Fahrbericht Lucid Air: Viel Platz, viel Kraft, viel Reichweite

Quelle: sp-x

Lucid bringt mit dem Air ernsthafte Konkurrenz in die Elektro-Oberklasse. Die hoch motorisierte „Dream Edition“ ist limitiert – aber auch das Einstiegsmodell ist sicher nicht langweilig.

Im Oktober hat das amerikanische Start-Up Lucid damit begonnen, das Modell Air auszuliefern.
Im Oktober hat das amerikanische Start-Up Lucid damit begonnen, das Modell Air auszuliefern.
(Lucid)

Seit das amerikanische Start-Up Lucid im Oktober mit der Auslieferung des Air begonnen hat, haben das Tesla Model S und der Mercedes EQS ernsthafte Konkurrenz; ebenso der Porsche Taycan und sein Zwilling Audi E-Tron GT. Schließlich protzt das schnittige Schmuckstück mit den fließenden Linien nicht nur mit aberwitzigen 1.111 PS und mehr als 1.000 Nm Drehmoment zumindest für die Erstauflage.

Seinen 118 kWh großen Akkus sei Dank hat der anfangs 169.000 Dollar teure Fünfsitzer obendrein die mit Abstand größte Reichweite, die von den amerikanischen Behörden bislang zertifiziert wurde: 520 Meilen oder 837 Kilometer hat die EPA ermittelt. Damit hat der Air über 100 Meilen Vorsprung etwa vor dem Model S (405 Meilen) oder dem Mercedes EQS (350 Meilen).

Der Mann hinter dem ehrgeizigen Projekt ist der ehemalige Chefingenieur des Model S. Peter Rawlinson ist 2012 bei Tesla gegangen, schwingt sich nun zum größten Herausforderer für Elon Musk auf und attackiert seinen einstigen Boss mit dessen eigenen Waffen: Denn auch wenn der Air wie alle Konkurrenten eine Skateboard-Plattform nutzt, baut Lucid analog zu Tesla aber im Gegensatz zu Mercedes & Co auf eigene Komponenten. Den Motor, mit 74 Kilo einer der leichtesten in dieser Liga und trotzdem bis zu 650 PS stark, haben die Amerikaner selbst entwickelt und produziert.

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Die eigenen Akkus mit einer Betriebsspannung von 900 Volt und einer maximalen Ladeleistung von 350 kW sind ebenfalls ganz vorne dabei. Im besten Fall lassen sie sich binnen 20 Minuten mit Strom für fast 500 Kilometer füllen. Offenbar so gut, dass sie sogar als exklusiver Stromspeicher in der Formel E zum Einsatz kommen.

Lucid Air mit luftig wirkendem Innenraum

Verpackt hat Lucid das Ganze in einem Design, das dem Namen Air mehr als gerecht wird. Zum einen, weil die Karosserie mit einem cW-Wert von 0,21 einen ausgesprochen geringen Luftwiderstand hat. Und zum anderen, weil das Auto innen extrem luftig wirkt. Obwohl mit seinen 4,98 Metern nur etwa so lang wie eine E-Klasse, bietet es im Fond mehr Platz als eine S-Klasse und ist auch den elektrischen Konkurrenten aus Deutschland überlegen. Dazu gibt’s im Heck über 450 und im Bug noch einmal mehr als 200 Liter Stauraum und für den Fahrer ganz neue Perspektiven.

Nein, nicht nur weil Lucid im Cockpit eine eigene Balance aus Tastern und Touchscreen, Handwerk und Hollywood gefunden hat. Sondern vor allem, weil die Frontscheibe bis weit ins Dach reicht, wie damals beim Opel Astra GTC, und so den luftigen Eindruck zusätzlich unterstützt.

Das lässt sich bei der ersten Ausfahrt mit dem Lucid Air aber allenfalls auf den ersten Metern genießen, wenn es durch den üblichen Stau aus Hollywood hinaus und runter Richtung Malibu geht. Denn kaum am Pacific Coast Highway angekommen, lockt der Lucid mit seiner Leistung und schreitet so mächtig aus, dass die Blicke besser auf der Straße bleiben. Wer von 0 auf 100 in deutlich unter drei Sekunden und danach ohne auch nur das geringste Nachlassen bis auf 270 beschleunigen kann, der sollte auf die allgegenwärtigen Cops achten – oder vom Highway auf die Byways wechseln. Davon gibt’s schließlich in den Hollywood Hills mehr als genug.

Handlich ganz ohne Schnickschnack

Auch dort weiß der Lucid zu überraschen. Denn für ein Auto seines Formats und ganz ohne Schnickschnack wie eine Luftfederung oder eine Hinterachslenkung fühlt sich der Stromer in den engen Canyons überraschend handlich und agil an und stürmt engagiert die Pässe.

Nein, auch wenn Peter Rawlins auch mal bei Lotus war, ist das natürlich kein Vergleich zur Elise, egal in welchem Fahrprogramm. Aber einem BMW M5 ist der Air allemal näher als der EQS selbst in der AMG-Version und selbst Taycan-Fahrer sollten mal vorsichtig in den Rückspiegel schielen.

Wobei dieses Erlebnis buchstäblich limitiert ist. Denn von der Dream Edition baut Lucid nur 520 Exemplare, und auch die haben nicht alle den Performance-Triebstrang. Danach gibt es drei Versionen: Die Basis für 79.000 Dollar mit einem 480 PS starken Motor im Heck und 406 Meilen Reichweite, den 95.000 Dollar teuren Touring mit 620 PS starkem Allrad-Antrieb und ebenfalls 406 Meilen Aktionsradius, sowie als dauerhaftes Top-Modell den Grand Touring, der für 139.000 Dollar mit 800 PS und 516 Meilen in die Pole Position drängt.

Auf den ersten Blick scheint für Rawlinson und seinen Lucid alles nach Plan zu laufen. Die Dream Edition ist längst ausverkauft, für die gewöhnlichen Modelle gibt es angeblich mehr als 10.000 Vorbestellungen, der Start in Europa steht mit einem ersten Showroom in München in diesem Jahr auch noch im Kalender. Und die Börsianer sind offenbar auch zufrieden und haben die Company beim Einstand an der Wallstreet zwischenzeitlich auf rund 60 Milliarden Dollar taxiert – auf fast so viel wie BMW oder Daimler.

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Lucid plant zweite Baureihe

Zwar haben die Wertpapierwächter zwischenzeitlich schon mal wieder etwas genauer hingeschaut, und Lucid muss jetzt erst einmal beweisen, dass sie den Sprung vom Start-Up zum Serienhersteller schaffen. Nicht umsonst ist die Fabrik Arizona mittelfristig auf eine Jahresproduktion von 90.000 Autos ausgelegt.

Doch an Zuversicht mangelt es nicht. Im Gegenteil: Während der Air noch gar nicht so richtig abgehoben hat, plant Lucid bereits die zweite Baureihe und mit ihr noch größere Stückzahlen: Schon in einem Jahr soll ein SUV namens Gravity der Marke zusätzliche Bodenhaftung geben.

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