner Tempodrom am Abend. Neben William Li stehen mehrere Manager sowie Deutschland-Geschäftsführer Ralph Kranz auf der Bühne. Er präsentierte zwei Abo-Modelle, denn Nio will seine Autos nicht zum Kauf anbieten. Wer möchte, kann die Limousine ET 7 für 1.549 Euro einen Monat lang testen. Wird der Vertrag nicht kündigt, sinkt der monatliche Betrag stufenweise. Das kann bis zu 60 Monate laufen.

Die zweite Option ist eine monatlich feste Rate mit Laufzeiten zwischen 12 und 60 Monaten. Bei 36 Monaten Laufzeit kostet der ET 7 mit der 75 kWh-Batterie monatlich 1.199 Euro, der EL 7 1.299 Euro und der ET 5 startet bei 999 Euro. Während der Testphase der Batteriewechselstationen ist ein Tausch noch kostenlos. Wie die Preisgestaltung pro Wechsel sowie die Energie aussieht, verrät Nio noch nicht.

Mehr Auto-Flexibilität

„Flexibilität ist das neue Premium“, erklärte William Li. Mit den Abo-Modellen ziele das Unternehmen auf eine Generation, die sich kein Auto mehr kaufen möchte bzw. schneller zwischen Modellen wechsele.

Seine Aussage bezieht sich aber auch auf die Wahl zwischen klassischem Laden per Kabel (11 kW AC / 130 kW DC) oder dem Batterietausch. In der Motorworld in Berlin-Spandau steht eine solche Wechselstation. Nach dem Sortimo Innovationspark in Zusmarshausen ist dies der zweite Standort. Der dritte wird im Ladepark Seed & Greet in Hilden sein. Innerhalb von fünf Minuten ist eine leere gegen eine zu 90 Prozent geladene Batterie getauscht.

Der Standard bei Nio sind 75 kWh, doch im Angebot ist auch eine 100 kWh-Batterie und im kommenden Jahr wird es noch eine 150 kWh geben. Für den Alltag dürften die 445 km im ET 7 genügen. Für die Urlaubsfahrt kann man sich per App eine 100 kWh Batterie beim Wechsel reservieren. Die soll für bis zu 580 km im ET 7 sorgen.

In die Wechselstation (60 qm Fläche) passen 13 Batterien. Den ET 7 positioniert der Fahrer in einem Quadrat vor der Station, ab da läuft alles automatisch. Der Wagen setzt allein zurück und wird in der Station angehoben. Es werden die zehn Schrauben im Boden gelöst, danach verschwindet die leere Batterie im Lager. Eine Kamera inspiziert die Batterie auf äußere Schäden, erst danach startet der Ladevorgang. Die neue Batterie wird ins Fahrzeug eingesetzt und verschraubt. Nach weniger als fünf Minuten erwachen das Display der Assistenten Nomi sowie die beiden übrigen Bildschirme im ET 7 wieder zum Leben. Ein grünes Licht in der Wechselstation signalisiert dem Fahrer freie Fahrt.

13 Millionen Batteriewechsel

Nio hat in Zusmarshausen einen 550 kW Netzanschluss. Die Batterien werden schonend mit 40 bis 80 kW Gleichstrom geladen. Rein technisch sind 312 Wechsel pro Tag möglich. Die am stärksten frequentierte Station in China wechselt bis zu 150 mal am Tag, berichtet Co-Gründer Lihong Qin im Gespräch.

Nio kennt in China die Daten von bislang 13 Millionen Batteriewechseln. Diese Informationen helfen, Defekte früh zu erkennen und die Lebensdauer der Zellchemie zu optimieren. Für die Kunden in China und Norwegen bedeutet es, dass der Kaufpreis des Autos sinkt, da die Batterie gemietet wird. Der Batterietausch bedeutet Flexibilität bei den Speicherkapazitäten als auch Zukunftssicherheit. Sobald die Festkörperbatterie in Serie kommt, wird diese in den Nio-Fahrzeugen verwenden.

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Auf der anderen Seite ist das Wechselsystem für einen einzelnen Hersteller sehr aufwändig. Für eine Station veranschlagt Nio inklusive Batterien 400.000 Euro. In diesem Jahr sollen 20 Wechselstation in den fünf europäischen Ländern entstehen. Bis 2025 sollen es 1.000 Stück außerhalb Chinas werden, wobei Nio hier Nordamerika einschließt.

William Li betont im Gespräch, dass man offen sei für andere Hersteller. Die könnten das Batterieformat und damit die Wechsel ebenfalls nutzen. Diese Autohersteller müssten sich neben Fahrwerkskonstruktion und Batterieformat auch beim Batteriemanagement, den Niedrig- und Hochvolt-Anschlüssen sowie dem Anschluss für die Flüssigkeitskühlung den Vorgaben von Nio anpassen. Damit geht die Wahrscheinlichkeit für eine solche Kooperation in Europa gen Null.

