Cyberattacke Erpresser haben sensible Daten von Conti

Von Jens Rehberg

Das Ausmaß des Datenlecks bei Continental ist offenbar deutlich größer als zunächst angenommen. Einem Pressebericht zufolge erbeuteten die Hacker brisante Informationen zur Automotive-Sparte des Zulieferers.

Das jetzt bekannt gewordene Ausmaß des Datenlecks hat Conti bislang nicht kommentiert.
Das jetzt bekannt gewordene Ausmaß des Datenlecks hat Conti bislang nicht kommentiert.
(Bild: Conti / Michaela Handrek-Rehle)

Die Hacker-Gruppe „Lockbit 3.0“ hat im Darknet eine Liste mit sensiblen Daten veröffentlicht, die sie vor Monaten von Continental-Servern stehlen konnte. Wie das „Handelsblatt“ am Dienstag berichtete, dokumentiert die Datei Speicherpfade von 55 Millionen Dateien. Die Liste umfasse unter anderem Budget-, Investitions- und Strategiepläne, Unterlagen aus dem Personalbereich sowie vertrauliche Dokumente der Vorstände und Aufsichtsräte – darunter auch Korrespondenz von Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle.

Besonders brisant allerdings: Die Liste verweist zudem auf Spezifikationen zu Software, Steuergeräten sowie Vertragsbedingungen und Lastenhefte aus Kundenbeziehungen zu Volkswagen, Mercedes, BMW und anderen.

40 Terabyte sind weg

Bereits in der vergangenen Woche hatte Continental zumindest eingeräumt, dass im Rahmen des im August kommunizierten Cyberangriffs Daten abgeflossen sind. Mithilfe externer Experten sei festgestellt worden, „dass die Angreifer trotz etablierter Sicherheitsvorkehrungen auch einen Teilbestand an Daten aus betroffenen IT-Systemen entwenden konnten.“

Laut dem Bericht geht es bei dem Daten-„Teilbestand“ aber um ein Volumen von rund 40 Terabyte. Ein vergleichbares Leck sei noch bei keinem anderen Dax-Konzern bekannt geworden. Continental hat sich zu den neuen Erkenntnissen noch nicht geäußert. Die Hacker-Gruppe bietet die Daten gegen Zahlung von 50 Millionen US-Dollar an – Conti wollte wohl bislang kein „Lösegeld“ überweisen.

Noch im August hatte der Zulieferer behauptet, man habe den Angriff „selbst festgestellt und daraufhin abgewendet“. Die Geschäftsaktivitäten von Continental seien zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt gewesen.

Kunden wollten Klarheit

Wie das „Handelsblatt“ aus Konzernkreisen erfahren haben will, hätten verschiedene Autobauer und Zulieferer bereits im August Fragenkataloge an Conti geschickt. Man habe von dem Unternehmen eine Einschätzung des Risikos verlangt, dass vertrauliche Daten zu Komponenten, Bauplänen oder Softwarebeschreibungen gestohlen wurden.

In der Dateiliste der Hacker sind zum Beispiel aktuelle NDAs mit der Volkswagen-Softwaretochter Cariad verzeichnet sowie technische Konzeptzeichnungen. Gelistet seien zudem mutmaßliche Angebote für spezielle Displays für eine künftige VW-Baureihe, inklusive einer Tabelle mit entsprechenden Volumen-Szenarien. Man habe auch Hinweise auf eine Datei mit dem Titel „Cybersicherheit_Grundanforderungen_VW“ gefunden. Außerdem seien Informationen über spezifische Vertragsbedingungen zwischen Conti und den Wolfsburgern in China zu finden.

Conti-Investitionspläne im Netz

Als sensibel dürften auch Mails eingeschätzt werden, deren Betreff auf Investitionspläne der Conti-Automotive-Sparte für die Geschäftsjahre 2023 und 2024 hinweisen. Zudem enthält die Liste laut dem Bericht des Wirtschaftsmagazins Tabellen mit künftig geplanten Preislisten und Lagerbeständen.

Ebenfalls der Dateiliste zu entnehmen seien Protokolle von Aufsichtsratssitzungen, Beschlussvorlagen und Präsentationen des Conti-Vorstands sowie Dokumente zu Strategietreffen zwischen Vorstand und Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle.

Schließlich deute das untersuchte Material darauf hin, dass die Erpresser auch in den Besitz von Personalakten, Dokumenten zu Lohnkosten und Tabellen mit Adressen von Conti-Beschäftigten gelangen konnten. So seien zahlreiche Abmahnungen mit Klarnamen gelistet – zum Teil wegen ungenügender Personalführung, tätlicher Angriffe oder dem Konsum von Alkohol und Drogen.

Lösegelder erhöhen das Risiko

Ende Juni hatte eine IT-Expertengruppe die Bundespolitik in einem offenen Brief aufgefordert, Maßnahmen gegen das Zahlen von Lösegeldern nach Ransomware-Angriffen wie bei Continental zu ergreifen. Denn die Zahlungen – die mittlerweile in den meisten Fällen durch Versicherungen abgedeckt werden – hätten zu einer deutlichen Professionalisierung der Verbrecherbanden geführt, was wiederum ein geradezu „geostrategisches Risiko“ darstelle. Fast drei Viertel der bezahlten Gesamtsumme im vergangenen Jahr sei an Cybergangs in Russland bezahlt worden.

„Statt diese Milliarden an Euro jährlich dem organisierten Verbrechen und den Staaten, die diese Verbrecherbanden beheimaten, zukommen zu lassen, sollten deutsche Unternehmen diese Gelder vielmehr in ihre eigene IT-Sicherheit investieren, um somit einerseits die Hürden für weitere Angriffe zu erhöhen und andererseits die Finanzströme der Verbrecherbanden versiegen zu lassen“, erklären die Unterzeichner.

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