Fahrwerk Radnabenantriebe besser dämpfen

Autor / Redakteur: Gerhard Vogel / Wolfgang Sievernich |

Radnabenantriebe erhöhen das Radgewicht – und somit die ungefederten Massen. Um diesen Effekt zu minimieren, forscht das Fraunhofer LBF an aktiven, magnetorheologischen Dämpfern.

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Radnabenantriebe erhöhen die ungefederten Massen. Neuartige Dämpfer sollen diesen Nachteil ausgleichen.
Radnabenantriebe erhöhen die ungefederten Massen. Neuartige Dämpfer sollen diesen Nachteil ausgleichen.
(Fraunhofer LBF / Ursula Raapk)

Radnabenmotoren haben einen großen Vorteil: Sie wirken direkt am Rad, es sind keine aufwendigen mechanischen Verbindungen notwendig. Aber dieses Konzept hat auch einen gravierenden Nachteil: Höhere ungefederte Massen im Rad beeinträchtigen den Fahrkomfort und die Fahrsicherheit. Neben Magneten und Spulen müssen in jedem Rad eine Flüssigkeitskühlung und die Leistungselektronik unterkommen – bei einem elektrisch angetriebenen Mittelklassefahrzeug mit 16-Zoll-Felgen können diese Massen so pro Antriebsrad auf 50 bis 55 Kilogramm steigen. Auf das Fahrzeug-Gesamtgewicht wirken sich die Klötze am Bein nicht negativ aus, zumal an anderen Stellen hohe Gewichtseinsparungen möglich sind. Doch hinsichtlich der Federung des Fahrzeugs sind die ungefederten Massen eine enorme Herausforderung.

Magnetorheologische Dämpfer erhöhen Fahrkomfort

Marco Jackel vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt, erklärt: „Es reicht nicht aus, die Radachsen in konventioneller Weise mit dem Fahrzeugaufbau gedämpft elastisch zu verbinden, das haben Untersuchungen des Fraunhofer LBF deutlich gezeigt. Deshalb entwickeln wir adaptive Stoßdämpfer.“ Zum Einsatz kommen dabei so genannte magnetorheologische Flüssigkeiten kombiniert mit Permanentmagneten. Magnetorheologische Flüssigkeiten (MRF) sind Suspensionen aus einer Trägerflüssigkeit und ferromagnetischen Partikeln, bei denen die Höhe der übertragbaren Schubspannung von der Stärke des sie durchflutenden Magnetfeldes abhängt. Deutlich erweiterte Potenziale lassen sich bei MRF-Dämpfern mit Permanentmagneten ableiten, da diese die Energieeffizienz steigern. Die magnetorheologischen Dämpfer arbeiten prinzipiell ähnlich herkömmlichen Dämpfern: Sie absorbieren Stöße die von Fahrbahnunebenheiten und Straßenschäden ausgehen und eliminieren das Nachschwingen der Struktur, damit – insbesondere bei schneller Fahrt und in Kurven – die Räder den Bodenkontakt nicht verlieren und ununterbrochen Antriebs- und Bremskräfte übertragen können.

Festkörperbrücken bilden

Das Fraunhofer LBF stellt auf der Fachmesse Actuator vom 13. bis 15. Juni in Bremen magnetorheologische Dämpfer vor, die besonders energieeffizient arbeiten sollen. Laut LBF handelt es sich dabei um ein neu entwickeltes System, das die Feldstärken verändert, die auf das magnetorheologhische Fluid wirken. Unter Einfluss eines Magnetfeldes bilden die ferromagnetischen Partikel der MRF Festkörperbrücken, die die übertragbaren Schubspannungen steigern. Magnetorheologische Dämpfer nutzen diesen Effekt, um die Dämpferhärte des Fahrzeugs anzupassen: je stärker das Magnetfeld, desto höher die Dämpfungskraft. Die besondere Eigenschaft des hybriden magnetorheologischen Dämpfers ist die bislang einmalige Magnetfeldführung: Ein von einer Magnetspule erzeugtes Magnetfeld wird mit dem eines verschiebbaren Permanentmagneten überlagert. Beide Felder lassen sich so verstärken oder abschwächen. Das von dem Permanentmagneten erzeugte Feld lässt sich über dessen Position variieren. Jackel: „Das hat den großen Vorteil, dass Energie nur benötigt wird, um das Magnetfeld zu verschieben – aber nicht dafür, das Magnetfeld zu erzeugen“ Beim Betrieb des Fahrzeugs lassen sich notwendige langsame Anpassungen der Dämpferhärte, zum Beispiel beim Beladen, durch das Verstellen des Permanentmagneten erreichen. Sind dagegen im Fahrbetrieb schnelle Anpassungen notwendig, etwa bei einem Ausweichmanöver, kann der veränderte Spulenstrom das Permanentmagnetfeld bei sehr niedrigen Reaktionszeiten überlagern.

Höhere eingeleitete Kräfte

Untersuchungen der Fraunhofer Systemforschung Elektromobilität zeigten zudem, dass infolge des ins Rad integrierten Antriebs die in das Fahrwerk eingeleiteten Kräfte um zirka 25 Prozent steigen. Diese Differenz zu konventionellen Antriebskonzepten mit Zentralmotor und Antriebs-/Seitenwellen erfordert es, das gesamte Fahrwerk für ein mit Radnabenmotoren angetriebenes Fahrzeug anzupassen. Dazu gehören geregelte Systeme, die in den Aufbau eingeleitete Kräfte bei erhöhten reifengefederten Massen reduzieren. Vor allem aber sollen so genannte smarte Schwingungsdämpfer die in sicherheitskritische Fahrwerkskomponenten eingetragenen Kräfte reduzieren und den Fahrkomfort verbessern.

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