33 Sensoren verbaut

William Li gründete Nio Ende 2014. Bis jetzt sind 250.000 Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs. Chefingenieur Danilo Teobaldi berichtet vom Rückkauf eines ES 6 in China mit knapp 450.000 km Laufleistung. „Wir haben den Wagen zerlegt, um zu sehen, wie die Bauteile aussehen. Alles war in guter Verfassung, auch die Batterie“, sagt der Italiener.

Die drei Modelle für Deutschland basieren bereits auf der zweiten Generation der Nio-Plattform (NT 2). Dazu gehört ein Assistenzsystem mit 33 Sensoren (Radar, Lidar, Ultraschall und Kameras). Besonders auffallend sind beim ET 7 die beiden Kameras und der Long-Rang-Lidar im Dach oberhalb der Windschutzscheibe. Rein technisch ist der ET 7 für automatisiertes Fahren im Level 3 ausgelegt. Doch der Pilot erfüllt nur Funktionen des Level 2 wie Abstandstempomat, Spurhalter, Spurwechsel- und Einpark-Assistent. Während Nio sein Sensoren-Set Aquila nennt, verarbeitet die Daten der Computer Adam. Er ist mit 48 CPU-Kernen und vier Nvidia Drive Orin X-Chips ausgestattet. Die Rechenleistung liegt bei 1.016 Tops (Tera Operations per Second).

Nio zielt auf ein Publikum, für die technische Details eher Nebensache sind. Doch die digitalen Angebote und die Konnektivität müssen vorhanden sein. Ein Knopfdruck am Lenkrad genügt und der Pilot übernimmt. Zum digitalen Komfort trägt auch Nomi, die Sprachassistentin bei. Diese Funktion gibt es inzwischen in vielen Autos, doch Nio gibt Nomi (Know me) ein Gesicht. Auf dem Armaturenbrett sitzt eine bewegliche Kugel mit einem Display. Darauf sieht man Nomis Augen und manchmal greift sie zur Gitarre oder setzt einen Hut auf. Die Visualisierung der Assistentin weckt Sympathien. Per Sprachbefehl sucht man ein Ziel, aktiviert die Sitzheizung oder lässt ein Selfie im Auto schießen.

Leider kann Nomi noch nicht auf Interpreten oder Liedtitel bei Spotify und Tidal zugreifen. Der Autohersteller wartet noch auf den Zugriff der entsprechenden Schnittstellen. Doch bei einem Dolby-Atmos-Soundsystem mit 23 Lautsprechern wird deutlich, wie wichtig Medienkonsum der Zielgruppe im Auto ist. Im Bereich Zubehör bietet Nio eine AR-Brille an, die Videos so wiedergibt, als säße der Betrachter vor einer große Kinoleinwand.

Unterwegs in der Oberklasse

Dabei bietet die Limousine ET 7 den Komfort der Oberklasse. Die Sitze bieten eine Massagefunktion. Die helle Innenausstattung ist hochwertig und setzt auf Karuun, aus nachwachsendem Rattan-Holz statt Plastik. Der flache Boden und ausreichend Bein- und Kopffreiheit machen die Mitfahrt auch auf der Rückbank zum Vergnügen (3,06 m Radstand). Ein 1,9 qm großen Glasdach sorgt für viel Licht im Innenraum des 5,10 Meter langen E-Autos.

Während der Testfahrt mit bis zu 200 km/h über die Autobahn zeigt sich der ET 7 von seiner komfortablen Seite. Auf dem abgesperrten Testgelände gibt sich die Limousine noch wesentlich sportlicher: Im Sport+ Modus sprintet der 2.360 kg schwere Wagen in 3,8 Sekunden auf 100 km/h. Einen Slalom absolviert der ET 7 ohne jegliches Aufschaukeln. In 33,8 Metern kommt das E-Auto aus Tempo 100 zum Stillstand.

Mein Verbrauch mit der großen Batterie und Allradantrieb (480 kW) liegt nach der Testfahrt bei 20,7 kWh. Für die kleinere Batterie gibt der Hersteller 19,3 bis 22,3 kWh auf 100 km an. Mit einem cW-Wert von 0,208 ist der ET 7 in der Region der EQS Limousine von Mercedes-Benz. Das dürfte ein direkter Wettbewerber für die Chinesen sein. Doch beginnt die E-Limousine mit Stern bei knapp 110.000 Euro. Nios ET 7 startet beim Kauf bei 70.000 Euro.

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