Wirtschaft Kaufprämie: „Keine Entscheidung war die schlechteste Entscheidung“

Von Antonia Seifert, Christoph Seyerlein, Jens Scheiner

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Nach dem historischen Einbruch der Neuzulassungszahlen im April hofft die Autobranche noch mehr auf eine staatliche Kaufprämie. ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn kritisiert in dem Zusammenhang die Hängepartie, die der jüngste Autogipfel verursacht hat.

Eine Kaufprämie für Autokäufer: Kurbelt sie die Wirtschaft an oder verbrennt sie Geld?
Eine Kaufprämie für Autokäufer: Kurbelt sie die Wirtschaft an oder verbrennt sie Geld?
(Bild: Volkswagen)

Angesichts der desaströsen Zulassungszahlen im April hat der Vorstand des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) seine Forderung nach einer schnell wirksamen Kaufprämie bekräftigt. „Das Minus von 61,1 Prozent bei den Neuzulassungen und 44,4 Prozent bei den Gebrauchtwagen ist für die deutsche Leitbranche eine Katastrophe“, betont ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. „Nach fünf Wochen Corona-Lockdown steht der Autohandel mit dem Rücken zur Wand.“

Mit Unverständnis reagiert ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn im Gespräch mit unserem Schwestermagazin »kfz-betrieb« auf die Ergebnisse des jüngsten Autogipfels. Dieser hatte hervorgebracht, dass mit einem Beschluss über eine staatliche Kaufprämie erst im Juni zu rechnen sei. „Keine Entscheidung war die schlechteste Entscheidung“, so Peckruhn. Denn zum Kauf eines Fahrzeugs werde die dadurch verursachte Unklarheit, ob eine Kaufprämie kommt oder nicht, nun erst einmal wohl kaum einen Verbraucher bewegen.

Bei den Händlern seien viele Hunderttausend umweltfreundliche und extrem schadstoffarme Fahrzeuge sofort verfügbar. Eine Kaufprämie müsse deshalb auch Diesel und Benziner der aktuellen Schadstoffnormen Euro 6d-Temp und Euro 6d einbeziehen, auch als junge Gebrauchtfahrzeuge und Nutzfahrzeuge, verlangt der ZDK-Präsident. Gerade die vielen jungen Gebrauchten auf den Höfen würden sonst gegenüber Neuwagen preislich unattraktiv und damit unverkäuflich.

Auf Basis modernster Motorentechnik mit hoch wirksamen Systemen der Schadstoffreduzierung sei die Prämie außerdem ein wirksamer Beitrag zum Umweltschutz. Genau dieses Argument wurde bereits in der Diskussion um die Abwrackprämie aus dem Jahr 2009 häufig in Frage gestellt. Außerdem wurde immer wieder behauptet, dass sie gar nicht zu mehr Fahrzeugkäufen geführt habe, sondern nur ohnehin geplante Käufe vorgezogen hätte. Das Marktforschungs- und Beratungsinstitut Dataforce hat sich in diesem Zusammenhang die Fakten der Abwrackprämie aus dem Jahr 2009 genauer angeschaut.

Wie umweltfreundlich war die Abwrackprämie?

Im Jahr 2009 senkte sich demnach der durchschnittliche CO2-Ausstoß im Privatmarkt gegenüber dem Vorjahr von durchschnittlich 153 auf 144 Gramm. Das sei der stärkste Rückgang der vergangenen 20 Jahre gewesen. Demnach waren die Fahrzeuge, die durch die Abwrackprämie ersetzt wurden, wesentlich umweltfreundlicher. Einerseits lag das daran, dass kleinere Autos als üblich angeschafft wurden. Der weitaus wichtigere Treiber war jedoch, dass neue Fahrzeuge technologisch den ersetzten Altfahrzeugen acht bis zehn Jahre voraus sind. So haben die Altfahrzeuge, die ersetzt worden sind, laut Bericht im Schnitt mindestens 170 Gramm CO2 pro Kilometer ausgestoßen, die damaligen Neuwagen nur 144. Damit lag die Differenz bei 26 Gramm pro Fahrzeug und Kilometer.

Die Abwrackprämie habe somit zum einen dazu geführt, die aktuellen Werte bei Neufahrzeugen wesentlich zu drücken. Aber noch viel wichtiger war laut dem Marktforschungsinstitut, dass eine Million Fahrzeuge mit einem hohen Ausstoß an CO2 ersetzt wurden.

Die folgende Tabelle zeigt Dataforce zufolge, dass die Abwrackprämie besser gewirkt haben soll als viele noch heute glauben. Die zusätzlichen eine Million Fahrzeuge im Privatmarkt waren keinem Vorzieheffekt geschuldet, so die Schlussfolgerung. Das Zulassungsniveau sei im Jahr davor und danach fast identisch. Zudem zeige sich hier nochmal, dass überwiegend kleinere umweltfreundlichere Fahrzeuge gekauft wurden.

(Bild: Dataforce)

Prämienvorschlag der „Autoländer“

Albert Vetterl, Präsident des Kfz-Gewerbes Bayern, hält als Kaufanreiz den von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen vorgebrachten Prämienvorschlag als wegweisend. Der Vorstoß der Ministerpräsidenten der „Autoländer“, nicht nur alternative Antriebe, sondern auch umweltfreundliche Verbrennungsmotoren der Abgasnormen 6d und 6d-Temp in ein Anreizprogramm aufzunehmen, sei aus Sicht des mittelständischen Kraftfahrzeuggewerbes ein wichtiges Signal.

„Dass die ,Autoländer‘ ihren Prämienvorschlag zudem nicht nur auf Neuwagen, sondern explizit auch auf Jahreswagen – also sehr junge und absolut umweltbewusste Gebrauchtwagen – beziehen, ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Eine reine ,Innovationsprämie‘ ausschließlich für Neufahrzeuge mit alternativen Antrieben würde dagegen auf einen Schlag mittelständisches Kapital in Millionenhöhe vernichten", glaubt Vetterl. Eine Hängepartie, ob eine Prämie komme oder nicht, verunsichere die Verbraucher und schwäche den Mittelstand. Das dürfe nicht passieren.

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